Kapitel 9 - Seltsame Befunde

878 78 27
                                    

Meine Hoffnungen, dass Kyle etwas Brauchbares gefunden hatte, wurden nicht erfüllt. Die einzigen Schlüsse die er aus den Schuppen gezogen hatte, waren, dass sie von einem jungen Drachen stammen müssen. Ihre Härte und Beschaffenheit glichen sehr den Schuppen von Drachen, welche nur ein paar Tage aus dem Ei geschlüpft waren - noch etwas weich und eindrückbar in der Mitte, glatt, leicht verbiegbar und mit einer noch nicht endgültigen Form. Drachenschuppen wachsen mit und können in den ersten Tagen sehr stark in Form und Härte wechseln, je nachdem welchem Lebensraum der Drache ausgesetzt war. Doch nach 5 Tagen haben sie ihre endgültige Form und Härte erreicht und begleiteten im Besten Fall den Träger sein ganzes Leben. Sie konnten also unmöglich vom selben Drachen stammen, welcher ihn gebissen hat, denn das würde von den Proportionen nicht stimmen. Die Zähne welche sein Fleisch durchbohrt haben, waren mindestens ein paar Zentimeter lang, und obwohl Drachen direkt mit Zähnen geboren werden, brauchen sie mindestens ein bis zwei Wochen ehe ihre Zähne so tief in Fleisch eindringen können. Ein mindestens drei Wochen alter Drache mit Babyschuppen? Und dann noch jemand der nicht im Schloss auffallen würde?

So gesehen, warf dieser Fund nur noch mehr Fragen auf.

"Holen wir Esmey. Sie kann uns bestimmt mehr sagen", schlug ich etwas verzweifelt von diesen Umständen vor. Wie erwartete stöhnte Kyle tief und sein Kopf klappte nach vorne. Man musste kein Genie sein um zu merken, wie wenig er Lust auf ihre Anwesenheit hatte, denn seine ganze Körpersprache teilte es einem mit. Hängende Schultern, tiefes Seufzen, hängender Kopf und ich war mir sicher er verdrehte auch gerade seine Augen. "Ich weiß, du magst sie nicht, doch sie ist unsere letzte Chance.", versuchte ich ihn zu überreden und wünschte mir er würde keine erneute Diskussion über ihre Unglaubwürdigkeit starten. Doch wie Kyle nun einmal so war, verschonte er mich nicht davor und sein Kopf schnellte in die Höhe. In seinen Augen flimmerte der Protest auf und die Wut schimmerte durch das dunkle Moosgrün seiner Iris hindurch. "Aber sie rät doch nur! Hinter ihren Aussagen stecken keine wissenschaftlichen Begründungen!", beschwerte er sich und raufte sich durch sein Haar. Es machte den Eindruck als würde er versuchen ein Kind davon zu überzeugen, dass es ein bescheuerter Trend ist Spülmaschinentabs zu essen - mit mir in der Rolle des Kindes. "Wenn du mir eine wissenschaftliche Erklärung für die Todesursache liefern kannst, bin ich ganz Ohr.", verlangend deutete ich auf den Leichnam welcher dank den kühlen Temperaturen hier unten noch nicht ganz so schnell vor sich hin schimmelte. Unfähig mir meine Forderung zu erfüllen, gab er sich dann doch geschlagen und ließ sich auf seinen Holzhocker fallen. Innerlich kostete ich bereits den Triumph aus und feierte meine Position, die es ihm schon fast unmöglich machte sich gegen mich zu stellen. Der Sieg in dieser Diskussion gebührte schon von Anfang an mir, denn ich bin der Herrscher über dieses Land und somit auch über ihn. "Na schön.. Konservieren wir ihn und warten auf ihre Ankunft. Vergiss aber nicht ihre komische Bezahlung.", er schielte genervt zu mir hoch, mit einem Blick der mir deutlich machte, dass er sich daran nicht beteiligen wird. Unbekümmert wank ich nur ab, im Hinterkopf genau wissend wie ich sie entlohnen konnte. "Mach dir darum keine Sorgen Kyle. Kümmere dich lieber darum, dass die Leiche nicht taut.", sagte ich und machte auf der Ferse kehrt. Ich verließ Kyles persönlichen Bunker und schickte einen mir bekannten Eisdrachen zu ihm, welcher den Leichnam einfrieren sollte. Wer weiß wie lange Esmey brauchen wird, um hier aufzutauchen. Diese Frau war noch nie ein Fan von Verpflichtungen oder Vernunft. Dass der Junge mir das ganze Schloss mit dem üblen Leichengeruch verpestete, sollte unter allen Umständen vermieden werden. Nicht dass nichts mehr übrig blieb, was es zu untersuchen gab für die unzuverlässigste Dame auf der ganzen Welt. Doch was sie nicht in Anstand und Pünktlichkeit aufwies, machte sie mit ihren natürlichen Instinkten wieder wett - welche fast schon übernatürlich waren. Es war keine Gabe von ihr die Schicksale anderer zu sehen, doch sie spürte was mit jemanden geschah - durch was er verletzt wurde, und durch was er starb oder sterben wird. Manchmal waren ihre Aussagen vage oder ergaben keinen Sinn, doch es war immer noch besser als zur Erfindung der ersten brauchbaren Testgeräte zu warten.

Dragon's DancerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt