Kapitel 9 - Lia (ü)

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„Darf ich jetzt wieder runter?" frage ich etwas verlegen, denn die Arbeitsplatte lässt mich wirklich klein erscheinen.

Jay mustert mich mit seinen unglaublichen Augen, dann nickt er. Ehe ich mich versehe, hat er seine Hände wieder an meine Taille gelegt und hebt mich mit seinen kräftigen Armen mühelos runter. Sobald er mich auf den Boden setzt, wünschte ich, er würde mich noch eine Weile so halten, doch ich weiss, dass das zu viel verlangt ist.

Trotzdem bleiben wir grenzwertig nahe aneinander stehen, und ich muss meinen Kopf ziemlich heben, um ihm in die Augen zu schauen.

Starren, Lia, du starrst.

Schnell drehe ich den Kopf weg, doch Jay ist mein Blick natürlich nicht entgangen, doch zu meiner Überraschung wird er nicht rot, sondern trägt ein selbstgefälliges Grinsen auf den Lippen.

„Idiot" murmle ich und boxe ihn gegen seine Brust, doch natürlich bewegt er sich keinen Millimeter – er könnte mich einfach so wegschieben, wenn er wollte.

Stattdessen grinst er mich hier noch breiter an als vorhin, und langsam breitet sich auch auf meinen Lippen ein Lächeln aus.

Plötzlich höre ich etwas blubbern, und prompt fällt mir das Essen wieder ein.

„Scheisse, Jay, das Essen!" fluche ich und quetsche mich an ihm vorbei an den Herd.

Das Wasser mit den Spaghetti drinnen kocht fast über, und schnell hebe ich den Topf etwas an. Dabei schwappt mir jedoch etwas Wasser auf die Hand, und vor Schreck quietsche ich auf. Sofort ist Jay bei mir, schaltet den Herd aus und übernimmt den Topf.

Das Wasser war verdammt heiss, und meine Hand ist jetzt knallrot.

„Scheisse, scheisse, scheisse" fluche ich zwischen zusammengebissenen Zähnen, während ich versuche, die Tränen wegzublinzeln, und den bedrohlichen Kloß in meinem Hals würde ich auch gerne einfach runterschlucken können.

„Gib mal her" sagt Jay, und nimmt vorsichtig die verbrannte Hand. Ein undeutliches Zischgeräusch verlässt seinen Mund, doch ich schaue ihn nicht an, da ich sonst sofort in Tränen ausbrechen würde.

„Du darfst weinen" sagt Jay, als könne er meine Gedanken lesen. Ich schüttle störrisch den Kopf.

„Geht schon" murmle ich, doch verdammt, es geht nicht.

Jay dreht das Wasser wieder voll auf und zieht meine Hand drunter, bis es etwas bessergeht. Nach ein paar Minuten lässt er meine Hand los und kramt in der Verbandsbox, bis er findet, wonach er sucht.

Mit einem zufriedenen „ha" hält er mir eine kühlende Creme vors Gesicht, und ich könnte heulen vor Glück.

„Ich mach's. Dafür müsstest du dich aber nochmal ganz brav hierhin setzen" meint Jay mit hochgezogenen Augenbrauen, und klopft auf die Arbeitsplatte, die ich eben erst verlassen habe.

Ich gebe mich geschlagen und lasse mich von Jay hochheben, der schon wieder so blöd grinst, doch irgendwas in mir will, dass er damit gar nicht aufhört.

Vorsichtig nimmt er meine Hand und verstreicht er die Creme auf alle roten Stellen, und ich wundere mich, weshalb er nicht gleich mein ganzes Gesicht miteinschmiert – ich würde als überreife Tomate von jedem Supermarkt sofort angenommen werden.

„So, fertig".

Mit einem zufriedenen Gesicht lässt er meine Hand wieder los, und ich lächle dankbar.

„Was wird jetzt mit dem Essen?"

Mein Magen meldet sich wieder, diesmal eindeutig lauter und fordernder. Jay zieht wieder mal seine Augenbrauen hoch, und ich sehe, wie sehr er versucht, sein Grinsen zurückzuhalten.

And suddenly, you returnedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt