Zerrissen

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In den vergangenen Monaten hatte sich sein Leben rapide geändert von Krieg hin zu dem jetzigen scheinbaren Frieden. Es waren aber gerade diese Veränderungen, die in Harry Potter, ein Unbehagen auslösten, was weit größer war, als all die Furcht und Sorge während der langen Jahre im Schatten von Voldemort. In dieser Zeit hatte Harry nie die Befürchtungen, die nun drauf und dran waren mehr und mehr zu Gewissheit zu werden.

Die frischen Temperaturen, der noch frühen Nacht, machten seinen Atem sichtbar. Alleine stand Harry auf dem Astronomieturm und sah gedankenverloren in die Ferne. Im Osten waren die ersten Sterne ersichtlich, doch für den Anblick fehlte ihm jegliche Muse. Nachdem Voldemort besiegt war, die Trauerphase um die etlichen Tote vorüber, hatten Harry, Hermione und Ron sich dazu entschlossen ihr siebtes und letztes Schuljahr in Hogwarts nachzuholen, sei es nur, um wieder in der Normalität anzukommen.

Zuerst schien es, als ob tatsächlich der Krieg so einfach zu vergessen war, teilweise hatte Harry sich wie in seinem sechsten Schuljahr gefühlt, als er endlich mit Ginny zusammen gekommen war. Aber schon da ahnte er, dass nicht alles vergessen werden konnte, die Geschehnisse während des zweiten magischen Krieges sie alle mehr oder weniger verändert hatte. Nur wusste er damals noch nicht wie sehr, was für Auswirkungen diese auf die Beziehungen zu seinen besten Freunden hatte.

Spätestens die Reaktion von Ron auf die Ernennung von Harry zum Schulsprecher hätte ihm aufzeigen müssen, dass nichts mehr so sein würde wie es einst war. Die Monate ohne Ron hatten Hermione und Harry enger, als je zuvor, kommen lassen, etwas das immer mehr zu einem Problem wurde. Beide, Harry und Hermione, wussten die Gründe, warum Ron sie im Stich gelassen hatte, während der Jagd nach den Horkruxe, umso mehr begannen sie Rücksicht auf ihn zu nehmen.

Sie mieden es Ron irgendeinen Anlass zur Eifersucht zu bieten. Er im Gegenzug beanspruchte immer mehr Hermiones Zeit. Ron war schließlich mit Hermione zusammen, also verstand Harry, dass sie mehr Zeit alleine verbrachten, bis ihm bewusst wurde, dass es kaum einen Augenblick mehr gab in der er mit Hermione alleine war. Nur die gemeinsamen Schulsprecherpflichten, die wenigen Minuten im kleinen Gemeinschaftsraum blieben ihnen, aber selbst dies war genug um Ron zu stören. Harry konnte es ihm im Gesicht ablesen, jedes Mal wenn das Thema aufkam, dass er eifersüchtig war und am liebsten Harry und Hermione keine Sekunde alleine lassen wollte.

Gleichzeitig versuchte Harry mit Ginny wieder eine Beziehung aufzubauen, es war bemerkenswert einfach in das alte Muster zu fallen. Es erlaubte ihn teilweise seinen Ärger über die Beziehung zwischen Ron und Hermione und was sie für deren Freundschaft bedeutete zu vergessen. Doch schon bald erschienen auch dort die ersten Wolken am rosa roten Himmel. Ihm fiel es entsetzlich schwer Ginny, als ihm ebenbürtig zu betrachten, während sie kein Verständnis für seine Ängste fand. Hermione und auch Ron würden schließlich weiterhin Teil seines Lebens bleiben, nur dass sich die Dynamik veränderte.

„Was willst du eigentlich, dass alles so bleibt? Harry, sie werden genauso wie du eines Tages ihre eigene Familie haben und die wird natürlich wichtiger sein." Konnte er immer noch Ginny sagen hören.

Sie verstand schlicht und ergreifend nicht, dass Harry sich teilweise schuldig fühlte, allein weil er mit Hermione so eng befreundet war, es deshalb mehr als ein Mal zu Spannung zwischen allen dreien gekommen war, dann zornig, dass Ron sich so verhielt. Ginny war immer die Prinzessin für die Weasleys, wie sollte sie begreifen, wie es ist sich ungeliebt, unnütz zu fühlen?

Das Schuljahr neigte sich immer mehr dem Ende entgegen und Harrys Ängste wuchsen. Er konnte es sich gedanklich ausmalen, wie es erst sein würde. Sollten Hermione und er nicht im Ministerium arbeiten, dann würden sie sich höchstens bei den Weasleys mal treffen. Am Ende würde von der einst engen Freundschaft nichts weiter bleiben, als gestohlene Momente zwischen zwei Menschen, die so viel Verständnis für alle andere aufgebracht hatten, aber sich im Prozess völlig verloren hätten.

Harrys Griff am Geländer wurde fester, das weiß seiner Knöchel in der Hand waren nun zu sehen. Nie hätte er gedacht, dass er die Tatsache, dass Hermione und Ron ein Paar waren, so hassen konnte, wie er es nun tat. Jetzt schon vermisste er sie, er wollte es sich nicht vorstellen wie es in einigen Monaten sein würde.

„Hier bist du, Harry, ich hab dich schon gesucht.", drang Hermiones Stimme zu ihm und er drehte sich zu ihr.

Sie stand am Treppenabsatz in einem roten schulterfreien Cocktailkleid und sah ihn besorgt an.

„Alles in Ordnung?" Es klang fast schon rhetorisch.

Harry grinste sie schief an und es reichte ihr offenbar als Antwort, sie wusste ebenso gut wie er selbst, was ihn beschäftigte.

„Du siehst hübsch aus.", fand er seine Stimme wieder.

„Danke", sie lächelte geschmeichelt, doch dann verfinsterte sich ihre Miene, „Wir sollten wirklich los. Ron wird sich bestimmt fragen, wo wir so lange bleiben?"

Hermione wandte sich schon zum Gehen um.

„Wieso tun wir das?", presste Harry plötzlich hervor und griff nach ihrer Hand, stoppte sie.

Unendlich lange starrte Hermione ihn intensiv an, als ob sie ihm mit den Augen all das sagen wollte, wozu ihr Mund nicht in der Lage war. Die stille Kommunikation war zu deren Heiligtum geworden.

„Harry", seufzte sie und senkte den Kopf.

„Schon gut, du hast recht, wir sollten wirklich los. Es ist schließlich Rons Geburtstagsfeier." Gab Harry nach, es war so bereits schwer genug.

Dankbar drückte sie seine Hand. Gemeinsam verließen sie daraufhin den Turm und gingen zum Gryffindor Gemeinschaftsraum, schon bevor sie überhaupt am Gemälde angelangt waren, konnte man die Musik gedämpft hören. Die Party war voll im Gange. Im Raum selbst konnte man kaum sein eigenes Wort verstehen, doch Harry grinste nur.

Vielleicht brauchte er diese Ablenkung auch. Es tat ihnen möglicherweise allen gut. Kaum hatten sie den Eingang passiert, sah er Ron in der Masse der Mitschüler, der mit einem breiten Lächeln auf sie zu kam.

„Hermione, du kommst gerade rechtzeitig.", sprach er gleich drauf los, als er sie erreicht hatte und nahm ihre freie Hand, drehte sich um und führte sie von Harry weg.

Verwundert sah sie noch zu ihm zurück, bevor er spürte, wie ihre Hand aus Harrys glitt. Erst in der Mitte des Raums stoppte Ron, nahm seinen Zauberstab zu Hilfe, um mit lautem Krachen die Aufmerksamkeit aller im Raum zu bekommen. Die Musik wurde ausgedreht, es breitete sich Stille im Raum aus.

„Gut, nun da ich eure Aufmerksamkeit habe, möchte ich euch einem ganz besonderen Menschen vorstellen, einige werden sie schon kennen.", Gelächter war zu hören. „Hermione Granger und hoffentlich bald Weasley."

Ein Raunen ging durch den Raum, während Harry versteinert von Ron zu Hermione sah, die genauso überrascht wirkte wie er selbst. Ron hatte in seiner linken Hand eine Ringschachtel, die er öffnet.

„Hermione, willst du meine Frau werden?", fragte er schließlich.

Geschockt starrte Harry Ron an. Es dauerte mindestens einige Minuten, bevor ihm auffiel, dass Hermione nicht geantwortet hatte, Ron entgeistert anstarrte. Mehrmals öffnete sich ihr Mund, doch kein Ton kam ihr über die Lippen. Mittlerweile war es völlig still im Raum geworden, keine wagte etwas zu sagen.

„I-ch, ich kann das nicht." Erst kaum hörbar, dann immer deutlicher war Hermione zu hören, wie sie immer wieder dieselbe Phrase sagte.

„Es tut mir leid, aber ich kann das nicht.", wiederholte sie und sah zu Harrys Verwunderung ihn an, als ob sie sich bei ihm rechtfertigen müsste.

Entsetzen, Unglauben war von Rons Gesicht ablesbar, während er die Hand von Hermione abrupt los ließ. Stetig wuchs das entgeisterte Geflüster. Hermione hingegen wich von Ron und flüchtete. Harry hörte nur noch, wie das Gemälde zu schlug und sah Ginny, die ihren Bruder tröstend umarmte.

Ohne weiter zu bleiben, machte Harry sich auf die Suche nach Hermione. Ron hatte genug Menschen, die ihn bedauerten, er brauchte ihn nicht auch noch. Eine überraschende Erleichterung machte sich in Harry trotz allem breit.

Im Namen der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt