Nach einem Rundgang durch die Versand- und Lagerhalle und einem Einblick in die Unterkünfte des Personals, das kannten wir ja alles schon, kamen wir endlich in die Etage darüber.
Container mit Rohware stand an Container mit Rohware und wartete darauf weiterverarbeitet zu werden: Mehl, Eier, Milch, Hefe, Farbstoffe, Zucker, Wasser, Aromen. War das Produkt in die Form weiterverarbeitet, in der es benötigt wurde, wurde es direkt aus der entsprechenden Maschine heraus über ein Rohrsystem in die Etage darüber gesaugt.
Melania und Tanja sowie auch Marlon stellten viele Fragen und machten durch ihr Interesse einen guten Eindruck bei der Zuckerfee. Ich hielt mich zurück. Irgendwie konnte ich sie nicht leiden, schließlich klebte sie während des Rundganges an Marcus Seite wie die Zuckerglasur auf einem Liebesapfel.
Mit dem Fahrstuhl ging es in Etage Nummer drei. Von einem etwas erhöhten Standpunkt aus, konnten wir auf ein Container-Meer blicken. Dicke, wurzelartige Stränge hingen von der Decke hinab in die Container hinein. Bis auf den einen Lumpa-Umpa hatten wir bisher noch keine weiteren Mitarbeiter gesehen. Einige Rohre leiteten die flüssigen Containerinhalte in Etage Nummer vier.
Ich hoffte, dass es hier wenigstens mal etwas Interessantes zu sehen gab.
Als sich die Türen des gläsernen Fahrstuhls öffneten, traten wir auf einen kunterbunten Flur. Auf die Tapete waren unzählige verschiedene Süßigkeiten aufgedruckt. Der Teppich hatte die Konsistenz von Zuckerwatte. Durch eine Schiebetür traten wir in das wirkliche Candy-Land ein.
„Wow! Ich bin im Paradies!", jubelte Melania, was ein zuckersüßes Grinsen der Zuckerfee zur Folge hatte.
„Habt ihr bei Charlie und die Schokoladenfabrik geklaut?", äußerte Tanja skeptisch. Sie konnte nicht glauben, was sie sah.
„Ich glaube, wenn wir mit diesem Fall fertig sind, muss ich auf Diät!", jammerte Marlon, dem schon das Wasser im Mund zusammenlief, genauso wie mir.
Lolli-Bäume, Puderzucker-Schneeschauer, Schokoladen-Wasserfall, Limonaden-Seen, Cupcake-Seerosen, Zuckerwatte-Wolken, Gebäck-Blumen der verschiedensten Art...
„Wollt ihr den großen Rundgang machen? Der ist 10 Kilometer lang. Wir können zwischendrin auch mal abkürzen, dann sind es nur 3 Kilometer", flötete die Zuckerfee. Offensichtlich war sie mit unseren Reaktionen zufrieden.
Um nicht allzu sehr in Versuchung zu geraten und zu viel zu naschen, entschieden wir uns für den kurzen Rundgang.
Auf einem mit Marshmallows gepflasterten Weg lief es sich weich wie auf Wolken. Hier waren auch einige Mitarbeiter zu finden, die Dinge ernteten und auf Förderbänder aus Kaugummi legten, damit sie ins Versandzentrum gebracht werden konnten.
An einem tannenbaumartigen Gewächs aus was auch immer hangen dicke Tannenzapfen, zu denen die Zuckerfee meinte: „Die Zapfen könnt ihr auch essen. Außen Choco-Crispies, innen Erdnussbuttercreme."
Marlon langte zu. Ich sah beinahe schon den Geifer aus seinem Mund laufen, als er in den Zapfen biss. Kurze Zeit später landete der Inhalt seines Mundes auf dem schönen weißen Marshmallow-Weg. „Ekelhaft!"
Die Zuckerfee sah ihn mit Zornglut in den Augen an: „Was ist hier ekelhaft? Du nennst unsere Produkte doch wohl nicht ekelhaft?! Du Frevler!" Sie rupfte eine Zuckerstange in der Größe eines Knüppels aus einem Zaun und wollte Marlon damit schlagen, doch Marcus gebat ihr Einhalt.
„Lass das. Vielleicht hat er recht." Marcus rupfte sich auch einen der Tannenzapfen ab und biss – vorsichtig – hinein. "Er hat Recht. Das ist ekelhaft. Schmeckt nur nach Erdnuss, sonst nach nichts."
„Marcus!", rief ich ihn an. Er warf mir einen der Tannenzapfen zu, ich schallschraubte ihn. „Kein Zucker!"
„Was will die blöde Kuh denn?! Kein Zucker! Das kann doch wohl nicht wahr sein!" Jetzt wollte die Zuckerfee auf mich losgehen. Marcus nahm ihr die Zuckerstange weg und funkelte sie an.
„Wehe! Wenn die Doctoress sagt, dass da kein Zucker drin ist, dann ist da keiner drin", verteidigte er mich.
„Wir haben das Phänomen schon ein paar mal beobachtet, nicht nur hier", ergänzte Melania.
Die Zuckerfee wurde etwas ruhiger und brach von einer Sekunde auf die andere in Tränen aus: „Jetzt kennt ihr unser Problem und es ist schlimmer, als ich dachte. Wir werden erpresst. Sie nennen sich Kariuss und Backtus. Wenn ich nicht meine Produktion drossele, wollen sie das Geheimnis von Candy-Land an alle existierenden Lebewesen verraten. Vor allem unsere Geheim-Rezepte für den unvergleichlichen Geschmack. Ich habe mich nicht erpressen lassen wollen. Sie sagten, ich würde das noch büßen und jetzt ist es wohl soweit."
„Das sehe ich auch so. Kariuss und Backtus, echt geil! Ich vermute, das sie den Zucker aus allen produzierten Lebensmitteln ziehen und das komplett durch Raum und Zeit. Vielleicht wollen sie das Zuckermonopol?", mutmaßte ich. „Wir müssen etwas dagegen tun."
Die Zuckerfee fiel mir fast um den Hals, konnte sich aber gerade noch davon zurückhalten. „Ihr werdet mir helfen?", schniefte sie.
„Das werden wir" antworteten wir alle fünf gleichzeitig.
Ein Lumpa-Umpa trat zu uns heran und trippelte von einem Bein aufs andere.
„Was ist?", fragte die Zuckerfee.
„Schlechte Neuigkeiten", sagte der kleine Mann mit einer Stimme, die klang, als hätte er an einem Helium-Ballon genuckelt.
„Gut. Wir werden die Führung hier abbrechen und uns wieder ins Büro begeben" beschloss die Zuckerfee. Also begaben wir uns wieder in den Fahrstuhl.
Während der kurzen Fahrt erklärte sie uns, dass in Etage 5 die Versuchsküche zu finden war, in Etage 6 der Vertrieb und in Etage 7 das Marketing und die Finanzverwaltung und dann machten wir es uns in ihrem Konferenzraum gemütlich.
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The Doctoress - Torten-Trauma (7)
FanfictionUrheberrechtlich geschützt! Copyright by rivka76 "Mit Zucker lacht das Leben!" Dieser Werbesatz der Lebensmittelindustrie scheint mehr als nur ein Körnchen Wahrheit zu beinhalten. Das muss die Doctoress in ihrem neuen Abenteuer lernen. Und nicht nur...