Kapitel 17 -Torten-Trauma

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Während sich die Tardis auf die Reise begab, warfen wir einen Blick in die Arrest-Zelle, in die wir unsere Kompagnons gesperrt hatten. Sie lagen entkräftet auf dem Boden und sabberten vor sich hin. Ein verstörender Anblick.

Als wir die Tür der Tardis öffneten, stellten wir fest, dass wir mitten in Candy-Land gelandet waren. In der Torten-Abteilung. Alles roch so verführerisch nach frisch und süß.

Wir hatten noch nicht einen Schritt nach draußen gemacht, als auch Marcus und mir der Geifer aus den Mundwinkeln lief.

„Ich fürchte, die Wirkung der Zuckerstückchen lässt langsam nach", sagte er.

„Das glaube ich auch", sabberte ich. „Wir sollten die anderen drei rauslassen, solange wir noch Herr unserer Sinne sind. Würdest du die Tür aufhalten? Ich befürchte, dass sie es eilig haben werden."

Marcus nickte zustimmend.

Ich hatte die Tür der Arrest-Zelle gerade einen kleinen Spalt weit geöffnet, als sich die drei wie an Marionettenfäden gezogen aufrichteten. Ihre Blicke waren glasig, abwesend und dennoch schienen ihre Nasen den süßen Duft wahrzunehmen, der bis hierhin herein strömte. Ich öffnete die Tür gänzlich und hatte weder Marlon noch Tanja und Melania je so schnell rennen sehen. Gemäßigten Schrittes folgte ich ihnen.

Was ich dann sah, amüsierte mich, bis es mit mir selber durch ging. Die Zuckerlust überkam mich mit einer nie gekannten Wucht und ich schmiss mich, wie alle anderen auch, mitsamt Kleidung in einen Berg voller Torten und schob mir alles in den Mund, was nicht niet- und nagelfest war. Die Zuckerfee war mittlerweile auch zugegen, naschte selber nichts, klopfte aber allen Süchtigen liebevoll auf die Schultern mit dem Spruch: „Ja, iss nur. Du hast es dir verdient."

In der ersten Phase schlangen wir wahllos mächtige Mengen herunter. In der zweiten Phase suchten wir uns besondere Stücke aus und wälzten uns in Buttercreme und Sahne. In der dritten Phase drohten unsere Mägen zu platzen und der eine oder die andere soll sich hingebungsvoll in einen von der Zuckerfee bereitgehaltenen Mülleimer übergeben haben. In der vierten Phase trugen uns die Lumpa-Umpas fort und spritzten uns mit kaltem Wasser ab. Wir jammerten vor Bauchweh und der Kälte des Wassers. In der fünften Phase schliefen wir unseren Zuckerrausch aus, der uns, ähnlich eines Katers, üble Kopfschmerzen bescherte.

Nach Abschluss der fünften Phase fühlten wir uns bereit ein Abschlussgespräch mit der Zuckerfee zu führen.

Wir fanden uns in ihrem Büro ein.

„So, liebe Zuckerfee. Offensichtlich hast du alles wieder ins Lot bringen können?", bemühte ich mich um Information.

„So ist es. Es gibt keine Zuckersauger mehr in meinen Filtern. Dr. Bäst leistet ganz hervorragende Arbeit. Er hat jetzt Pause und ruht sich aus. Die Sprechstundenhilfe von Dr. Parodon-Tod hat sich auch schon bei meiner Schwester gemeldet. Meine Schwester lässt ausrichten, dass die Zähne behandelt und in die Calcium-Minen verfrachtet worden sind. Läuft, würde ich sagen."

Ich nickte anerkennend. „Gut. Wir werden dann noch überprüfen, ob die Wirkung des Zuckersaugers in Zeit und Raum noch vorhält, und dann sehen wir zu, dass wir nach Hause kommen." Gesagt, getan. Wir klapperten unsere vorherigen drei Reiseorte erneut in umgekehrter Reihenfolge ab, nur um festzustellen, dass alles so war, wie es ein sollte. Tanja trat die Mission Berlin an. So konnte sie den Geist der von ihr so geliebten Zeitperiode noch einmal spüren. Sie organisierte einen Zuckerhut aus der Bar, der den sensorischen und chemischen Test mit Bravour bestand.

Melania konnte noch einmal den Ball besuchen, ein paar Worte mit ihrem Ahnen wechseln und stibitzte ein paar Cremetörtchen, die so süß waren wie eh und je.

Marlon hatten wir in Versailles zur Tür heraus geschickt. Er zog es vor das Gebäck vor Ort zu verkosten und zu testen. Da ich wusste, dass er diskret war und mit dem Schallschrauber umzugehen wusste, hatte ich ihm selbigen mitgegeben. Marlon schlug die Tür der Tardis von innen zu. Und lächelte: „Auftrag erledigt. Das Gebäck schmeckt wieder zuckersüß."

„Dann mal los in den wohlverdienten Feierabend, würde ich sagen", schlug Marcus vor und erntete zustimmendes Gemurmel, denn wir alle waren viel zu K.O. für extatisches Gekreische und Luftsprünge.

Dank des tollen Parkplatzes, den wir für die Tardis geschaffen hatten, landete sie wie vorgesehen im Flur meiner Wohnung. Tanja öffnete die Tür, Melania folgte ihr auf dem Fuß und ich konnte es nicht lassen sie zu ermahnen: „Also, was sagt ihr, wenn ihr gefragt werdet, was wir so gemacht haben in dieser langen Nacht?"

Melania war gereizt: „Kannst du es nicht mal langsam lassen? Du hast uns in den letzten sechzig Sekunden diese Frage gefühlt eine Million Mal gestellt. Es nervt langsam. Wir wissen schon, was wir anderen sagen und was nicht."

„Diese Geschichte glaubt uns doch sowieso keiner. Wenn ich das meinem Randy erzähle, lässt der mich einweisen", fügte Tanja rotzig hinzu.

„Sorry, dass ich eben so harsch war. War nicht so gemeint", entschuldigte sich Melania und blickte mich reumütig an.

„Ach, Mädels. Ich hab euch lieb." Ich umarmte beide gleichzeitig. Ich wusste schon, was ich an ihnen hatte. Sie waren treue Seelen und jedes Milligramm Freundschaft wert.

„Nicht, dass das ausartet hier", grinste Tanja und löste sich aus der Umarmung. Ihr Blick fiel auf Marcus. „Darf man dich auch drücken oder...?"

Marcus nahm die beiden auch in den Arm. „Dürft ihr, jederzeit. Diese eine Person dort hinten, die behandelt mich nämlich ziemlich stiefmütterlich, wenn es um freundschaftliche Umarmungen geht." Er konnte es doch nicht lassen, mich wieder aufzuziehen. Mein Blick fiel auf die Tür. Am unteren Spalt zeigte sich ein dunkler Schatten und sogleich klingelte es. Ich öffnete, dort stand meine Mutter mit einem riesigen Torten-Butler in der Hand.

„Mutti, was willst du denn hier mitten in der Nacht?", fragte ich sie.

„Mitten in der Nacht? Es ist zehn Uhr morgens und ich wollte euch nur eine Torte vorbei bringen, die ist gestern übrig geblieben. Es ist die Satan-Spezial Schoko-Erdbeer." Ihr Blick fiel auf die gesamte Mannschaft. Bei dem Wort „Torte" verzogen sich alle Gesichter. So manches Gesicht lief grün an und Würgegeräusche kamen aus diversen Kehlen. Kein Wunder, litten wir doch nach dem übermäßigen Konsum von Torte im Candy-Land an einem regelrechten Trauma. Melania zückte schnell ihr Handy, genauso wie Tanja. „Mist. 20 Anrufe von Randy in Abwesenheit, dutzende SMS und Whatsapp-Nachrichten. Sorry Leute, ich muss gehen. Falls er fragt, ich habe hier geschlafen."

„Schenkenberg hat mir eine Nachricht geschrieben...", flüsterte Melania Tanja zu und beide rauschten ab.

„Ich geh dann auch. War eine lange Nacht...schicht. Bis demnächst", verabschiedete Marlon sich. Und schon waren wir nur noch zu dritt. Meine Mutter blickte den dreien ungläubig hinterher. „Wer waren denn die alle?"

„Freunde, wir waren heute Nacht lange aus. Sie haben hier gepennt und sehnen sich jetzt nach ihrem Zuhause", erklärte ich.

„Ach so." Meine Mutter sah uns beide an. „Dann wollt ihr bestimmt auch schlafen oder? Ihr seht auch ganz schön fertig aus." Ich zuckte mit den Schultern: „Eine Nase voll Schlaf wäre schon schön, aber ich will dich auch nicht rausschmeißen", antwortete ich ihr.

„Papperlapapp. Ich bin unangekündigt gekommen und lasse euch erst mal schlafen. Rufst du mich vielleicht morgen mal an?", bat meine Mutter.

„Selbstverständlich. Ich hab dich lieb, Mama." Ich drückte ihr einen Schmatzer auf die Wange, Marcus tat es mir gleich. Sie drückte ihm dafür den Torten-Butler in die Hand und ging dann.

Marcus und ich sahen uns an, aber ich wusste nicht, was er von mir wollte. „Was?", fragte ich ein wenig genervt.

Er hob den Deckel des Torten-Butlers ab und präsentierte mir das riesige Kuchengebilde am ausgestreckten Arm. „Noch Torte?" „Ich nicht, aber du." Ehe er sich versah, drückte ich ihm die Torte teuflisch grinsend ins Gesicht. Unter der Sahnemaske kam das Grinsen eines zweiten Höllenfürsten zu Tage, als er sich auf mich stürzte.

Ich warf ihm einen warnenden Blick zu: „Marcus! Nein!" Dann trat ich einen Schritt zurück. Verdammt, die Wand!  Sein Grinsen wurde nur noch breiter, als er mich festhielt und die cremigen Reste auch auf mir verteilte. Nie wieder Torte!

The Doctoress - Torten-Trauma (7)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt