Kapitel 14 - Zahnbusters

18 6 8
                                    

Platt wie eine Flunder lag die Zuckerfee Kopf nach unten, Gesicht zum Bodenbelag, auf der Treppe. Wir vernahmen kein Geräusch. Kein Atmen. Noch nicht einmal das Heben und Senken der Brust war zu sehen. Nach einem kurzen Blick, wusste ich, das Marcus genau dasselbe dachte wie ich: Sie sei tot.

Ich bückte mich um sie umzudrehen. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet und anstatt der normalen Ansicht zeichnete sich auf ihrer Iris jeweils ein Bonbon ab. Ihre Zunge hing heraus. Sie wirkte wie ein Chibi aus einem Manga. Ich tätschelte ihre Wange – keine Reaktion. Ich kontrollierte ihren Atem – nichts zu merken. Ich schob meine Hand an ihre Halsschlagader – kein Puls.

„Lass mich es noch einmal versuchen", bat Marcus. Er griff ihre Hand und befahl: „Küss mich!"

„Aber gerne doch mein Süßer!" Wie als wäre nichts gewesen kam die Zuckerfee hoch in eine sitzende Position und spitzte die Lippen – wie widerwärtig! Ich schnaubte verächtlich.

„Ich wusste es!" Marcus zog sich von ihr zurück, so dass ihr angepeiltes Ziel außer Reichweite war. „Du glaubst doch wohl nicht, dass es mit uns was wird?!"

„Och, warum denn eigentlich nicht? Die Dicke da ist nichts für dich." Sie sah mich verächtlich an. Ich war zu schockiert, als das ich irgendetwas hätte sagen oder tun können.

„Die Dicke da ist meine Auserwählte. Und sie ist diejenige, die dir den Ruin erspart, weil sie dir hilft. Ohne sie lägest du noch im Streit mit deiner Schwester und ohne sie hättest du mich auch nicht wiedergesehen." Marcus hatte langsam und mit Nachdruck gesprochen. Er war sehr zornig und wirkte dabei unwahrscheinlich attrak... Lassen wir das.

„Was zum Teufel macht ihr da?!" Die Zahnfee stand im sich öffnenden Mund und starrte uns an. „Warum ist Marcus so sauer?"

Die Zuckerfee wurde rot.

„Wolltest du ihn schon wieder für dich alleine?", hakte die Zahnfee nach. Niemand antwortete. „Also, ja. Doctoress, es tut mir leid. Dasselbe hat sie mit mir gemacht. Deswegen hatten wir uns jahrelang in den Haaren." Die Zahnfee schritt ein paar Stufen der Treppe hinunter. „Schluss mit den Streitigkeiten. Ich habe sie lokalisiert. Sie sind hier, hier in meiner Burg. Und ihr glaubt gar nicht, wie wütend mich das macht!"

Oh, doch! Das konnte ich sehr gut nachempfinden. Ich hakte mich bei der Zahnfee ein: „Zahnfee, auf in den Kampf!" Sie blickte mich entschieden an: „Jawohl! Machen wir sie nieder!"

Wenige Minuten und einen kleinen Fußmarsch weiter fanden wir uns wieder im Gemeinschaftsraum ein, diesmal allerdings nur zu viert: Die Zahnfee, die Zuckerfee, Marcus und ich. Dr. Bäst war verschwunden, genauso wie die ganzen Nacktschnecken.

„Also, Zahnfee. Was hast du erspürt?", fragte ich sie neugierig.

„Diese beiden faulen Zähne sind nicht weit von hier entfernt. Ich vermute sie in einer der umliegenden Tropfsteinhöhlen. Hat einer von euch Dr. Bäst gesehen? Er kennt sich dort bestens aus." Sofort klingelten alle meine Alarmglocken. Dr. Bäst kannte sich in den Tropfsteinhöhlen bestens aus, in denen sich die beiden faulen Zähne befanden und war nun verschwunden? Wen da mal nicht was faul war. Ich räusperte mich: „Dr. Bäst kennt sich in den Höhlen aus, in denen sich die beiden faulen Zähne befinden?" Jetzt fiel der Groschen auch bei den anderen.

„Dieser.... Ich könnte ihn.... Ich hatte schon immer das Gefühl, dass er auf meinen Thron scharf ist." Der Zahnfee stieg beinahe der Dampf aus den Ohren. „Folgt mir." Im Stechschritt ging sie voran zu den Werkstätten, in denen die Zähne nach der Lieferung aufbereitet wurden. Sie öffnete ein paar Metall-Schränke, in denen sich Akku-Bohrer in den verschiedensten Größen befanden. „Bedient euch. Wir werden nicht ungeschützt in den Kampf ziehen."

„Akku-Bohrer?" bemerkte Marcus ungläubig. „Ja, Akku-Bohrer. Geladen und einsatzbereit. Und glaub mal ja nicht, dass die keine Leistung haben", ging die Zahnfee auf seine Bemerkung ein und öffnete einen weiteren Schrank, in dem ein Arsenal von Bohrköpfen lag. Der Anblick erinnerte mich schrecklich an meinen letzten Zahnarztbesuch. In einem weiteren Schrank befanden sich Atemschutzmasken. „Nehmt euch davon auch eine. Faule Zähne verbreiten gesundheitsschädliche Bazillen, wenn man sie anbohrt." Ausgerüstet mit eben diesen Atemschutzmasken und Bohrern in der Größe von Harpunen stiefelten wir in die Tropfsteinhöhlen.

Diese Höhlen waren fantastisch. Die Wände leuchteten in Schattierungen von Türkis. Biolumineszenz. Die Zahnfee erklärte uns, dass der Laich der Nacktschnecken an den Wänden klebte und sie leuchten ließ. Das Felsgestein an sich war glatt, aber irgendwie porös und feucht. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Stellenweise tropfte Wasser von der Decke und bildete die Tropfsteine, Stalaktiten. Auch sie gaben das Türkis von den Wänden wieder. Der Boden war uneben und zuweilen sehr glitschig.

Platsch! Die Zuckerfee hatte sich aufs Mett gepackt und fluchte vor sich hin.

„Wozu hast du Flügel, du dummes Ding?", fuhr die Zahnfee sie an.

Auch ich rutschte aus – Chucks mochten schließlich keine Feuchtigkeit. Marcus hielt mich am Arm fest. Wir irrten in den Höhlen umher und fanden – nichts. Die Stimmung sank mit jedem weiteren Schritt den wir tiefer in die Höhlen machten. Dann standen wir an einer Kreuzung. Sechs Gänge gingen von diesem Punkt ab.

„Sollen wir uns trennen?", schlug die Zuckerfee vor und erntete böse Blicke von uns anderen. Da wir nicht wussten, was uns erwartete, wäre es töricht, sich der unbekannten Gefahr einzeln auszuliefern.

„Ist ja schon gut. Ich mache keine weiteren Vorschläge. Aber welchem der Gänge wollen wir folgen?", quasselte die Zuckerfee weiter.

„Nicht dem, aus dem wir gekommen sind", warf Marcus ein als die Zuckerfee jenen Gang inspizierte.

„Ist ja schon gut. Ich verliere halt schnell die Orientierung", entschuldigte sie sich flapsig.

Ich begutachtete den Eingang jedes Gangs, schallschraubte sie dabei ohne Ergebnis. Aus einem kam mir ein Luftzug entgegen. Und dieser brachte einen seltsamen Geruch mit sich. Dieser Geruch war irgendwie süß und ziemlich widerlich im Abgang.

„Stellt euch hier hin und holt mal tief durch die Nase Luft", bat ich die anderen. Sie taten, wie geheißen.

„Riecht ihr das auch?", fragte ich sie. Alle nickten.

„Was ist das für ein Geruch?", wollte Marcus wissen.

„Ich kenne den Geruch." Die Zahnfee schob sich in den Gang. „Es ist der Geruch fauliger Zähne. Wir nehmen diesen Gang. Seid vorsichtig."

The Doctoress - Torten-Trauma (7)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt