5 - Der?

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„Und wie lief dein Vormittag?", erkundigte sich Mia, als ich mich in der Kantine zu ihr an den Tisch setzte.

Mias Sohn Joshua und Greta waren schon in den gleichen Kindergarten gegangen und wurden diesen Somme auch noch in die gleiche Klasse eingeschult. Dadurch hatten wir uns kennengelernt und durch Mia hatten ich auch von diesem Job erfahren.
„Du siehst aber gar nicht gut aus", bemerkte sie, als ich mich seufzend auf dem Stuhl niederließ. „War es so schlimm? Also ich weiß ja, dass Herr von Hagen ein bisschen eigen ist, aber normalerweise ist er zu jungen gutaussehenden Frauen wie dir sehr charmant."

Ich lachte höhnisch. Sie hatte ja keine Ahnung.

„Es ist ein Desaster", jammerte ich und sah deprimiert auf meinen Salat. Ich hatte mir so viel von diesem Job erhofft. „Erinnerst du dich an die Geschichte von Gretas Vater?"

Mia nickte und schien schon etwas zu ahnen.

„Herr von Hagen ist Gretas Erzeuger. Er ist der Typ von damals."

Mia schlug sich die Hände vor den Mund.

„NEIN!", rief sie. „Der?"

„Ja."

Ich konnte es immer noch nicht glauben. Ausgerechnet er!

„Bist du dir sicher?"

„Absolut. Gar kein Zweifel. Er ist es."
„Oh mein Gott! Da kann doch nicht wahr sein. Hat er dich erkannt?"

„Nein. Für ihn war ich ein One Night Stand und mehr nicht."

„Verdammt, ist das scheiße. Hast du vor ihm das zu sagen?"
Das war eine gute Frage. Bis jetzt war das nie eine Option gewesen, weil ich nie gewusst hatte, wie ich ihn ausfindig machen sollte. Doch nun war die Situation eine andere. Greta fragte in letzter Zeit immer öfter nach ihrem Papa, doch ich konnte diesem Fremden doch nicht sagen, dass ich die Mutter seiner Tochter war, von der er nichts wusste. Es waren Jahre vergangen und vielleicht konnte er sich nicht einmal mehr an diese Nacht erinnern. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich tun sollte.

„Vorerst nicht. Das wäre einfach zu absurd."

Mia nickte verständnisvoll, wirkte aber auch nachdenklich.

„Du weißt, dass er verdammt viel Geld hat, oder?", flüsterte sie über den Kantinentisch. „Und als Vater ist er unterhaltspflichtig."

Ihr Gesichtsausdruck war praktisch ein Wink mit dem Zaunpfahl und sollte mir wohl sagen: Hol dir das Geld, das dir zusteht.

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. 3500 Euro waren für ihn nicht einmal ein Monatsgehalt, wahrscheinlich sogar nicht einmal die Hälfte. Er könnte uns echt aus der Patsche helfen.

Doch ich konnte ja schlecht am ersten Arbeitstag zu ihm ins Büro gehen, ihm sagen, dass er eine Tochter mit mir hatte und er doch bitte meine Mietschulden in Höhe von 3500 Euro begleichen solle. Dieser Plan würde nicht aufgehen. Da konnte ich auch gleich die Weltherrschaft anstreben und hätte dabei vermutlich bessere Chancen.

Wahrscheinlich würde er mit einer Armee von Anwälten auftauchen, die irgendwelche Gesetzeslücken finden würden damit er nicht zahlen müsste.

„Ich warte erst einmal ab", sagte ich und schob mir ein Salatblatt in den Mund.

„Verstehe ich. Und falls ihr wirklich aus der Wohnung fliegt, dann ist bei mir zuhause immer eine Couch frei. Ihr könnt vorübergehend gern bei Joshua und mir unterkommen."

„Danke! Ich wüsste gar nicht, was ich tun sollte, wenn ich dich nicht hätte."

Sie lächelte und nahm einen großen Bissen von ihrem Stück Pizza.

„Hat von Hagen eigentlich Kinder?", erkundigte ich mich, da mir in den Sinn kam, dass Greta in dem Fall gar kein Einzelkind wäre.

„Nicht dass ich wüsste. Er ist immer noch verheiratet, aber von einem Kind habe ich noch nie gehört. Greta hätte sich bestimmt über ein Geschwisterchen gefreut, oder?"

Ohja! Seit Jahren hing sie mir in den Ohren, dass sie eine Schwester oder ein Bruder haben wollte. Dass dazu aber auch ein entsprechender Mann gehörte, begriff sie nicht. Und dass Kinder extrem teuer waren schon gar nicht.

„Naja, ob sie sich mit so einem Bonzenkind verstehen würde, ist die andere Frage."

Ich versuchte immer meinem Kind das Bestmögliche zu bieten, doch meine finanziellen Mittel waren stets begrenzt gewesen. Mein Studium hatte ich mit der Schwangerschaft aufgeben müssen und als Ungelernte bekam man auch nur schlechtbezahlte Jobs. Den Traum von einer Karriere hatte ich schon längst ad acta gelegt. Mein Ziel war es nur einigermaßen über die Runden zu kommen.

My Little SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt