30 - Greta

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„Nein!", rief Marius, als er aus Gretas Zimmer kam und sah wie ich den Brief in den Händen hielt. „Lies ihn nicht!", bat er eindringlich.

Ich hielt inne.

„Bitte, Romy! Lies den Brief nicht! Heute war ein perfekter Tag. Wirklich! Vermutlich der schönste meines Lebens! Ich will nicht, dass dieser Tag durch so eine beschissene Diagnose kaputt gemacht wird. Lass mir wenigstens noch diesen einen Tag. Es macht doch keinen Unterschied, ob wir es heute oder morgen erfahren. Bitte, lass mir diesen einen perfekten Tag mit ihr!"

Flehend sah er mich an.

„Marius, ich habe das Ergebnis schon gesehen", ließ ich ihn wissen. Ich zitterte am ganzen Körper. „Sie hat es nicht! Sie ist kerngesund."

Ich ließ meinen Tränen freien Lauf.

"Sie ist gesund", sagte ich erneut und versuchte zu begreifen, dass der ganz Schrecken endlich ein Ende hatte.

Marius sackte auf dem Boden zusammen. Er ließ sich einfach auf seine Knie fallen. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Er weinte auf eine Art und Weise wie ich noch nie zu vor einen erwachsenen Menschen hatte weinen sehen.

Die Anspannung, die sich so lange aufgebaut hatte, fiel nun mit einem Mal ab.

Mein Kind war gesund.

Mein Kind würde die Chance haben ein langes, erfülltes Leben zu haben.

Ich konnte mein Glück kaum fassen und Marius schien es ganz genauso zu gehen. Er schluchzte laut. Auch wenn er im Moment elendig aussah und herzzerreißend weinte, wusste ich, dass er im Moment nicht glücklicher sein konnte. Diese Krankheit hatte seine Familie zerstört. Doch sie würde ihm nicht seine Tochter nehmen.

Ich ging zu Marius und setzte mich neben ihn auf den Boden.

„Es ist alles in Ordnung. Sie ist ein gesundes Kind!", versuchte ich ihn zu beruhigen.

"Ich bin so glücklich", brachte er verheult und nur mühsam hervor. "Ich hatte solche Angst um sie."

Er schlang seine Arme um mich. Ich spürte wie er Halt suchte.

"Es ist alles gut", sagte ich wieder. "Sie ist gesund."

Dann wanderten seine Hände zu meinen Wangen. Er sah mir tief in die Augen und küsste mich ohne jegliche Vorwarnung.

Es war nur ein kurzer flüchtiger Kuss, doch es war der schönste, den ich je bekommen hatte.

Ich dachte an den Moment von vor fast acht Jahren, als wir in dem Restaurant ineinander gerannt waren.
Wer hätte gedacht, dass wir Jahre später hier am Geburtstag unserer Tochter heulend auf dem Boden saßen? Es war verrückt.

„Das ist der beste Tag in meinem Leben", sagte Marius gerührt.

Die Chance, dass er das Gen in sich trug, war durch Gretas Ergebnis ebenfalls gesunken. Ein Risiko für ihn blieb jedoch.

Das schien ihn im Moment jedoch herzlich wenig zu interessieren.

Greta war gesund. Das war alles, was heute zählte.

Eng umschlungen lagen wir uns in den Armen. Ich fühlte mich so geborgen und beschützt. Es war Ewigkeiten her, dass ich mich so gefühlt hatte. Am liebsten würde ich hier ewig mit ihm auf den Boden sitzen und einfach nur den Moment genießen.

„Du hast Gretas Frage vorhin nicht beantwortet", flüsterte ich ihm ins Ohr.

Fragend sah er mich an.

„Sind wir ein Paar?", wiederholte ich Gretas Frage. 

Er lächelte und dieses Lächeln machte mich so glücklich.

„Ein Versuch ist es wert, oder?"

„Auf alle Fälle."
Er küsste mich. Dieses Mal leidenschaftlich und ausgiebig.

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