8 - Gold-Blau

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Greta war alles andere als ein schüchternes Kind. Dementsprechend kontaktfreudig ging sie auf Marius alias Herr von Hagen zu. Auf ihrer Stirn war ein riesiges Pflaster. Doch ich war froh gewesen, dass die Wunde offenbar direkt am Haaransatz war und somit offensichtlich keine entstellende Narbe hinterlassen würde.

„Hallo!", sagte sie freundlich und ließ sich weder von seiner imposanten Statur noch von seinem Anzug einschüchtern. „Ich bin Greta."

Er lächelte auffallend freundlich und es lief mir eiskalt ein Schauer über den Rücken, weil die Ähnlichkeit beim Lachen wirklich erschreckend war.

Das waren tatsächlich Vater und Tochter. Ich konnte das nicht so recht glauben.

Ich fühlte mich unglaublich schlecht, weil sie es nicht wussten. Früher oder später musste ich es ihnen sagen.

„Hallo, Greta. Freut mich dich kennenzulernen", hieß er sie überraschend nett willkommen.

Es fiel mir schwer die Situation anzusehen. Wenn sie nur wüssten.

„Kann ich dir die Nägel lackieren?", lautete Gretas erste Frage.

Sein Blick wanderte zu mir.

Unschuldig hob ich meine Hände nach oben.

„Ich habe nichts gesagt. Auf die Idee ist sie ganz alleine gekommen."

Er grinste.

"Ist das so?", fragte er mit breitem Lächeln meine Tochter.

"Jap, ich habe den Nagellack neulich bekommen, weil ich 1. beim Sportfest geworden bin!"

"Wow, da musst du aber richtig gut sein."

Sie zuckte mit den Schulter.

"Also darf ich deine Nägel lackieren oder nicht?"

Er schien vollkommen verzückt zu sein von ihrem Charme.

„Aber nur die Fußnägel", legte er die Bedingungen fest.

Überrascht sah ich ihn an. Ich hätte ihn für viel zu eitel eingeschätzt, um so etwas mit sich machen zu lassen. Doch offenbar konnte er wirklich gut mit Kindern.

„Sind die denn auch gewaschen?", fragte Greta skeptisch.

Er lachte und es war ein richtig herzliches Lachen. Mein Herz hielt das kaum aus.

„Heute Morgen frisch gewaschen."

„Okay, dann die Fußnägel", ließ sie sich auf den Deal ein. "Sie können sich auch eine Farbe auswählen. Entweder Glitzerblau oder Glitergold."

Greta holte aus ihrem Rucksack zwei kleine Flaschen und zeigte sie ihm.

„Was hältst du davon, wenn wir einen Fuß Gold und den anderen Blau machen?", schug er vor.

Greta nickte begeistert.

Dann wandte sich Marius an mich.
„Sie entschuldigen mich dann bitte. Ich muss einen Kosmetiktermin wahrnehmen."

Greta lachte und mein Herz schmerzte.

Ich sollte es ihm sagen. Ich hatte nicht das Recht darauf es ihnen zu verheimlichen. Greta könnte es richtig gut tun einen Vater zu haben. Aber nur weil er sich gerade bereitwillig die Nägel lackieren ließ, war er nicht automatisch auch ein guter Vater.

Ich war hin- und hergerissen.

Ich widmete mich schließlich meiner Arbeit. Nach einer Stunde sah ich kurz nach Greta, die mit Marius in seinem Büro verschwunden war. Das Bild, das sich mir bot, hätte süßer nicht sein können. Marius saß am Schreibtisch und tippte wild an seinem PC herum. Währenddessen saß Greta unterm Tisch und bearbeitete seine Zehennägel. Sie funkelten in Glitzergold und Glitzerblau.

Beide waren vollkommen in ihre Arbeit vertieft und höchstkonzentriert.

Wie der Vater so die Tochter.

Erst zur Mittagspause holte ich sie aus dem Büro.

„Können wir nicht mit Marius essen?", fragte sie und schaute zu ihm herüber.

„Ich glaube, er braucht auch mal seine Ruhe."

„Es war doch schon die ganze Zeit ruhig im Büro. Ich habe nicht einen Mucks gesagt. Nur wenn er mich etwas gefragt hat. So wie du es mir heute Morgen gesagt hast."

Marius schielte aus dem Augenwinkel zu mir rüber und lächelte.

„Greta komm. Mia wartet unten in der Kantine auf uns. Du siehst Herrn von Hagen doch nach der Pause wieder."

Sie wirkte traurig über meine Aussage, akzeptierte sie jedoch. Zum Abschied winkte sie Marius noch einmal, welcher herzlich zurückwinkte.

„Na, wie war dein erster Arbeitstag, Greta?", erkundigte sich Mia.

„Echt cool! Ich dürfte von Marius die Zehennägel lackieren und Sachen kopieren. Ich habe sogar meine Hand kopiert", kicherte sie. Dann kramte sie in ihren kleinen Rucksack und zog ein Blatt heraus. "Schau! Ich dürfte es sogar mitnehmen!"

Mia sah mich entsetzt an.

„Sie hat ihm Zehennägel lackiert?", flüsterte sie mir ungläubig zu.

Ich nickte.

„In Gold und in Blau", fügte Greta hinzu, die Mias Worte gehört hatte.

„Seine Frau wird sich wundern", raunte Mia.

Goldblaue Zehennägel waren wohl noch das geringste Problem, wenn man bedachte, was ich noch zu erzählen hatte.

Greta widmete sich derweil ihren Kartoffeln mit Quark.

Zu gerne würde ich mit Mia die skurrile Situation heute analysieren, doch durch Gretas Anwesenheit war das unmöglich.

Als wir wieder zurückkamen, war Marius verschwunden. Er hatte einen Termin außer Haus.

„Wo ist er?", fragte Greta suchend.

„Bei einem Termin."

Sie zog die Mundwinkel nach unten.

„Er hat sich gar nicht verabschiedet."
„Er kommt nachher vielleicht auch noch einmal wieder. Er muss arbeiten Schätzchen. Dafür wird er ja bezahlt."

Traurig ließ sie ihre Schultern hängen.

„Ach Süße", sagte ich und nahm sie in den Arm. „Jetzt guck nicht so. Du hast doch noch dein Malbuch und jede Menge ungehörter Hörspiele auf deiner Playlist."

„Ich wollte aber noch seine Fingernägel machen."

Ich bezweifelte, dass er das zugelassen hätte.

„Das machst du dann einfach ein anderes Mal", log ich sie an.

My Little SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt