Kapitel 12: Wonach dein Herz schreit.

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-"I am not afraid anymore, standing in the eye of the storm, ready to face this, dying to taste this sick sweet warmth."-

Eine Woche später. Ich saß im Büro und schnitt gerade ein Video. Nico saß gegenüber von mir und packte gerade seine Sachen. "Bin dann weg, Dawg. Marcella kommt nachher zum Videos schneiden und hochladen.", informierte er mich, als er aufstand. "Warum macht sie das hier?", wollte ich interessiert wissen. "Sie hat den Anbieter gewechselt und hat momentan kein Internet zuhause.", antwortete er auf dem Weg nach draußen. "Alles klar. Ciao.", rief ich ihm nach. Seitdem Marcella wieder da war, ging es mir nicht mehr wirklich gut. Johanna hatte das genau wie alle anderen bemerkt und schrieb mir seitdem jeden Tag, ob ich nicht mit ihr darüber reden wolle. Ich lehnte jedes Mal ab, wie sollte ich ihr auch erklären, dass die Frau, in die ich eigentlich verliebt war, wieder täglich um mich herum war? Außerdem wusste ich, dass sie eine Beziehung mit mir wollte und es ihr wahrscheinlich ziemlich wehgetan hätte. Gähnend kramte ich meine Kopfhörer aus meiner Jackentasche, etwas Musik konnte nicht schaden. Meine Gedanken ließen mir keine Ruhe. Ich fühlte mich unheimlich schlecht, weil ich das mit Johanna beenden musste. Lieber tat ich das, als ihr vorzuspielen, etwas zu empfinden. Wäre Marcella nicht wieder aufgetaucht oder nicht wieder jeden Tag mit uns unterwegs gewesen, hätte ich das vielleicht sogar gekonnt, aber nicht, wenn ich sie täglich sehen musste. Eine halbe Stunde nachdem Nico gegangen war, kam Marcella durch die Tür. Sie schenkte mir ein kleines Lächeln als Begrüßung und setzte sich dann an den Tisch gegenüber von meinem. Sofort fing sie an, ihre Videos zu schneiden. Ich beobachtete sie unauffällig. Sie trug das gleiche Oberteil, das sie auch bei unserem ersten Ausrutscher getragen hatte, eine schwarze Jeans und ihre Haare waren gewellt und auf eine Seite gekämmt. Der Gedanke daran, dass sie wahrscheinlich wieder nichts unter diesem Oberteil trug, ließ Erinnerungen hochkommen. Ich musste hart schlucken und versuchte sie sofort wieder zu verdrängen, weil ich es sonst nicht alleine mit ihr in einem Raum ausgehalten hätte. Eine geschlagene viertel Stunde tat ich so, als würde ich auf den Bildschirm vor mir starren, während ich ihr eigentlich dabei zusah, wie sie mit einem verwirrten Gesichtsausdruck, etwas auf der Tastatur herumtippte. "¿Qué diablos? ¡Ay dios mío, computadora estúpida! (Was zum Teufel? Oh mein Gott, dummer Computer!)", fluchte sie vor sich hin. Sie hatte anscheinend Probleme, weswegen ich die Kopfhörer von den Ohren nahm. Ich hatte sie zwar aufgesetzt, aber nur sehr leise Musik gehört, weil ich gehofft hatte, sie würde vielleicht mit mir reden. "Brauchst du Hilfe?", fragte ich vorsichtig. Zum ersten Mal, seit sie sich gesetzt hatte, sah sie mich an. Langsam fing sie an zu nicken. Ich stand auf und ging zu ihr rüber. "Das dumme Teil lässt mich das Video einfach nicht auf dem Stick speichern.", erklärte sie, als ich neben ihr stand und auf den Bildschirm sah. Ich zog meine Augenbrauen zusammen, während ich eine Lösung für ihr Problem suchte. Marcella starrte mich an, das konnte ich im Augenwinkel sehen und ich konnte es spüren. "Kein Wunder, dein Stick ist ja auch fast voll. Ich komprimier's dir dann sollte es drauf passen.", sagte ich ihr, als ich nach fünf Minuten endlich die Ursache ihres Problems gefunden hatte. Sie starrte mich weiterhin an, was mich ein wenig aus der Fassung brachte. "Ist irgendwas?", fragte ich nach einer Weile, weil sie immer noch nicht damit aufgehört hatte. Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihr, um sie anzusehen. Nicht einmal eine Sekunde, nachdem ich ihr mein Gesicht zugewendet hatte, presste sie ihre Lippen auf die meinen. Natürlich erwiderte ich den Kuss, der mich zwar etwas überrumpelte, aber mein Herz trotzdem zum schneller schlagen brachte. Unsere Lippen bewegten sich synchron, als sie ihre Arme um meinen Hals legte und mich somit näher zu ihr zog. In meiner rechten Hand hielt ich immer noch die Maus des Computers, während ich meine linke zögernd an ihre Wange legte.

Marcella

Der Monat, in dem ich weg gewesen war, hatte mir gut getan. Ich hatte viel nachgedacht und viel mit meiner Großmutter über Sascha gesprochen. Das Verhältnis zu meinen Eltern war nicht gerade das allerbeste, aber dafür hatte ich ja Oma. Sie wusste immer genau, wie sie mir helfen konnte. "A veces tenemos que tomar riesgos. No lo sabrás a menos que lo intentes y te estás lastimando, nena. Si te gusta, dale una oportunidad. (Manchmal müssen wir eben Risiken eingehen. Du wirst es nur wissen, wenn du es ausprobierst und du tust dir damit selbst weh, Schatz. Wenn du ihn magst, dann gib ihm eine Chance.)", hatte sie an meinem letzten Abend in San Juan gesagt. "Pero abuela no quiero que me lastimen de nuevo. (Aber Oma, ich will nicht wieder verletzt werden.)", war meine Antwort darauf gewesen. "Lo sé, mija, pero sólo estamos vivos si nos magullamos. (Das weiß ich, mein Schatz, aber wir leben nur, wenn wir verletzt werden.)", hatte sie darauf gesagt. Dieses Gespräch hatte mir ein wenig die Augen geöffnet. Ich hatte mir also vorgenommen, Sascha eine Chance zu geben - oder besser gesagt, mich auf etwas einzulassen. Meine Gefühle hatten sich absolut nicht geändert, auch wenn ich ihn nicht gesehen hatte. Eigentlich wollte ich erst mit ihm reden, aber als er da so nah neben mir stand, konnte ich nicht anders. Zum einen wusste ich nicht, wie ich dieses Gespräch beginnen sollte, und zum anderen war ich nicht sicher, ob ich nicht doch wieder den Schwanz würde. Sehr zu meiner Überraschung erwiderte er meinen Kuss - gut, wirklich überrascht war ich nicht, aber ich hatte damit gerechnet, dass er mich abblockt, weil ich dachte, er hätte nun eine Freundin. Fuck, die Freundin! Sofort löste ich mich von ihm und wich zurück. Was hatte ich getan? War ich wirklich so tief gesunken, dass mich selbst das nicht mehr abschrecken konnte? Ohne ihm eine Erklärung zu geben, stand ich auf und ging an ihm vorbei Richtung Tür. "Marcella!", rief er mir nach, als ich auf die Glastür in den Eingangsbereich zuging. "Jetzt warte doch mal!" sagte er etwas lauter. Er lief an mir vorbei und versperrte mir den Weg zur Tür. "Tut mir Leid, ich hätte das nicht tun sollen. Deine Freundin wird mich wahrscheinlich umbringen. Gott, ich-", stammelte ich vor mich hin und wich von ihm zurück, um mich an dem Tisch hinter mir abzustützen. "Freundin? Welche Freundin?", fragte Sascha verwirrt nach. "Die Blonde, die letzte Woche mit hier war?", antwortete ich, aber es kam mehr wie eine Frage heraus. Sascha kam langsam auf mich zu. Als er direkt vor mir stand, legte er seine Hände auf meine Hüfte. "Sie ist nicht meine Freundin.", sagte er mit rauer Stimme, während er sich langsam zu mir runterbeugte. Als sich unsere Lippen berührten, legte ich meine Arme wieder um seinen Hals. Ich wollte ihn so nah bei mir haben, wie es nur möglich war. Der harmlose, sanfte Kuss verwandelte sich recht schnell in einen verlangenden. Nach nur wenigen Minuten griff Sascha unter meine Pobacken und hob mich auf den Tisch, gegen den ich mich gelehnt hatte. Wie von selbst legten sich meine Beine um seine Hüfte. Ein leises Stöhnen entfuhr mir, als er mich an der Hüfte noch näher zu sich zog. Ich biss mir auf die Lippe, während er von meinem Mund zu meinem Hals küsste. Gott, wie ich das vermisst hatte. Zwar hatte ich versucht mich mit anderen Kerlen abzulenken, aber ich hatte in ihnen jedes Mal nach Sascha gesucht und ihn einfach nicht gefunden. Ich zuckte ein wenig zusammen, als er mit seinen kalten Händen nach dem Reißverschluss meines Oberteils griff. Bevor er es komplett öffnete, presste er noch einen Kuss auf meine Lippen.

Soltera. (UnsympathischTV)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt