Kapitel 16: Sie liebt mich.

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-"Wie kann man jemand so krass vermissen, wie ich in diesem Moment? Ich bin gerade so krass zerrissen, soll ich dir einfach wieder schreiben oder nicht?"-

Eine Woche später war alles wieder so wie vor unserem Ausrutscher, jedenfalls versuchte ich mir das einzureden. Auch wenn sie mir unglaublich wehgetan hatte, konnte ich sie nicht hassen, nicht so wie ich es am Anfang getan hatte. Wenn die Jungs ein Video mit ihr drehen wollten, hielt ich mich im Hintergrund oder ging ganz einfach, wenn sie als Gruppe etwas unternehmen wollten, vermied ich es, mit ihr allein zu sein, und wenn sie versuchte mit mir zu reden, blockte ich komplett ab. "Dawg, können wir kurz reden?", fragte Nico, nachdem Marcella unter Tränen nach draußen gelaufen war. Peter war ihr hinterher gelaufen, um sie zu trösten, es tat mir weh, sie so zu sehen, aber ich musste stark bleiben. Wenn sie mich einmal betrügen konnte, wer garantierte mir, dass sie es nicht noch einmal tun würde. "Klar.", antwortete ich Nico und sah zu ihm auf. Er stand vor meinem Tisch im Büro mit einem Glas Wasser in der Hand. "Hör mal, Marcella hat nichts getan. Du solltest mit ihr reden.", fing Nico an. Ich wollte das nicht hören. Wie sonst auch immer, nahm er sie in Schutz. "Willst du mich verarschen? Ich hab doch genau gesehen, wie sie sich geküsst haben.", entgegnete ich. Ich wurde langsam wütend. Der ganze Frust, der sich über die vergangenen sieben Tage angestaut hatte, wollte genau in diesem Moment raus. "Es gibt nur eine Person, die du fragen kannst, wie es war.", sagte mein bester Freund mit den Achseln zuckend. "Wie meinst du das?", fragte ich verwirrt nach. Mir fiel keiner ein, dem ich genug traute, um ihm zu glauben. Gerade, als er zum Sprechen ansetzte, sah ich Luna durch die Tür kommen. Sie hatte Taddl und Ardy im Schlepptau. Das war die letzte Person, die ich sehen wollte und am Liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt. "Was macht der hier?", fragte ich angespannt. "Sascha, ich will dir erklären, was passiert ist.", sagte T langsam. "Ich hab sie geküsst, nicht sie mich. Wenn du auf jemanden sauer sein solltest, dann auf mich. Marcella hat mich weggedrückt und die ganze Zeit nur von dir geredet. Ich weiß nicht, warum ich sie geküsst hab, mit mir sind einfach meine Hormone durchgegangen.", erklärte der Kölner vorsichtig. Ich weigerte mich, das zu glauben. "Und warum sollte ich dir das glauben?", entgegnete ich und verschränkte dabei meine Arme vor meiner Brust. "Du weißt, dass Ehrlichkeit bei mir an erster Stelle steht. Außerdem: warum sollte ich versuchen eure Beziehung zu retten und es zugeben, wenn ich sie für mich haben wollte?", stellte T die Gegenfrage.

Später am Nachmittag fing auch Nico an, auf mich einzureden. "Könnt ihr mich vielleicht mal in Ruhe lassen? Sie hat mich betrogen, ich hab Schluss gemacht und das war's.", erwiderte ich irgendwann genervt. Wir standen in einem Dönerladen und warteten auf unser Essen. "Hast du T nicht zugehört? Sie hat nichts getan.", antwortete Nico darauf frustriert. "Ich glaube ihm nicht. Marcella war früher schon so und du hast es selbst gesagt, sie hält nicht viel von Liebe.", sagte ich mit den Augen rollend. "Von Liebe hält sie nicht viel, das stimmt, aber von Loyalität schon.", kam es aus Nicos Mund. "Ach komm, als ob.", war das Einzige, was ich darauf sagte. "Sascha, sie würde niemals jemanden hintergehen, egal wie sehr diese Person sie verletzt oder mit ihr spielt und darum weiß ich, dass Taddl die Wahrheit sagt.", erklärte Nico und stellte sich vor mich, damit ich ihn ansehen musste. Nach diesem Gespräch war ich verdammt verwirrt. Einerseits wollte ich wirklich stark bleiben, andererseits vermisste ich sie so sehr, dass es tatsächlich wehtat. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte.

Es ließ mir keine Ruhe mehr, aber so stur wie ich nunmal war, weigerte ich mich, mit Marcella zu reden. Am nächsten Abend waren wir auf einer ziemlich großen Veranstaltung in Stuttgart. Die Crew war eingeladen worden, weil wir alle Werbung für ein Produkt gemacht hatten. Es gab einen roten Teppich, aber wir waren nicht angewiesen worden, schicke Sachen anzuziehen, also hatte ich mich so wie immer gekleidet. Marcella sah auch aus wie sonst, nur dass sie an diesem Abend hohe Schuhe trug. Man konnte die Augenringe, die sie hatte trotz des Make-Ups sehen, weswegen sie nur sehr wenig Fotos von sich machen ließ. Fast ganz YouTube-Deutschland war da und ich kam kaum dazu, den Abend zu genießen, weil ich von einem Interview zum nächsten hetzte. Als ich endlich Zeit gefunden hatte, eine zu rauchen, ließ ich mich auf einen Stuhl im Außenbereich fallen. Müde rieb ich mir die Augen. Auch ich hatte in den vergangenen sieben Tagen unheimlich wenig Schlaf bekommen. "Darf ich mich setzen?", fragte mich eine Stimme, die ich nur allzu gut kannte. Ohne von meinem Handy aufzusehen, zuckte ich mit den Achseln. "Warum bist du nicht bei deinem neuen Lover?", fragte ich sie gereizt. "Sascha, ich habe ihn nicht geküsst.", entgegnete sie, dabei klang sie so, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. "Sicher nicht.", sagte ich sarkastisch. "Glaubst du echt, ich würde sowas machen? Nach allem, was mein Ex mir angetan hat?", wollte sie wissen. Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Antwort auf diese Frage, denn das war tatsächlich ein guter Grund, ihr zu glauben. Ohne etwas zu sagen, drückte ich meine Zigarette im Aschenbecher aus, stand auf und ging wieder Richtung Eingang. Nico und die Jungs standen ebenfalls im Raucherbereich, genauso wie die meisten anderen YouTuber, die eingeladen worden waren. Alle Augen waren auf uns gerichtet, weil wir das Gesprächsthema Nummer eins waren. Fast alle Wochenrückblickskanäle hatten über uns berichtet, selbst Kanäle, die nichts in diese Richtung machten, hatten über uns gesprochen und deswegen war es eine Sensation, dass wir mit einander geredet hatten. Marcella rief meinen Namen, aber ich wollte einfach nur weg, weswegen ich einfach weiterging. "Sascha, bitte!", hörte ich sie hinter mir rufen. Nichts hätte mich in diesem Moment aufhalten können, das glaubte ich zumindest. "Lass es gut sein, Marcella.", sagte ich, als ich direkt auf die Tür zuging. "Warum ist es so schwer für dich zu glauben, dass ich dich liebe?!", schrie sie. Sie war wütend, aber auf eine komische Art und Weise. Diese temperamentvolle Wut war verschwunden, als hätte jemand ein Feuer gelöscht und nur noch etwas Glut übrig gelassen. Sofort blieb ich stehen. Ich betete, dass ich mich nicht verhört hatte. "Was hast du gerade gesagt?", fragte ich vorsichtig nach. "Ich liebe dich, Sascha.", antwortete sie nun etwas leiser. Langsam drehte ich mich zu ihr um. Tränen, die durch die Wimperntusche schwarz gefärbt waren, liefen ihre Wangen hinunter. Sie sah mich flehend an, als ich nicht reagierte. Endlich hatte sie es zugegeben und genau aus diesem Grund fing ich an zu lächeln. Seit ich mich in sie verliebt hatte, hatte ich auf diesen Moment gewartet, aber ich hätte niemals geglaubt, dass sie es jemals öffentlich laut sagen würde. Ohne ein Wort zu sagen, ging ich schnellen Schrittes auf sie zu. Marcella blickte verwirrt zu mir auf, als ich vor ihr stehen blieb. Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände und drückte meine Lippen so fest ich konnte auf ihre. Sofort erwiderte sie den Kuss und legte ihre Arme um meinen Hals. Da ich wusste, wie viel Überwindung es sie gekostet hatte, diese drei Worte zu sagen, glaubte ich ihr und T. Sie hätte es nicht einfach so gesagt und sie hätte nicht in der Öffentlichkeit geweint, wenn sie es nicht ernst gemeint hätte.

Soltera. (UnsympathischTV)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt