Teil5

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Ich komme nicht weit, zum einen, weil ich kopflos losgerannt und dabei voll in Richtung Bank gelaufen bin, zum anderen, weil mich Matt festhält.
„Entschuldige. Ich wollte nicht lachen."
Ich wische mir mit der freien Hand die Tränen aus den Augen. Jetzt muß ich fast lachen, denn Matt steht wie ein begossener Pudel vor mir. Sogar einen Hundeblick hat er aufgesetzt. Aber so leicht will ich ihn nicht davonkommen lassen. So eine Chance hat man schließlich nicht alle Tage. Ich senke den Blick und schniefe noch ein bißchen. Vielleicht umarmt er mich ja noch zum Trost.
„Stell dich doch nicht so an", mischt sich jetzt Emmy ein. Ich kneife die Augen zusammen und schicke ihr, so daß Matt es nicht sehen kann, meinen Todesblick. Er muß noch besser als sonst sein, denn Emmy hält den Mund.
„Es sieht nur so lustig aus", redet jetzt Matt weiter. Das klingt nicht gerade nach Trost. „Als würde das Pferd auf deine Shirt eine Regenbogen kotzen", und er kichert schon wieder. Auch aus Emmys Ecke höre ich verdächtige Laute.
Ich wage einen Blick auf mein Shirt und platze los. Matt hat recht. Ich habe ein Regenbogen-kotzendes Pferd auf meinem Shirt.

„Na, so kann ich aber nicht rumlaufen", sage ich, als wir uns alle drei wieder beruhigt haben. „Ich werd wohl nach Hause und mich umziehen müssen. Hoffentlich lassen mich meine Eltern dann noch mal raus." Mehr Angst habe ich allerdings, daß dann vielleicht Matt weg ist. Einen Moment stehen wir drei einfach nur da und schweigen.
„Ich habe eine Idee!", ruft Matt. „Ich gebe dir meine Shirt."
Emmy beginnt zu kichern und boxt mich in die Seite. Halt jetzt bloß den Mund, Emmy!
„Ich weiß nicht", hör ich mich sagen. Hallo?!? Jemand zuhause!?! Wie kann ich denn ich weiß nicht sagen? Ich könnte sterben für ein Shirt von Matt!
„Doch, doch, dann mußt du nicht nach Hause."
„Und du?", frage ich anstandshalber. „Du kannst doch nicht ohne Shirt herumlaufen."
„Ach, keine Problem", winkt Matt ab. „Guck mal, hab ich noch eine T-Shirt unter meine Shirt. Das kannst du haben." Er strahlt mich so an, da will ich ihn nicht enttäuschen. Und außerdem: Ich bekomme ein T-Shirt, daß Matt auf nackter Haut getragen hat! OMG! Kreisch! Das muß ein Traum sein!
Da steht auch schon der Matt meiner Träume vor mir und zieht sich das T-Shirt über den Kopf. Ich glaube, ich habe ihn einfach nur angestarrt. OMG! Hoffentlich habe ich wenigstens den Mund zugehabt. Emmy ist weniger paralysiert als ich. Sie hat doch tatsächlich ihr Handy gezückt und macht Fotos! Im Moment könnte ich sterben, so peinlich ist mir das ... aber nachher töte ich sie, wenn sie mir nicht die Fotos schickt. Wenn Matt es mitbekommen hat, läßt er sich nichts anmerken.
„Hier, bitte." Er riecht noch mal am T-Shirt, ehe er es mir gibt. „Riecht ein bißchen", sagt er krausgezogener Nase.
„Macht doch nichts", sagt Emmy und strahlt ihn an. Klar, ihr macht das nix. Ich hoffe bloß, daß das Shirt nur riecht und nicht auch noch feucht unter den Armen ist. „Na los, zieh es an." Beide schauen mich erwartungsvoll an. Äh, ich mache mich doch jetzt hier nicht nackig!
Ich mache also Anstalten es über mein besabbertes Shirt zu ziehen. Groß genug ist es ja. Da brüllen die beiden auch schon los. Das kann ich doch nicht machen (Emmy), es ist doch viel zu warm (Matt – der bis eben auch zwei Shirts anhatte).
„Ich kann mich doch hier nicht ausziehen." Wie recht ich habe, beweisen die verstörten Blicke der Spaziergänger. Matt hat sein Hemd immer noch nicht wieder an. Hier steht also ein junger Mann mit nacktem Oberkörper bei zwei eindeutig minderjährigen Mädchen und fordert eins davon auf, ebenfalls ihr Shirt auszuziehen. Hitze hin oder her, das macht bestimmt einen merkwürdigen Eindruck.
„Ich könnte mein Shirt vor dich halten", bietet Matt an.
Ja, klar und dann oben drüber linsen.
„Genau!", mischt sich jetzt Emmy wieder ein. „Aber nicht hier. Hinten im Park, an der Malche, ist doch ein hohler Baum. Da kannst du dich umziehen und Matt stellt sich vor die Öffnung."
Hm, klingt wie der erste vernünftige Vorschlag heute von Emmy. Matt hat zwar keine Ahnung wovon wir reden, aber er lächelt uns einfach fröhlich an und läuft hinter uns her.

10 Minuten später bin ich dann auch wieder salonfähig. Das T-Shirt müffelt zwar tatsächlich ein bißchen, aber hey! Es ist Eau de Matt! Ich wette, daß hat heute keine auf dem Konzert.
Emmy knüllt mein schmutziges Shirt netterweise in ihren kleinen Handtaschen-Rucksack. Und dann stehen wir da.
Verlegenes Schweigen.
Mach was, Emmy! Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen! Sag was, bevor Matt sich verabschiedet! Doch Emmy schweigt. Matt setzt schon an, um etwas zu sagen. OMG! Panik! Das kann doch jetzt nicht schon vorbei sein!
„Lust auf'n Eis?"
Das hab ich jetzt nicht wirklich gesagt, oder? Anscheinend doch, denn nachdem die beiden mich mit großen Augen angeglotzt haben, fangen sie an zu lachen und kriegen sich gar nicht mehr ein. Und ich gleich mit.

Als wir uns endlich beruhigt haben schaut Matt verstohlen auf seine Uhr. Oh, bitte, bitte, laß ihn ja sagen! Doch er zieht die Stirn in Falten. Kein gutes Zeichen. Und dann sagt er auch schon: „Ich weiß nicht ... ist ja schon Zwei. Wir haben ja noch eine Auftritt ..."
„Aber Benny hat doch gesagt, sie wären noch auf der Autobahn und es würde noch dauern."
Betretenes Schweigen.
Wenn Matt seine Stirn noch krauser zieht, sieht er aus, wie der Mastino-Welpe meiner Tante.
„Basti", sage ich, „du meinst Basti, Emmy."
„Benny, Basti, egal. Er hat gesagt, es würde noch dauern."
Da hat sie allerdings recht.
„Biiiiiitte", sage ich in einem Ton, den ich sonst nur bei meinem Dad anwende. Dazu noch mein Dackelblick und ... gewonnen!
„Okay, für ein Eis wird noch Zeit sein."
Ja! Emmy gibt mir High Five und Matt strahlt mit uns um die Wette.

Wir gehen zurück zur Brücke. Kurz vorher ist ein kleiner Bäcker, wo wir uns ein Eis kaufen. Ich entscheide mich für Vanille. Sicher ist sicher, bei einem weißen T-Shirt. Über die Mittagszeit ist es ein bißchen leerer geworden und so schlägt Matt vor, wieder auf's Hafenfest zurückzugehen. Schade, dann war's das wohl mit meinem Ausflug mit ihm. Auf der Sechserbrücke bleiben wir stehen. Wenigstens ein bißchen Sight-Seeing wollen wir noch mit ihm machen.
„Guck mal, siehst du da hinten den Strand?"
Matt nickt.
„Und die Insel davor?"
Wieder ein Nicken.
„Da wohne ich", sagt Emmy.
„Auf eine Insel?", fragt Matt ungläubig. „Nie im Leben."
„Doch", bestätige ich. „Da ist unsere Schule und Emmy ist dort im Internat. Also wohnt sie da – zumindest unter der Woche."
„Ach, ihr veralbert mich doch." Matt glaubt uns immer noch nicht. Langsam wandert er weiter, das letzte Stück über die Brücke. Auf der Treppe fällt mein Blick auf den Tretboot-Verleih und mir kommt eine geniale Idee.
„Sollen wir's dir beweisen?"
Matt schaut mich skeptisch an. Emmys Grinsen nach zu urteilen, hat sie kapiert, was ich vorhabe.
„Ja, wir können rüber auf die Insel fahren."
„Ah, ich weiß nicht." Weiter kommt er nicht, da quäken schon wieder die Schlümpfe in seiner Hosentasche.

Feuerherz - My heart's on fire ( Mein Tag mit Matt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt