Teil14

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Echte Freunde erkennst du in der Not. Sagt meine Oma immer und bei Emmy stimmt das zu 100%.

„Setzt ihr mit Thomas über", sagt sie, „ich lenke die drei mit dem Tretboot ab."

„Aber ...", versuche ich sie – zugegeben nur halbherzig – umzustimmen.

Emmy winkt ab. „Los, macht schon. Ehe Matt wieder die Fische füttert."

„Ich habe ein Fisch zuhause, als Haustier, aber den füttert ..."

„Ja, ja", langsam wird auch Thomas unruhig, „kommt erstmal an Bord."

Matt und ich klettern unbemerkt auf die Ente und ducken uns hinter der Bootswand. Emmy tritt so leise es geht in die Pedale. Erst als sie einen guten Vorsprung hat, startet Thomas die Ente und schippert uns Richtung rettendes Ufer.

„Eye, Jenn, die Babies hauen mit Matt ab!"

Endlich! Jetzt weiß ich auch wie Ohne-T-Shirt richtig heißt! Ich hatte schon die ganze Zeit gegrübelt. Jenn, Jääääzz und Cel. Das ist wie Tick, Trick und Track, nur in doof. Hm, mir fällt kein passender Vergleich ein. Die sind auf gruselige Weise ganz einzigartig.

„Mais, mes cheries? Et moi? Was ist mit mir?"

Doch Francois scheint abgeschrieben zu sein. Die drei nehmen hektisch die Verfolgungsjagd auf unseren Schwan auf. Blonde Holländer scheinen auf der Beliebtheitsskala über südländischen Franzosen zu stehen. Vielleicht liegt es aber auch an der Enten-Kacke an seinem Bein.
Obwohl Matt mit Enten-Schiß auf dem Hemd und seiner angefressenen Hose auch nicht mehr wirklich vorzeigbar ist. Aber im Gegensatz zu Francois kann er singen. Und hat ein so süßes Zahnpasta-Lächeln. Und ist ein Star. OMG!
Mein Seufzer war sowas von laut! Ich schiele vorsichtig zu Matt, der ein betont neutrales Gesicht macht. Das könnte aber auch an seiner Seekrankheit liegen. Er sieht nämlich schon wieder ein bißchen blaß aus. Ich schöpfe Hoffnung, daß mein verliebter-Teenager-Seufzer doch nicht so laut war ... bis ich Thomas breites Grinsen sehe und er mir zuzwinkert. Ich bin erledigt.

Thomas sorgt kurz für Ablenkung. Ich muß ihm Montag ein Päckchen Kaugummis als Dankeschön mitbringen! Er schneidet Jenn, Jäääzz und Cel und ihr Tretboot gerät ganz schön ins wanken. Vom Tretboot der drei Grazien schallen Wörter herüber, die ich noch nicht so oft gehört habe und einige lassen selbst Thomas' Ohren rot werden. Ich muß mir die Ausdrücke merken und nachher googeln. Aber so hat Emmy noch ein bißchen mehr Vorsprung und die Mädels sind damit beschäftigt, ihr unkenterbares Boot vor dem vermeintlichen Kentern zu bewahren.

Der Weg von der Insel zum Festland ist nur kurz, aber unüberhörbar lang genug, um Matts Magen zur Verzweiflung zu treiben. Das Geräusch, daß aus seiner Ecke kam, klang eindeutig nach einem würgen.

„Hey, wenn du ins Boot kotzt, mußt du's sauber machen." Thomas ist es also auch nicht entgangen. Matt stößt zur Antwort noch mal auf und unterdrückt das nächste Würgen. Ich finde spontan zu Gott und bete, daß er mir nicht auf's T-Shirt kotzt. Ist zwar eigentlich seins, aber erstens möchte ich nicht den Rest des Tages nach Kotze stinken und zweitens hatte ich nicht vor, ihm das Shirt wiederzugeben.

Doch alles geht gut. Eine Minute später erreichen wir das Ufer. Thomas gibt uns ein Zeichen, die Luft ist rein. Ich springe auf den Steg. Gemeinsam schaffen wir es auch Matt an Land zu bugsieren. Kaum wieder festen Boden unter den Füßen, nimmt sein Gesicht eine deutlich gesündere Farbe an.

„Und ihr fahrt jeden Tag über den See, zur Schule?"
„Zweimal", verbessere ich ihn, „einmal morgens und einmal nachmittags."
Was immer Matt darauf antworten wollte, es geht in einem neuerlichen Würgen unter. Ich erzähle ihm lieber nicht, daß Wassersport bei uns ein Pflichtfach ist.

Zur Abwechslung scheinen wir auch mal Glück zu haben. Keine verrückten Fans, die hinter Büschen hervorspringen – okay, eigentlich gehöre ich ja auch zu den Fans, wenn auch nicht zu den verrückten. Aber im Moment fühle ich mich eher zu Matt gehörig. Der Star und das Mädchen. Oh Mann! Hatte ich gerade gedacht, ich würde nicht zu den verrückten gehören? Naja, jedenfalls kein Notruf von Basti. Die anderthalb Kilometer durch den Wald bis zur Bushaltestelle, sind ein Klax nach dem heutigen Tag und mit etwas Glück, kommt auch ohne lange Warterei ein Bus. Ein Problem macht sich jetzt allerdings doch bemerkbar. Ohne die ewig plappernde Emmy kommt kein Gespräch auf. Das ich nicht die Queen of smalltalk bin, zeigt sich schon beim ersten Satz, mit dem ich in die immer größer werdende Stille hineinplatze.

„Du hast einen Fisch als Haustier?"

Doch Matt fängt an zu erzählen und so kommen wir von seinem Haustier, über meinen Wunsch nach einem eigenen Pferd, zu den Ziegen auf der Schulfarm und seinen Erlebnissen mit Frau K.

„Die Frau ist verrückt. Total plemplem. Und eure Eltern schicken euch jeden Tag auf diese Schule?" Das Entsetzen spiegelt sich in seinen großen Kulleraugen wider.
„Naja, soooo schlimm ist ja nun auch nicht", verteidige ich unsere Schule. „Es ist sogar ziemlich cool bei uns", gerate ich ins Schwärmen und zähle ihm alle Vorteile auf, die unsere Schule so hat.

„Sag mal", unterbricht er mich irgendwann, „müßt ihr jeden Tag durch die Wald laufen, um zum Bus zu gelangen?" Wie um seine Worte noch zu unterstreichen, knackt ein trockener Ast unter seinen Füßen und plötzlich fällt mir auch das Rascheln der Blätter bei jedem Schritt auf.
„Äh ..." Mir ist das jetzt ja ein bißchen peinlich, aber ... „Ich glaube, wir haben uns verlaufen", muß ich gestehen.
„Dann gehen wir wieder zurück?" Matt sieht bei der Vorstellung nicht sehr glücklich aus. Naja, würde wohl keiner, der mit Flipflops durch den Wald läuft.
„Ach was." Ich gebe mich optimistischer, als ich eigentlich bin, denn Orientierung gehört nicht zu meinen Stärken. „Wir laufen einfach am See-Ufer entlang, dann kommen wir auch zur Sechserbrücke. Also, dahin, wo wir dich heute getroffen haben." Ich weiß, daß das stimmt. Ich weiß nur nicht, ob ich den Weg am See-Ufer entlang finde. „Ist nicht mehr sooo weit", sage ich. Ich weiß, daß das gelogen ist, aber meine Eltern sagen das auch immer zu mir. Diese Art von Lüge kann also nicht so schlimm sein.
Nach ein paar Minuten kommt der See in Sicht. Puh, bin ich erleichtert. Vor lauter Erleichterung habe ich auch keine Einwände, als Matt vorschlägt, daß wir über einen Zaun klettern und die dahinterliegende Wiese laufen sollen, um den Weg zum See-Ufer abzukürzen. Irgendwo in meinem Hinterkopf schrillte noch eine Alramglocke. Aber wenn dein Schwarm deiner Lieblingsband etwas vorschlägt, sagst du dann nein?

Feuerherz - My heart's on fire ( Mein Tag mit Matt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt