Teil13 - in dem alles ganz 'vite, vite' geht

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Wie paralysiert starre ich auf die Stelle im Gebüsch neben Frau K.s Haus, wo sich die unter lautem Geraschel die Zweige teilen und eine Ente nach der anderen auf den Weg hinauspurzeln. Enten scheinen nicht die hellsten Kerzen auf der Torte zu sein. Eine nach der anderen tritt aus der Hecke heraus, stolpert über irgendetwas und landet auf ihrem dicken Bauch. Rappelt sich wieder hoch, schnattert – was auch immer – ganz entrüstet an und watschelt weiter. Das ganze fünfmal hintereinander. Wäre die Situation nicht so fatal, würde ich mir vor lachen in die Hose puschen. ABER ... eine Ente nach der anderen erklimmt die drei Stufen zu Frau K.s Haustür, setzt sich davor und beginnt laut zu schnattern.
Mittlerweile haben die Männer sich wohl fertig amüsiert, denn Manne-Manfred erscheint jetzt am Türrahmen. „Ha, ha, das machen die jeden Abend. Die wollen ihr Abendessen – ist allerdings noch ein bißchen früh dafür ... und wie kommen die jetzt hierher?"
Sorry, Manne, die Antwort werden wir dir heute schuldig bleiben. Emmy, Matt, Francois und ich stürzen hinüber zu den Enten. Wir rennen, als ginge es um unser Leben. Naja, tut es ja irgendwie auch. Wir müssen die Enten erwischen, bevor Frau K. ihr Geschnatter hört. Wir teilen uns auf und umzingeln sie. Jeder schnappt sich eine Ente, Francois sogar zwei. Keine kann entkommen. Außer mein linker Schuh ist auch alles von der gelb-grünen Sch***-Attacke verschont geblieben. Allerdings droht schon wieder eine andere Gefahr.
„Herbert, sind das die Enten, die da schnattern?"
Oh. Mein.Gott. Rückzug! Hätte Francois uns nicht alle die Treppe hinunter geschubst, hätten wir es nicht rechtzeitig in unser Versteckt geschafft. Blöderweise ranken sich Brombeeren durch das Gebüsch. Aber die Kratzer lenken wenigstens vom Jucken der Brennnessel-Quaddeln ab. Unter diesen Umständen bin ich mir auch nicht sicher, ob Francois Glück oder Pech hat, daß er es nicht mehr rechtzeitig in unser Versteck schafft. Er kann gerade noch die beiden Enten in seinem – bestimmt teuren, französischem - Hemd verschwinden lassen, als die Haustür von Frau K. aufgerissen wird.
„Was ..."‚Francois' Anblick verschlägt ihr wohl die Sprache. Er steht vornübergebeugt vor ihr. Die Hände um den Bauch geschlungen, wahrscheinlich, um die Enten festzuhalten.
„Och, Madame, mir ist nischt gut", stöhnt er.
„Was ist das wieder für eine Ausrede?"
„Nein, ährlisch, Madame ..." Weiter muß er gar nicht schauspielern. Eine der Enten hat ihre gelb-grüne Geheimwaffe abgesetzt und die läuft jetzt an Francois' Bein herunter. Frau K.s Blick ist unbezahlbar.
„Mein Gott! Vielleicht gehst du besser auf die Toilette!" Frau K. wäre nicht Frau K., hätte sie jetzt Hilfe angeboten. So schlägt sie nur die Tür zu und läßt Francois auf der Treppe stehen. Wir trauen uns nicht, uns zu bewegen – zum einen, wollen wir nicht noch einmal Frau K.s Aufmerksamkeit erregen, zum anderen wegen der Brombeeren und Brennnesseln – aber innerlich feiern wir Francois als unseren Helden.
„Vite, vite – schnell, weg mit die Enten."
Das muß er uns nicht zweimal sagen. Wir schlängeln uns unfallfrei aus den Büschen und vollenden die Mission Laufente. Fünf Augenpaare blicken uns vorwurfsvoll durch den Maschendrahtzaun des Gartentores nach, als wir endlich zum Fährhaus zurücklaufen.

Unbehelligt zum Fährhaus zu kommen, war eine Sache. Im Über-die-Insel-schleichen haben wir schließlich Erfahrung. Aber den vermaledeiten Schwan wieder zu Wasser zu lassen ist eine ganz andere Sache. Mit den Fährmännern ist es gerade wie mit allen Männer: wenn man sie mal braucht, sind sie nicht da. Also müssen wir Mädels mit anpacken. Emmy und ich heben das Ding am Kopf an, Matt bekommt den Hintern und Francois bugsiert uns zurück zum See.
„Ah, biensûre, mes jeune filles, eine bißchen mähr nach rächts. Très bien. Und eine bißchen schneller vielleicht."
Sehr lustig! Das nächste Mal, kann Francois den blöden Schwan ans Wasser schleppen! Das Ding ist schwerer und sperriger als es aussieht. Und Emmy und ich müssen rückwärts gehen und Matt wird die Sicht total vom Schwanenhintern verdeckt. Das sind echt erschwerte Bedingungen. Da ist es ein Wunder, daß wir bloß den Busch, hinterm dem wir den Schwan versteckt hatten, halb umpflügen und nicht noch mehr Kollateralschäden entstehen.
„Vielleicht geht es leichter, wenn wir seitlich laufen?" Super Idee von Matt! Wir drehen uns ein bißchen herum und so geht es tatsächlich schneller. Und dann passiert das unglaubliche!

„Eye Jääääzz, guckst du! Da is' Matt!"

„Matt! Matt! Matt!"

Die drei Grazien müssen doch tatsächlich die ganze Zeit mit ihrem Tretboot um die Insel getuckert sein! Im ungünstigsten Augenblick überhaupt müssen sie hier vorbeikommen. Matt erstarrt. Ich kann die Panik in seinem Blick nachvollziehen. Ohne-T-Shirt hat zwar ihr T-Shirt wieder an, aber die drei wackeln mit den Hüften und allem anderen, was so wackeln kann und werfen Kußhändchen herüber.

„Hu, Mätti, komm zu uns auf's Boot!"

„Was willst du denn mit den Babies?"

„Yeah! Wir wissen, worauf Musiker stehen!"

Wildes Gezwinker, Kußmundgeziehe und Gewackel.

Die drei machen mir Angst. Ob sich jeder in so ein hormongesteuertes Pubertier verwandelt? Und wenn ja, wie lange dauert so was an? Wenn ich jetzt allerdings Francois sehe, habe ich die Vermutung, daß man sich gar nicht mehr in ein vernünftiges Wesen zurückverwandelt!

„Oh là là, mes cheries!" Er wirft sich in eine lässige Pose. Nur Franzosen gelingt es mit Enten-Kacke am Bein so cool rüberzukommen. Das verfehlt auch bei den drei Grazien nicht seine Wirkung. Also, seine Coolness, die Enten-Kacke haben sie wohl noch nicht entdeckt.

„Boah, eye!" Debiles Gekicher. „Haste noch 'nen Freund? Dann is' für jede einer da." Ohne-T-Shirt zwinkert als hätte sie einen ganzen Mückenschwarm im Auge.
„Ah, Mademoiselles, bin isch Fronzosä, brauche isch keine Freunde für trois jollie filles."
Ich bin mir sicher, die drei haben kein Wort verstanden, aber sie gackern wie die Hühner.
„Äh, Francois?" Emmy versucht Francois' Aufmerksamkeit wieder auf die wesentlichen Dinge zu lenken. „Kannst du uns mal wieder helfen?"
„Aber das mache isch doch", flüstert er uns zu. „Isch opfere misch und lenke diese jeune filles ab."
Ich habe ja eher den Eindruck, daß Francois von ihren wippenden und wackelnden Körperteile selbst abgelenkt ist. Von wegen, er opfert sich! Dem Blick nach, den Emmy Francois zuwirft, scheint sie das genauso zu sehen.
„Dann machen wir das eben allein. Los, schnell zum See."

Francois hat die drei zum Steg gelockt und flirtet, was das Zeug hält. Wir schaffen es, den blöden Schwan wieder ins Wasser zu setzten und klettern an Bord. Leise, ganz leise treten wir in die Pedale. Da startet Thomas die Ente - das kleine Fährboot der Schule. Der Motor jault auf, bevor er mit hypnotischer Gleichmäßigkeit zu tuckern beginnt. Doch das reichte schon, um Francois Bann über die drei Grazien zu brechen. Sie haben uns wieder im Visier.

„Eye, guckst du! Die wollen abhauen!"
„Mais, mes Cherries!" Francois brüllt, um das Tuckern zu übertönen.
„Selber Mäh, Mäh! Wir sind doch keine blöden Schafe!"
„Schafe nicht, aber Ziegen." Emmy und ich kichern uns eins. Matt sieht schon wieder verdächtig blaß und apathisch aus. Und wir sind nochmal 10m auf den See raus.
Da schiebt sich Thomas mit der Ente zwischen uns und dem Tretboot der dreien.
„Hey, Mitfahrgelegenheit gefällig?"

Feuerherz - My heart's on fire ( Mein Tag mit Matt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt