"Was ist denn mit dir passiert?", fragt Hannah mich am nächsten Morgen.
Ich ziehe fragend die Brauen hoch.
"Na", sagt sie und fuchtelt mit ihrem Finger vor meinem Gesicht herum. "Das da. Das war gestern noch nicht."
Stirnrunzelnd wische ich mir über den Mund, was Hannah zum Lachen bringt.
"Ich meinte, dieses Grinsen."
"Ach so", sage ich lachend. Dann zucke ich mit den Schultern, kann aber nicht verhindern, dass meine Mundwinkel wieder nach oben wandern. "Nichts..."
"Sollen wir den Part, in dem du mir nicht erzählst, was dich fröhlich macht, nicht einfach überspringen?"
Ich zögere immer noch, doch schließlich brechen die Worte aus mir heraus. "Vielleicht habe ich gestern mit einem sehr netten jungen Mann geschrieben."
Hannah bleibt eine Sekunde stocksteif stehen. Dann reißt sie die Augen auf. "Ehrlich? Erzähl, erzähl, erzähl!"
Lachend berichte ich von MrTrueLove. Hannah will alles bis ins kleinste Detail wissen und verdreht die Augen über meine verrückten Fragen.
"Du bist ganz schön kratzbürstig", stellt sie fest, als sie unseren Verlauf liest. "Nicht, dass du ihn damit vergraulst."
Ich zucke mit den Schultern. "Und wenn schon. Ich dachte, diese App ist dafür da, dass man sich nicht verstellen muss."
"Also hat er sich heute noch nicht bei dir gemeldet?"
Ich schüttele den Kopf und nehme mein Handy wieder an mich. Dann stelle ich fest, dass ich schon viel zu lange mit Hannah am Tisch sitze und springe auf. Meine Schicht im Café beginnt in einer halben Stunde, ich muss mich beeilen.
Bislang habe ich mir noch überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, wann er sich wieder meldet. Er hat schließlich gesagt, dass er heute arbeiten muss.
Und überhaupt habe ich auch gar keine Lust, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wann der Typ mit dem kitschigen Nickname mal wieder an mich denkt. Wir kennen uns schließlich gar nicht.
Deshalb entschließe ich mich dazu, das Hoch, das mir unser Wortwechsel beschert hat, einfach auszunutzen. Immer noch gut gelaunt komme ich im Café an und binde mir meine Schürze um. Matthias, der heute hinter dem Tresen steht, ist schon da und bedient die ersten Gäste.
"Tessaaa...?", sagt er, sobald ich mich neben ihn stelle. Ich befürchte das Schlimmste. Wenn er diesen Hundewelpen-Blick aufsetzt, will er irgendwas von mir.
"Matthiaaaas?", gebe ich in dem gleichen Tonfall zurück, woraufhin er beschämt grinst.
"Könntest du eventuell eine Stunde länger arbeiten? Um 15.30 Uhr spielt Dortmund."
Ich seufze und verdrehe die Augen. "Und das weißt du seit wann?"
Unschuldig zuckt er mit den Schultern. "Ich weiß, ich weiß. Ich würde dich ja auch nicht fragen, wenn ich nicht wüsste, dass du die liebste Kollegin bist, die ich habe und weil du schließlich willst, dass ich glücklich bin. Außerdem spielen sie heute gegen Leipzig - das ist echt ein wichtiges Spiel."
Ich breche in schnaubendes Gelächter aus. Matthias ist einfach niedlich. Er ist zwei Jahre jünger als ich und ist mir ziemlich ans Herz gewachsen. Mit seinen hellblonden Haaren und den jungenhaften Zügen könnte er glatt mein kleiner Bruder sein. Deshalb kann ich ihm selten einen Wunsch abschlagen.
"Es ist mir zwar ziemlich egal, gegen wen deine Mannschaft heute spielt, aber von mir aus. Dann habe ich aber etwas gut bei dir."
Er strahlt mich an. "Danke, du bist die Beste!"
Augenverdrehend schnappe ich mir ein Tablett und einen Lappen und beginne meine Schicht.
Als ich um 16 Uhr endlich abgelöst werde, tun mir die Füße weh. Heute war wirklich extrem viel los, das Wetter draußen ist so gut, dass die Terrasse voll besetzt war. Ohne Umwege begebe ich mich in die Bibliothek, wo ich mich an meinen Stammplatz am Fenster setze. Bei dem Wetter bin ich fast die einzige in dem riesigen Gebäude.
Lernen fiel mir schon immer leicht, deshalb bin ich total gerne hier. Wenn mich ein Thema interessiert, falle ich in einen Konzentrations-Tunnel und tauche erst wieder auf, wenn ich genügend darüber erfahren habe. Oder wenn ich Hunger kriege.
So wie jetzt.
Der Blick auf die Uhr sagt mir, dass es bereits halb acht ist. Erschrocken springe ich auf und packe meine Sachen. Mein Handy, das die ganze Zeit im Spind eingeschlossen war, zeigt mehrere Nachrichten von Hannah an. Sie will wissen, wann ich nach Hause komme und ob wir vor der Party zusammen essen.
Und dann passiert etwas, was mir richtig Sorgen macht. Ich bemerke eine Benachrichtigung von Blind Date: Eine neue Nachricht von MrTrueLove – und mein Herz macht einen aufgeregten Sprung.
Sobald ich meine körperliche Reaktion darauf bemerke, gehen bei mir die Alarmglocken an. Es gibt wirklich keinen Grund, so auszurasten, sage ich meinem Herzen.
Und doch tippe ich alles andere als geduldig auf das Icon für die App. Gespannt warte ich darauf, dass der Verlauf sich öffnet. Wow, das nenne ich mal eine lange Nachricht!
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Blind Date (Roman Bürki FF)
FanfictionTessa ist zufrieden mit ihrem Leben. Sie braucht keinen Mann. Doch als ihre beste Freundin ihr vorschlägt, sich anonym bei der Dating-App "Blind Date" anzumelden, kommt es doch ganz anders. "MrTrueLove" scheint humorvoll, interessant und romantisch...