Kapitel 12

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„Könnt ihr mir das mal erklären? Greta raus hier, sofort!", Tims Stimme vibrierte vor Wut. Ich brauchte einen Augenblick, um aus meinem Schlaf zu erwachen und mich zu orientieren. Tims Blick sprühte die Wut regelrecht. In diesem Moment nahm ich eine Bewegung hinter mir wahr und schlagartig wurde mir bewusst, dass ich nicht in meinem Bett lag sondern in dem von Chris. Mit Chris. „Was ist denn los?", ertönte es verschlafen hinter mir, wobei er seinen Arm erneut um mich schlang und mich zu sich zog. „Chris", grummelte mein Bruder nur und als Angesprochener ihn verschlafen anblickte und mich wahrnahm, schien auch er zu verstehen wie das aussehen musste. Schlagartig ließ er mich los und sprang aus dem Bett auf Tim zu. „Tim ehrlich du interpretierst das falsch, sie hat nur hier geschlafen, weil sie einen Alptraum hatte", versuchte er uns beide raus zu reden. „Ich glaub dir kein Wort, Christian! Kein einziges! Warum verdammt nochmal Greta? Um sie nächste Woche fallen zu lassen? Verdammt Chris sie ist meine Schwester", Tim fuhr sich verzweifelt durch die Haare. „Es ist nichts, war nichts und wird nichts sein und das wissen wir alle drei, glaub mir", antwortete Chris mit einem falschen Lächeln und wirkte ein wenig verzweifelt. Obwohl seine Worte der Wahrheit entsprachen, taten sie mir weh. Plötzlich stiegen mir gegen meinen Willen Tränen in die Augen. Meine Füße berührten den kalten Boden. Den Streit der beiden Jungs blendete ich vollkommen aus. Das Einzige, was ich hörte, war Chris letzter Satz, dass nie etwas zwischen uns sein würde. Meine Beine trugen mich von ganz allein in mein Zimmer. Ich ließ mich direkt auf mein Bett fallen und drückte mein Kopf ins Kissen. In diesem Moment vermisste ich Hanna. Vor dem Umzug wäre ich einfach zu ihr gefahren, wir hätten uns etwas zu essen gemacht und sie hätte mich mit ihrer Laune wieder aufgeheitert. Ich hatte sie bisher nur ein einziges Mal angerufen und unser Telefonat dauerte nur wenige Minuten, da sie Training gehabt hatte. Es fühlte sich falsch an, wenn ich sie jetzt anrief, weswegen ich mein Handy wieder sinken ließ. Als ich meinen Kopf aus meinem Kissen erhob, hörte ich ein zaghaftes Klopfen an der Tür. „Nein", versuchte ich zu sagen aber es war mehr ein Piepsen. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie sich die Tür einen Spalt öffnete und ich einen braunen Haarschopf erahnen konnte. Anne. „Komm rein", ich musste lächeln, genau das brauche ich jetzt, eine Freundin mit der meine Laune wieder besser werden würde. Im nächsten Moment sprang Anne schon auf mein Bett zu. „Komm steh auf du Nuss, wir haben schulfrei. Das müssen wir ausnutzen. Es ist warm, die Sonne scheint und die Pferde warten. Auf geht's", ihre gute Laune steckte mich an. Sie schmiss mir meine Reithose zu, welche ich geschickt auffing. Wir mussten beide lachen, weswegen ich dreimal fast auf dem Boden landete beim Anziehen. Nachdem ich es endlich geschafft hatte meine Reithose anzuziehen, machten wir uns auf den Weg in Stall. Es war ein schöner Frühlingstag. Die Sonne bekam Kraft und auch die Blumen erwachten langsam. Ich blieb kurz stehen als wir auf dem Hofplatz standen und streckte mein Gesicht der Sonne entgegen. „Du benimmst dich als hättest du noch nie die Sonne gesehen", lachte Anne mich aus. „Es ist ja auch gefühlte Jahre her, dass man ohne Mütze, Schal und Handschuhe das Haus verlassen konnte.", versuchte ich mich beleidigt zu verteidigen. Mein Gesichtsausdruck muss sehr witzig gewesen sein, denn als Paul um die Ecke kam und mich sah, lachte er lauthals los. Als sich die Beiden beruhigt hatten, machten wir uns gemeinsam auf den Weg in den Stall. Ich schlug automatisch den Weg zu Popcorn an, wo ich am Ende jedoch nur eine leere Box vorfand. Am Ausgang hörte man Anne und Paul erneut lachen, da ich mal wieder vergessen hatte, dass mein Pony auf der Koppel stand. Ich stöhnte auf und lief zurück zu den Beiden, sodass wir uns gemeinsam auf den Weg zu der Koppel machen konnten. An der Koppel angekommen, blieben wir am Tor stehen und beobachteten die Ponys, welche sich scheinbar ebenfalls über die ersten warmen Sonnenstrahlen freuten. Paul brach nach einiger Zeit die Ruhe indem er Anne fragte, ob sie schon mal auf dem Geländeplatz geritten sei. Zuerst fingen ihre Augen vor Aufregung an zu leuchten, bis sie traurig nach unten guckte und erwiderte:"Nein leider nicht. Ich hatte bis jetzt keine Möglichkeit dazu". „Na dann komm mal mit. Ich habe da ne Idee. Greta nimmst du dein Schimmel mit von der Koppel?". Ich zog nur fragend die Augenbrauen zusammen, schnappte mir dann das Halfter und nahm mein Pony mit. Im Stall stellte ich sie kurz in die Box, da ich sehen wollte, was Pauls Idee war. Bei ihm angekommen, sah ich, dass er sich auf den Weg zu Gone Girl machte. Sie war sein altes Pferd, welches ihm damals den Einstieg in die Vielseitigkeit möglich gemacht hatte. Sie sollte dieses oder nächstes Jahr in die Zucht gehen, da sie sportlich viel geleistet hatte und wir sie nicht platt reiten wollten. Das war also Pauls Idee gewesen. Als Anne um die Ecke kam und sah wo Paul war, wurden ihr Augen groß und ihr Mund öffnete sich vor Staunen. Sie hatte mich letzt erst über die Stute ausgefragt. „Hier mach sie fertig, die Sachen zeige ich dir, wenn wir mit Putzen fertig sind", zwinkerte Paul Anne zu, während er ihr den Strick von Gone Girl in die Hand drückte. Anne war kurzzeitig in einer Schockstarre gefangen bis sie Paul den Strick abnahm und sie aus der Box holte. Wir putzen die Pferde und sattelten sie dann. Auf dem Weg zum Geländeplatz unterhielten wir uns über alles Mögliche. Anne grinste bis über beide Ohren und als ich sie fragte, ob sie Lust hätte mich dieses Jahr auf einige Turniere zu begleiten, wurde ihr Grinsen beinahe noch breiter. Am Geländeplatz angekommen, trafen wir auf Opa, welcher uns angeboten hatte, dass er uns beim ersten Training dieses Jahr helfen könne. Dieses Angebot nahmen wir sehr gerne an. „Reitet erst einmal in Ruhe ab, wenn ihr fertig seid, sagt Bescheid". Wir trabten alle an und verteilten uns auf der Strecke. Ich ließ Popcorn Seitengänge gehen und ritt sowohl Übergänge der Gangarten als auch Tempiunterschiede innerhalb einer Gangart. Zuerst war sie sehr wild und wollte nur nach vorne und ich hatte Mühe sie an die Hilfen zu bekommen. Nachdem ich sie gelöst hatte, ritt ich zu Opa. Dort traf ich auf Paul und Anne, welche sich bereits mit Opa unterhielten. „Greta du fängst an, Paul hinterher und Anne du bildest das Schlusslicht. Wenn du dich unsicher fühlst oder etwas ist, kommst du zu mir. Das ist überhaupt nicht schlimm", der letzte Teil seiner Ansprache galt Anne. Also galoppierte ich an und ritt den Baumstamm an, den Opa uns zuvor gezeigt hatte. Dann weiter auf einen kleinen Oxer, unter welchem eine Hecke erbaut war. Dann parierte ich wieder durch zum Schritt und beobachtete Paul und Anne. Pauls junger Wallach machte ihm heute das Leben schwer. An den ersten Sprung kam er zu dicht, da ihm der Wallach wegschoss und nach dem zweiten Sprung hatte er Mühe sich im Sattel zu halten, da der Wallach seine Künste im Bocken präsentierte. Ich schaute ihn ein wenig mitleidig an. Dieses Gefühl kannte ich zu gut. „Reite ihn ordentlich! Hol ihn dir wieder an die Hilfen und sitz nicht wie ein Sack Kartoffeln auf ihm!", hörte ich Opas Stimme am anderen Ende des Platzes. Opa konnte, wenn er mit etwas nicht zufrieden war, als Trainer sehr laut werden. Anne ritt sauber über die beiden Sprünge. Die beiden arbeiteten gut miteinander. Sie hatte die Art zu reiten, mit der man die Stute reiten musste. Fein aber bestimmend. Opa ließ uns noch ein paar Einzelsprünge reiten, wobei wir alle die meisten Probleme mit dem Einsprung in das Wasser hatten, da dort wie bei beinahe jeden Frühling die Unsicherheit bei den Pferden die Oberhand gewann. Nach den gewonnenen Diskussionen mit unseren Pferden, wobei Popcorn ihren Ponykopf unbedingt hatte durchsetzen wollte und ich öfter Mühe hatte den Weg zurück in den Sattel zu finden, ließ Opa uns einen Teil der Geländestrecke reiten, bis er zufrieden mit dem Ergebnis war. Wir trabten die Pferde noch locker aus bevor wir uns im Schritt auf den Weg zurück zum Hof machten. „Hast du nicht Lust sie öfter zu reiten, Anne? Ich schaffe es neben der Schule nicht noch ein Pferd nur zum Spaß noch nebenbei zu reiten. Und ihr beiden harmoniert miteinander. Außerdem habe ich letzt ein Gespräch zwischen euch beiden belauscht", bei diesem Teil seines Satzes schnaubte ich laut auf, „Sorry Schwesterherz. Jedenfalls hattest du erzählt, dass du gerne ein festes Pferd hättest. Und voila da wäre dein festes Pferd. Du dürftest natürlich alles mit ihr machen und ich würde dich natürlich unterstützen. Also was sagst du?", mein Bruder grinste nur so vor sich hin als er Anne fragend ansah. „Meinst du das ernst?", fragte diese nur mit großen Augen. Paul nickte nur. „Ja total gerne", Anne freute sich wie ein kleines Mädchen, welches ein Einhorn gesehen hatte. Das würde witzig werden. Wir machten die drei Pferde fertig und stellten sie noch kurz mit Abschwitzdecken in ihre Boxen, da sie beim Training geschwitzt hatten. Als ich an der Box von Popcorn stand und sie beim Fressen beobachtete, drifteten meine Gedanken wieder zu heute Morgen. „Wir müssen reden.", ertönte in dem Moment die kalte Stimme von Chris hinter mir. Genauso kalt versuchte ich zu sagen:"Ja das müssen wir".


Das Chaos meines LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt