Kapitel 67

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"Was will denn die Dame gerne haben?" "Ein Erdbeereis bitte." Der Mann von der Eisdiele überreichte mir und Leon das Eis. Zufrieden mit meiner Tüte schlenderten wir die Stadt entlang. Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne strahlte und bezweckte somit, das die Blätter mit ihren bunten Farben nur so leuchteten. "Schmeckt's?" fragte Leon und leckte an seinem Eis. "Jap. War ne gute Idee hier her zu kommen." "Tja, ich hab halt nur gute Ideen." "Jetzt hast du es zerrissen Leon." Er zuckte nur mit den Schultern und widmete sich seinem Eis wieder. Als wir fertig gegessen hatten, liefen wir noch eine Weile durch die Gegend. "Na, noch Lust in den Wald zu gehen?" Ich nickte. Wir kamen am Wald an und zu meinem überraschen, war am Eingang ein riesiges Tor. "Warum steht hier ein Tor?" fragte ich Leon, der es gerade aufmachte. "Hier gab es viele Unfälle und da meinten sie, das es sicherer wäre hier ein Tor hinzustellen. Wenn du mich fragst, ist das totaler Schwachsinn." "Es gab hier Unfälle? Wie viele?" "So um die 10." "Und was für welche?" "Mensch Meli, du brauchst keine Angst haben. Ich bin ja bei dir." Er streckte seine Hand aus, als Zeichen ich solle sie nehmen. Das lies ich mir nicht zweimal sagen. Krampfhaft umklammerte ich sie und gemeinsam betraten wir den Wald. "Au! Wenn du vorhast sie abzureißen, dann hast du es bald geschafft." jammerte Leon. Ich lockerte einwenig den Griff auch wenn ich es nur ungern tat. Immer tiefer liefen wir in den Wald und kamen irgendwann an einem Weg an. "Lass uns hier weiter laufen." Stumm nickte ich. Normalerweise war ich nicht so ein Angsthase, aber wenn Leon meinte, es gab hier viele Unfälle, konnte man nur voller Angst sein. "Was hast du diese Woche über gemacht?" fragte Leon auf einmal. "Nichts. Eigentlich nur im Bett gelegen und verwöhnt worden sein. Du?" "Ist schon ein Vorteil krank zu sein." lachte er. "Benny und ich haben uns nur mit Freunden getroffen. Nichts besonderes. Wie gesagt, Mädchen habe ich nicht aufgerissen. Ich wollte und konnte einfach nicht." "Du wolltest nicht?" überrascht blieb ich stehen und legte den Kopf schräg. Er blieb ebenfalls stehen und kam auf mich zu. "Ich wollte nicht, dass du schlecht über mich denkst. Auch wenn du das bestimmt schon tust. Es wäre einfach falsch gewesen. Warum auch immer. Schließlich sind wir nur Stiefgeschwister." "Noch nicht." korrigierte ich ihn. "Trotzdem. Das Gefühl dich zu 'hintergehen' ging mir nicht mehr aus dem Sinn." Leon kam einen Schritt näher und sah mich aus seinen strahlenden blauen Augen an. Sie bohrten sich förmlich in meine. Er nahm eine Haarsträhne von mir und spielte damit. "Auch wenn es falsch ist. Ich fühle etwas, wenn du in meiner Gegenwart bist. Das sind komplett andere Gefühle, wie ich sie bei Geschwistern oder fast Geschwistern empfinden würde. Nur deine Anwesenheit löst in mir was aus, was ich nicht beschreiben kann." Seine Worte, seine lieblichen Worte hallten in meinem Kopf. Das er so dachte und fühlte hätte ich nicht gedacht. Doch wie er schon sagte, es war falsch. Falsch was er fühlte. Was fühlte ich eigentlich? Ich wusste es nicht. Meine Gefühle waren durcheinander, doch irgendwas in mir wollte bei ihm sein. Seine Nähe spüren und ihn nie verlieren wollen. "Meli?" "Hä? Oh tut mir leid." "Alles ok bei dir?" Leon sah mich besorgt an. "Jaja, alles bestens. Wollen wir weitergehen?" Ich wollte dieses Thema einfach so schnell wie möglich verdrängen. Das würde sowieso nie gut gehen mit uns beiden. "Wenn du willst." Als er das sagte hörte man Trauer und etwas verletztes. So sehr es mir auch wehtat, ich wollte keinen Ärger mit unseren Eltern bekommen. Am besten wärs, wir vergessen das ganze. 'Na wenn du das schaffst' 'Ja ich schaffe das!'

Leon und ich gingen schweigend nebeneinander durch den Wald. Es kam mir so vor, als gäbe es keinen Ausgang mehr, doch zu meinem Glück kamen wir bald an und liefen von dort aus nach Hause. Auch den ganzen nach Hause weg Sprachen wir nicht miteinander. Ich war mehr als nur froh endlich, als wir endlich ankamen und ich in mein Zimmer gehen konnte. Erschöpft lies ich mich auf mein Bett fallen und schloss die Augen. Warum sagt er sowas? Warum ausgerechnet jetzt? 'Frag ihn doch' 'Später' 'Wann später?' 'Später halt!' 'Wenn du meinst' Genervt schüttelte ich den Kopf. Mit meiner inneren Stimme kann man aber auch nicht normal reden. Ständig ist sie gemein und macht alles andere als mir zu helfen. Manchmal wünschte ich echt, sie würde nicht existieren. 'Dann gäbe es dich aber auch nicht' Mist! Da hat sie recht. Leider.. Vielleicht sollten Leon und ich uns einfach mal eine Weile nicht mehr sehen. 'Das habt ihr schon eine ganze Woche lang getan' 'Na und. Auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an' 'Wie du meinst, aber Leon ist nicht der einzige, dem du vielleicht aus dem Weg gehen solltest' 'Was meinst du?' 'Denk daran, seit deinem letzten Treffen mit Vivi, hast du dir richtigen Ärger eingehandelt' 'Als ob. Was will sie denn schon machen? Petzen gehen?' 'Sei nicht zu leichtsinnig. Ich glaube, da kommt etwas großes auf dich zu' 'Kannst du nicht einmal positiv denken? Anstatt mir alles zu vermiesen?' 'Tut mir leid, aber das ist nunmal die Realität und glaube mir, Vivi wird was machen' 'Wir werden sehen. Hast du noch andere Sachen, mit denen du mich runter ziehen kannst?' 'Nein, ich habe nur noch eine erfreuliche Nachricht' 'Die wäre?' 'Der Schüleraustausch steht bevor und wir wissen doch beide, das du dich wahnsinnig darauf freust' 'Natürlich! Was für eine Frage. Der Austausch wird einfach unvergesslich werden!'

Und da sollte ich recht behalten.

Ab morgen wird die Schule wieder anfangen, ich bin gespannt was dort auf mich zu kommen wird. Hoffentlich bewahrheiten sich die Gedanken meiner inneren Stimme nicht und ich kann ohne Schäden weiter leben und an nichts Böses denken. Denn jetzt so langsam, bekomm ich schon ein bisschen Angst. Zu was Vivi alles im Stande ist, weiß ich nicht und in Wirklichkeit will ich das auch nicht wissen. Doch lieber jetzt, als später.

Bad Boy or Good Brother?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt