Kapitel 17

4K 191 18
                                    

Arm in Arm laufen wir durch den Wald zurück nach Hause.
Ich habe zwar sehr lange geschlafen, bin aber aus unerklärlichen Gründen extrem müde. Ab und zu fallen mir die Augen zu, sodass Matthew irgendwann Mitleid bekommt und mich trägt.

Unauffällig lehne ich mich nach vorn und nehme einen tiefen Atemzug von seinem wunderbaren Duft.

Im Haus angekommen, legt mich Matthew sofort auf das Sofa, wo ich seine Hand festhalte, dass er nicht gehen kann. Er hat es mir schließlich versprochen.

Stummt schaut er mich an und ich starre zurück, bis er endlich nachgibt und sich zu mir legt.

Sanft lege ich meinen Kopf auf seinen Schoß und er krault mir den Kopf, sodass ich sehr schnell einschlafe.

Mein Traum ist sehr verworren.

Ich träume wild durcheinander. Mal von Matthew, mal von Henry und mal von meiner Familie, die ich gestern hinter mir gelassen habe.

Eins steht aber für mich fest: Matthew Johnson ist mein Retter. Ich kenne ihn zwar erst seit fast einem Monat, aber es fühlt sich so an, als würden wir uns schon ewig kennen. Als ich taub wurde, kehrten mir viele Menschen den Rücken zu, aber Matthew ist bei mir geblieben.

Mein Bruder Henry hat sich außer unseren Eltern so lieb um mich gekümmert. Ich liebe ihn dafür, aber mag er mich genauso sehr? Manchmal, so wie letzte Woche, ignoriert er mich oder ist gemein zu mir. Aber ich möchte ihn auch nicht damit konfrontieren, weil er sonst noch wütender wird.

Manchmal wünsche ich mir, dass wir eine tiefere Geschwisterbindung hätten.

Seit Mum und Dad gestorben sind, haben wir uns beide verändert. Er versucht sich, durch seine Freunde abzulenken und ich... naja, ich versuche, jedem aus dem Weg zu gehen und derjenige, der mir physisch beziehungsweise psychisch zu nahe kommt, wird mit Ignoranz bestraft.

Ich habe wirklich eine sehr, sehr hohe Mauer um mich gebaut.

Und meine restliche Familie hasst mich. Gut, vielleicht stimmt das nicht zu einhundert Prozent, denn Maggie und ihr Mann Sam kümmern sich echt lieb und mich und ich habe sie auch gern. Aber ihr zwei Töchter.... kotz.

Melissa und Sarah verstehen sich mit
Henry besser. Meistens sehen sie sich zwar nicht, aber falls sie sich dann doch mal auf dem Gang begegnen, lächeln sie sich nett zu.

Hauptsache bei mir nutzen sie jede Chance, mich fertigzumachen.
Was für Miststücke.

Ein paar Stunden später wache ich deutlich ausgeruhter auf und drehe mich auf dem großen, weichen Kissen auf den Bauch.

Verschlafen sehe ich nach oben und Mattthew beobachtet mich liebevoll.

Oh mein Gott, mit diesem Blick sieht er zum Abreißen aus.

Ich glaube, ich schmelze hier gerade.

Leicht zieht er mich noch näher zu sich und so verbringe ich ein paar Minuten mit dem heißesten Mann kuschelnd auf dem Sofa.

Irgendwann bricht er das Schweigen: ,,Ich glaube, wir sollten langsam aufstehen, denn es gibt bald Essen und ich fühle meinen Arm nicht mehr." Er sagt das bestimmt mit so einer sexy, rauen Morgenstimme. Verdammt, warum muss ich unbedingt taub sein?

,,Okay.", zeige ich ich ihm ein wenig enttäuscht und rolle mich von Matt herunter, wo ich erst einmal schön mit meinem Hintern auf dem Harten Boden lande.
Autsch. Ich hatte die Couch größer in Erinnerung.

Henry und Tante Maggie erwarten uns schon am gedeckten Tisch und reden miteinander, hören aber auf, sobald sie mich eintreten hören.

Beide schauen mich erleichtert an.

Okay? Habe ich irgendetwas verpasst?

,,Bitte zu uns das nie wieder an. Nie, nie wieder, sonst bekommst du großen Ärger von uns. Hast du das verstanden?", zeigt er mir.

Was hat der denn gefrühstückt?

,,Das hier ist unser Zuhause. Ich will nur dort wohnen, wo ich hingehöre", zeige ich zurück.

,,Nein, das ist falsch. Tante Maggies Haus ist nun unser neues Zuhause, nicht hier.", erwidert er und berührt leicht meinen Arm. Schnell ziehe ich diesen zurück.

,,Nein.", sage ich fest überzeugt und er will schon zum Sprechen ansetzen, aber ich fahre schnell fort. ,,Für dich fühlt es sich vielleicht nach Zuhause an, aber für mich nicht. Ich kann mich an einem Ort nicht wohlfühlen, wo man mich nicht leiden kann. Hier kann ich alleine sein und tun und lassen, was ich will. Hier kann ich ich sein."

Wow, das tut gut.

,,Aber das geht doch nicht, Joshi. Wenn du hier bist und ich dort, sind wir nicht zusammen.", sagt Henry mit einem verletzten Ausdruck. Warum kann ich bei diesem Blick nicht standhaft bleiben?

,Hilf mir, Matthew.', sende ich ein stummes Gebet an ihn, aber er scheint mir nicht helfen zu wollen. Was für eine Nudel. Also nicht sein Mini-ich, sondern er. Er als Person. Egal, ich lasse es, sonst mache ich alles noch schlimmer.

Henry hält mir mein Handy hin - aus welcher Ecke er es auch immer ausgegraben hat - und ich beginne mit dem Tippen.

Es interessiert mich nicht, ob du auch hier bist. Du hast keine Ahnung, wie es mir wirklich geht, weil du mich die ganze letzte Zeit ignoriert hast. Ich war sehr oft weg und habe viel Zeit mit Matt verbracht, weil er momentan der einzige ist, der sich um mich kümmert. Wir reden oft und es fühlt sich einfach schön an. Einmal habe ich keine Angst und fühle mich wie der größte Idiot auf Erden. Bevor du mit mir zusammen wohnen möchtest, solltest du mal über dich nachdenken und wie sehr mich dein Verhalten verletzt, wenn deine Freunde da sind.

Ich drücke ihm das Handy vor die Brust und flüchte in den Garten, wo ich wie wild auf einen Baum einschlage.

Okay, nun habe ich ihn doch mit mit meiner Meinung konfrontiert und wisst ihr was? Es fühlt sich besser an als gedacht.

Relativ schnell fangen meine Hände an zu bluten und eine Hand hält mich davon ab, weiter auf den Stamm einzuschlagen.

Ich folge dem Arm mit meinem Blick und er landet direkt in dem besorgten, aber trotzdem schönen Gesicht von Matthew.

Langsam kommt er näher und lässt meine Hand los, um mein Gesicht in seine Hände zu nehmen, die so herrlich weich sind.

Kaum hat er mich an seine Brust gezogen, fange ich an zu schluchzen und gleich darauf kommen auch schon die ersten Tränen.

Ich bin so eine Vollkatastrophe. Wie hält es Matthew nur so lange mit mir aus?

Ich spüre zwei große, starke Männerhände an meiner Hüfte, die mich langsam hochheben. Ich nehme nehme zusätzlich Schwung und verkreuze meine Beine über Matthews Po, begrabe aber weiterhin mein Gesicht in seinem Hemd, das - mal wieder - unglaublich gut nach ihm riecht.

Das hier...

Genau das hier ist Zuhause.

Mein Zuhause.

Mit meinem Matt.

Hier bin ich sicher.

The Deaf and The Rich | Deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt