Henrys PoV
Ich weiß, wie traurig er ist und wie sehr er die letzten Wochen gelitten hat.
Depressiv? Vielleicht.
Wütend? Bestimmt.
Traurig? Definitiv.
Das beschreibt meinen kleinen Bruder Joshi am besten. Ich bin mit ihm zusammen aufgewachsen und wir hatten eine tolle Kindheit zusammen. Wir haben immer zusammen gespielt, haben uns gut vertragen und fast nie Streit.
Und nun ist mein kleiner Bruder wütend auf mich.
Ist es denn so verwerflich, dass ich mehr Freiheiten brauche? Ich habe mich in den letzten Jahren, aber besonders nach dem Unfall so sehr um ihn gekümmert und nun möchte ich mal ein wenig Zeit für mich. Ist das so schlimm für ihn?
Josh weiß gar nicht, wie toll er eigentlich ist. Er hat ein großes künstlerisches Talent, er ist intelligent und freundlich.
Und dann komme ich. Ich bin ,,nur" der große Bruder, der versucht, gute Noten zu bekommen, um ein Vorbild zu sein. Klappt mal mehr, mal weniger. Okay, eher weniger. Und ich habe keinerlei vorzeigbares Talent.
Außerdem bin ich gegenüber Fremden sehr verschlossen und öffne mich nur Leuten, die ich gut kenne und denen ich vertraue.Wie Josh zum Beispiel.
,,Schwieriger Junge", nannten mich früher oft meine Lehrer, denn ich machte ab und zu Probleme in der Schule, die aber nicht so gravierend waren, dass ich von der Schule geflogen wäre.
Ich ging öfter zu Partys und übernachtete bei Freunden, sodass ich immer seltener zu Hause war. Langsam nannten mich alle ,,der populäre Bad Boy mit dem verkrüppelten Bruder" und, so sehr ich meine Stellung in der Hierarchie der Schule auch mochte, wusste ich, dass ich lieber der Loser bin, als das mein Bruder beleidigt wird.
Ich liebe ihn so sehr, eigentlich liebe ich ihn am meisten aus meiner Familie.
Ich vermisse ihn, wenn er nicht zu Hause ist, sondern mit diesem Matthew abhängt.
Aber wenn er dann mal zu Hause ist, bin ich ein richtiges Arschloch zu ihm.
Ich möchte mich eigentlich gar nicht so dumm verhalten, aber meine Freunde erwarten von mir, dass ich mein ,,Badboy-image" aufrechterhalte und ich möchte meine Kumpels durch mein Verhalten nicht verlieren.***
Manchmal kann es Josh so einfach haben. Meistens bekommt er gar nicht mit, was die Leute hinter seinem Rücken sagen und das erspart ihm eine Menge Frust.
Die Leute, die Maggies Töchter wirklich kennen, hassen sie auch, was ich voll und ganz verstehen kann.
Ich freue mich schon auf den Tag, an welchem Joshua achtzehn Jahre alt wird, sodass wir gemeinsam ausziehen können und uns irgendwo eine gemeinsame Wohnung suchen können. Also alles ganz legal.
Natürlich würden wir in London bleiben, sodass er Matthew Johnson zu jeder Zeit besuchen und ich weiterhin mit meinen Freunden abhängen kann.
Ich möchte doch nur, dass er glücklich ist... aber ich weiß, dass es ein schwieriger Weg sein wird. Und ich habe leider keine Ahnung, wie ich ihm helfen kann.
Ich möchte, dass er sich wohl fühlt, selbst wenn es bedeutet, dass ich mich immer um ihn kümmern muss. Aber manchmal macht er es echt kompliziert, wie zum Beispiel mit seinen direkten Konfrontationen mir gegenüber.
Ich, als sein großer Bruder, mache es ihm mit meinem Verhalten ziemlich schwer, aber ich hoffe, er weiß trotzdem, wie lieb ich ihn habe.
Brüder gehören nun einmal zusammen. Das bedeutet, wenn er geht, gehe ich auch.
Ich wusste genau, wohin er gegangen ist, als er geschrieben hat, dass er zurück nach Hause geht. Und genau dort habe ich ihn dann wiedergefunden: an einem Ort voller Liebe und Erinnerungen, ein Ort voller Frieden und Harmonie.
Ich möchte ihm so gerne helfen, aber er lässt keinen an sich ran.
Nein, das stimmt so nicht. Matthew fucking Johnson ist der einzige, den er alles zu erzählen scheint.
Er ist der ,,heißeste Junggeselle" Londons. Er ist der Mann, der meinem Bruder ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann.
Ich und Tante Maggie sitzen gerade in der Küche in Maggies Haus und reden ein wenig, während Josh bei Matthew ist.
,,Ich hasse mich so sehr für das, was ich die ganzen letzten Wochen abgezogen habe.", sage ich ehrlich bedrückt.
,,Henry, Schatz, du konntest doch nicht wissen, dass er einfach abhauen wird. Keiner konnte das und keiner konnte ihn rechtzeitig aufhalten.", sagt sie mit einem typischen Ton, den nur Mütter draufhaben können.
,,Ihr kennt ihn aber nicht so, wie ich ihn kenne." Ich mache eine kurze Pause und fahre dann fort: ,,Wie ich ihn kannte. Er hat sich in der letzten Zeit sehr verändert. Seit dem Tod unsere Eltern haben wir beide uns verändert. Und ich habe Angst, dass es für immer so bleiben wird zwischen uns. Auch wegen der Anwesenheit zweier Mädchen, die geht unverschämt sein können. Tut mir leid, das sagen zu müssen."
Sie nickt einmal kurz und erwidert: ,,Ich weiß, Henry, und ich bestrafen die beiden jedes Mal für ihr Verhalten, aber das hält sie trotzdem nicht davon ab. Ich weiß echt nicht, was ich noch dagegen tun könnte."
,,Tante Mag-" Ich wurde von dem Geräusch einer sich öffnenden Tür unterbrochen. In der Hoffnung, dass Josh endlich zurückkommt, gehe ich langsam in den Flur, um ihn zu begrüßen.
Leider sind es niemand geringeres als Melissa und Sarah.
Na toll, gerade eben haben wir noch vom Teufel gesprochen und jetzt stehen sie hier.
Spürt ihr meine Freude?
,,Oh, du bist ja schon zurück. Das heißt, der Krüppel ist auch da, oder?", spottet Melissa auch sogleich und verzieht dabei ihr Gesicht zu einer hässlichen Fratze.
Das wars.
Ich springe auf sie zu, packe sie am Saum ihres Shirts und ziehe sie mit durch den Flur.
,,Ich schwöre dir, Melissa, wenn du Josh auch nur noch ein einziges Mal komisch ansiehst, reiße ich dir deine Extensions heraus und zeige jedem in deinem Umfeld, was für eine falsche Schlange du bist!", schreie ich sie wütend an und ihre Augen weiten sich erschrocken.
,,M-mum.", flüstert Melissa und ist jetzt den Tränen sehr nahe.
,,Du brauchst gar nicht angekrochen zu kommen, den Mist hast du dir selbst eingebrockt.", sagt Maggie kühl und ich jubel in Gedanken über ihre Worte.
Langsam drehe ich mich um und nehme mir Sarah vor.
,,Und du, krieg dein eigenes verdammtes Leben endlich in den Griff, bevor du auf anderes herumreitest."
Melissa und Sarah sehen sich sprachlos an und rennen dann halb weinend in ihre Zimmer.
Rund neunzig Minuten später wird die Tür erneut geöffnet und ich gehe wieder in den Flur.
Dieses Mal ist es wirklich Josh, der zur Tür hereintritt und schnell schließe ich ihn in eine feste Umarmung.
Ich weiß, er kann mich nicht hören, aber trotzdem flüstere ich ein ,,Es tut mir so leid" in sein Ohr.
Nach einer Weile, die für meinen Geschmack viel zu kurz war, lassen wir uns wieder los und ich zeige ihm eine Entschuldigung.
Gefühlt eintausend Emotionen zeigen sich in seinem Gesicht.
,,Ich vergebe dir. Mir tut es nämlich auch leid."
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The Deaf and The Rich | Deutsche Übersetzung
Teen FictionWas würdest du tun, wenn alles in deinem Leben schief geht? Nachdem ihm das Leben so richtig einen Arschtritt verpasst hat, beschließt Joshua Crane mit seinem Bruder nach London zu ziehen, um dort bei seiner Tante einen Neustart zu wagen. Zu Beginn...