Der Chemietest

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Der Wecker klingelt und mal wieder wache ich vollkommen übermüdet auf. Der Geruch von frischem Kaffe steigt mit in die Nase. Warte was? Mit einem mal bin ich hellwach. Kaffe? Das kann nicht sein. Niemand in diesem Haus trinkt Kaffe. Obwohl, doch. Meine Eltern trinken Kaffe, doch es würde ihnen nie im Leben einfallen welchen selber zu kochen. Sie würden sich einen auf dem Weg zur Arbeit holen. Also wer hat hier Kaffe gekocht? Leise krieche ich unter meiner Decke hervor und stehe vom Bett auf. Nur auf Zehenspitzen schleiche ich zur Tür. Ich versuche so leise wie möglich die Türklinke runterzudrücken. In der Hoffnung, dass die Tür nicht knarzt wenn ich sie aufmache. Ich hab Glück. Außer einem minimalen leisen Quitschen gibt die Tür kein Geräusch von sich. Beim runtergehen achte ich darauf am Rand der Treppe zu laufen, um möglichst keine Geräusche zu verursachen. Am liebsten hätte ich mich vorher noch mit einer Lampe oder so ausgestattet, aber ich find es dann doch zu übertrieben. Ich meine was für ein Einbrecher würde Kaffe in dem Haus kochen, das er gleich ausrauben will. Unten angekommen, schleiche ich an der Wand entlang und mache vor der Kuchentür, die offen steht, halt. An die Wand gedrückt schleiche ich noch etwas weiter und beuge mich leicht vor um, so wie ich hoffe, unauffälig einen Blick in die Küche zu werfen. Nicht nur, dass auf dem Küchentisch eine Tasse mit frischen Kaffe steht, außerdem steht in der Mitte des Tisches eine Schüssel mit, so wie sie riechen, frischen Croissants. Ist das daneben Obstsalat? Okay, hier ist eindeutig etwas faul. Das meine Eltern sich Kaffe kochen, wäre vielleicht noch realistisch gewesen, aber Croissants und frischer Obstsalat? Ich wage mich aus meiner Deckung hervor und machen einen Schritt in die Küche. Mit schnellen Schritten gehe ich zum Tisch und schnappe mir ein Croissant. "Finger weg, Fräulein." höre ich jemaden hinter mir sagen. Ich drehe mich um und lasse vor Schreck das Croissant fallen. Ich starre ihn einfach nur mit weit aufgerissenen Augen an. Ich merke gar nicht, dass mein Mund weit offen steht. Erst als er :" Mund zu, so überascht kannst du doch gar nicht sein." sagt, schließe ich ihn. Vor mir steht Mr. Cumberbatch. Er trägt eine Jogginghose? Mein Gehirn kann die Information gerade irgendwie nicht ganz verarbeiten. Ich hab das Gefühl die Informationen kommen alle langsamer bei mir an und statt Antworten zu liefern, tauchen in meinem Kopf nur ziemlich viele Fragen auf. Ich starre ihn einfach nur weiter an, was er scheinbar ziemlich lustig findet. Er kommt einen Schritt auf mich zu. Dann noch einen und noch einen. Er kommt immer näher und ich gehe aus Reflex einen Schritt nach hinten. Doch er bleibt nicht stehen, also laufe ich weiter rückwärts. Plötzlich berührt mein Rücken die Wand. Als ich seinen Atem schon spüren kann, bleibt er endlich stehen. "Du siehst süß aus, wenn du verschlafen und verwirrt bist." sagt er und schaut mich an. Ganz langsam beugt er sich nach vorne und ich mache mich schon darauf gefasst, dass unsere Lippen sich berühren, doch dann hält er inne. Ich schaue ihn fragend an und er sagt: " Du weißt, dass das falsch ist. " Er schaut mich lächelnd an und seine Augen funkeln. Er streicht mir eine Strähne hinters Ohr und meint:" Du solltest lieber aufwachen, bevor du etwas träumst, das du bereuhen könntest."
Warte was??? Ich schrecke hoch. Es dauert ein bisschen, bis ich mir meiner Umgebung bewusst werde. Ich befinde mich nicht in der Küche, sondern sitze hochkant in meinem Bett. Ich schließe die Augen und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. "Ahhhhh." schreie ich. Zum Glück ist keiner zu Hause. Was träum ich nur für Sachen und vorallem wieso war dieser Traum so real? Auf einmal steigt mir ein Geruch in die Nase. Kaffe! Innerhalb einer Sekunde rast mein Herz und ich bekomme Panik. Das ist jetzt nicht wahr. Das bilde ich mir nur ein. Es kann hier gar nicht nach Kaffe riechen. Genau wie in meinem Traum stehe ich auf und schleiche zur Tür. Auch diesmal nur ein leises Knarzen. Ich fühle das Blut durch meine Adern strömen und nach und nach erreichen mich Wellen von Adrenalin. Unten angekommen schließe ich kurz die Augen, bevor ich in die Küche schaue. Nein, nein, nein, dass darf jetzt nicht wahr sein. Da stehen Croissants, aber wo ist der Obstsalat. Ha! Kein Obstsalat, also nicht wie im Traum. Erleichtert gehe ich in die Küche. Ohne weiter nachzudenken setzte ich mich an den Tisch und nehme mir ein Croissant. "Die schmecken wirklich erstaunlich gut."denke ich, während ich so auf dem Croissant rumkaue. Langsam beruhigt sich mein Herzschlag wieder, doch dann höre ich Schritte in Richtung Küche kommen. Ich mache mich innerlich schonmal bereit, dass Mr.Hot gleich in meiner Küche steht und mich im Pyjama vorfindet, aber durch die Tür kommt mein Dad. Erleichtert, aber gleichzeitig ein kleines bisschen enttäuscht atme ich aus. "Du guckst ja verschreckt. So schlimm, dass ich Croissants geholt habe?" fragt er lachend. "Nein, ich bin nur leicht überrascht. Was machst du noch hier?" frage ich ihn. "Ich dachte mir ich mach dir ein Frühstück bevor ich zur Arbeit fahre. Als Entschuldigung, dass wir dich so lange allein gelassen haben."
"Das waren doch nur ein paar Tage." sage ich. "Warum hast du vorhin eigentlich geschrien?" fragte er mich, während er sich Kaffe in seine Tasse nachfüllt. "Albtraum." sage ich nur. "Danke Dad, für die Croissants die sind echt lecker." meine ich und nehme mir noch ein weiteres. "Kein Problem. Sag mal hast du heute erst zur Zweiten oder wieso bist du jetzt erst aufgewacht, ich meine es ist schon 7.50 Uhr."
"Scheiße, scheiße, scheiße." antworte ich nur. Ich springe vom Stuhl auf und hetze die Treppen hoch und renne sofort in mein Zimmer. Ich schnappe mir eine Jeans, T-Shirt und Pulli und laufe dann auch schon wieder aus dem Zimmer, um dann doch nochmal auf dem Absatz kehrt zu machen und mir eine Jacke aus meinem Schrank zu schnappen. Im vorbeigehen nehme ich auch noch meinen Füller, der auf meinem Schreibtisch liegt mit. Ich renne nach unten und will gerade das Haus verlassen, da ruft mein Vater:" Hey warte, ich fahr dich." Er wirft mir die Autoschlüssel zu und ruft:" Setzt dich schon mal, ich hol noch meine Laptop.
Als er ins Auto einsteigt, sieht er nicht mehr aus, wie der Mann der heute morgen Croissants für seine Tochter geholt hat, sondern wieder wie der tüchtige Geschäftsmann von nebenan. Seine Aktentasche reicht er mir. Auf dem Weg zur Schule starre ich die gesamte Zeit auf die Uhr. Ich hab das Gefühl die Zeit rast immer schneller. Als wir endlich vor der Schule halten habe ich noch eine Minute. "Danke Dad." sage ich und renne los. Dann fällt mir ein, dass ich Dad's Aktentasche in der Hand halte, also renne ich zurück zum Auto, um dann im vollsprint zum Chemieraum zu hetzen. Genau beim Klingeln betrete ich den Raum. Zwar extrem hächelnd und verschwitzt, aber wenigstens nicht zu spät. "Ich dachte schon du kommst nicht." meint Clara. " Hab verschlafen." erkläre ich. Herr Bergmann betritt den Raum und in seiner Hand hält er schon die Tests. "Guten morgen Klasse. Ich habe mir erlaubt aus unserem Test eine Klausur zu machen. So oder so musstet ihr lernen, also macht es keinen großen Unterschied. Ihr habt die gesamte Stunde zeit. Viel Glück. "
Ist das sein ernst? Eine Klausur, ist keinesfalls mit einem Test zu vergleichen. Eine Klausur zählt nicht nur viel mehr mit in die Note, sie ist außerdem schwerer und länger. Sobald das Blatt vor mir liegt, habe ich das Gefühl nicht atmen zu können. "Ich bin nicht auf eine Klausur vorbereitet. Ich bin nicht auf eine Klausur vorbereitet. Ich bin nicht auf eine Klausur vorbereitet." Der Satz läuft in meinem Gehirn auf dauerschleife. "Du kannst das." höre ich eine vertraute Stimme sagen. Ich schaue vom Blatt auf und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Er ist nicht hier, also wieso habe ich ihn gehört? "Jetzt fang schon an Emilia, dafür haben wir die letzte Woche lang gelernt." schon wieder höre ich Mr.Hots Stimme in meinem Kopf und er hat recht. Ich glaub ich werd langsam verrückt. Ist ja gruselig, dass ich mir seine Stimme einbilde. Trotzdem hat seine Stimme recht, ich kann jetzt nicht einfach die gesamte Stunde auf das leere Blatt starren. Ich muss wenigstens versuchen die Aufgaben zu lösen und zu beantworten.

Benedict Cumberbatch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt