Es war früh am Morgen. Mit einer dampfend heißen Tasse Tee, hatte ich es mir auf der Couch bequem gemacht. Der Traum von letzter Nacht ging mir richtig nach. Meine Augen brannten und die Erschöpfung machte mir langsam zu schaffen. Es war schon so lange her, dennoch verfolgte es mich. Behutsam nahm ich einen Schluck aus der Tasse.
Normalerweise half die Arbeit, ein gutes Buch oder ein Film mich abzulenken. Zu meiner rechten lag ein Buch von Machiavelli. Ich bin nur ein paar Seiten weit gekommen, doch der letzte Satz sagte so viel aus. Eine Veränderung bewirkt stets eine weitere Veränderung.
Mir war bewusst, dass ich nichts dafür konnte und ich meinen Blick nach vorne richten musste. Trost fand ich in dieser Erkenntnis leider nur wenig. Frustriert stand ich auf. Ich musste etwas tun. Vielleicht half doch Arbeit etwas darüber hinweg. Es mussten noch einige Unterlagen für die kommenden Kurse vorbereitet und einige Präsentationen zusammengestellt werden. Eine halbe Stunde später, war ich wieder genau bei demselben Punkt angekommen. Heute gelang mir wirklich gar nichts. Ich lehnte mich im Schreibtischstuhl zurück und schloss die Augen.
Heute Vormittag waren keine Kurse angesetzt. Das bedeutete Freizeit für mich. Der Kurs den ich so herbeisehnte, fand erst am kommenden Freitag statt. Lynn. Diesmal wollte ich sie nicht aus meinen Gedanken verbannen. Sie war eine willkommene Abwechslung. Am Vorabend war ich wie sooft spät vom Campus nachhause unterwegs. Es regnete in Strömen und es war bitter kalt. Um abzukürzen, führte mich mein Weg zu einer schmalen Seitengasse. Kaum Beleuchtung, ekliges Wetter und eine schmuddelige Gasse. Wenn das nicht der perfekte Ort für einen Thriller wäre?
Wie auf Stichwort, sah ich eine zierliche Gestallt am Ende der Gasse auftauchen. Vom Körperbau musste es eine Frau sein. Sie hatte den Kopf gesenkt und die Arme schützend vor sich verschränkt. Eiligen Schrittes kam sie auf mich zu. So ziemlich in der Mitte der Gasse erkannte ich in dem spärlichen Licht, wer es war. Ich grüßte Lynn und fragte ob alles mit ihr in Ordnung wäre.
Völlig verschreckt stieß Lynn einen Fluch aus. Einige Schritte wich sie zurück. Der Schreck saß tief und sie wirkte sehr blass. Mir entging nicht, dass sie sich nur mühsam beruhigte. Beschwichtigend hob ich meine Hände und entschuldigte mich bei ihr. Lynn versuchte die Situation runterzuspielen und schob es auf den Ort. „ Das glaube ich Ihnen gern! Diese Ecke ist sehr dunkel und es gießt in Strömen. Wie kommt es, dass Sie alleine hier unterwegs sind?", fragte ich besorgt.
„Ich komme von der Arbeit. Meinem Nebenjob....", bestätigte Lynn. „Ach sie arbeiten nach dem Studium? Das ehrt Sie.", merkte ich an. Ein zartes Lächeln zeichnete sich auf Lynns Gesicht ab. „Ja... Das habe ich auch ihnen zu verdanken.", antwortete sie. Es trat wieder dieser besondere Ausdruck in ihren Augen. Ich konnte es noch nicht so richtig deuten, dennoch machte mein Herz ein Sprung. Warum war ich dafür verantwortlich? Lynn erklärte mir, dass ich ihr den Tipp gegeben hatte, von der Ausschreibung der Stelle. Diese Aussage erfüllte mich mit Stolz, aber auch mit Unbehagen. Sie war sehr spät Unterwegs. Als Frau war es nie sicher zu dieser Stunde. Sie musste in Zukunft diesen Weg öfter gehen. Alleine.
Der Regen wurde stärker und Lynn presste ihre Arme noch enger an sich. „ Ich gehe lieber schnell nach Hause...", verabschiedete Lynn sich von mir. Ich konnte sie nicht aufhalten. Mir war alles lieber, solange sie hier nicht länger verweilte. Zweifel stiegen in mir auf. Ich konnte sie nicht begleiten. Das konnte nur falsch aufgefasst werden. Lynn hatte bereits das Ende der Gasse erreicht, als ich sie ein letztes Mal bei ihrem Namen rief.
„ Sind Sie sicher, dass... Ist es in Ordnung, wenn Sie alleine gehen? Ich möchte nicht...", kam es mir nur zögernd über die Lippen.
Sie drehte sich noch einmal zu mir um. In ihrer Stimme war nun ein sichererer Unterton zu hören, doch ihre Anspannung war dennoch spürbar. Lynn musste mir versprechen am kommenden Freitag in meinem Kurs wohlbehalten da zu sein. Mehr konnte ich nicht verlangen. Resigniert setzte ich meinen Weg fort. Hoffentlich passierte ihr nichts.
Den restlichen Weg Nachhause, war ich erfüllt von den Gedanken über Lynns Wohlbefinden. Und schon wieder stieg die Sorge um sie in mir auf. Ich massierte meine Stirn mit den Fingern. Der Druck in meinem Kopf nahm langsam ab. Was konnte ich tun, um sie besser zu beschützen, ohne dass ich Anwesend war? Warum beschäftigte es mich immer mehr? Arg... Weiter darüber nachzugrübeln brachte mir nichts. Aber man konnte etwas dagegen unternehmen. Ein Plan musste her und ich wusste genau was zu tun war. Auf meinem Laptop recherchierte ich schnell etwas nach und machte mich anschließend auf den Weg in die Stadt.
Als ich das Geschäft betrat, viel mein Augenmerk auf die riesige Auswahl von Angelzubehör, Camping und grillen. Etwas deplatziert kam ich mir hier vor, aber ich hatte ein Ziel. Mehr als zehn Minuten durchstöberte ich die Abteilungen. „ Guten Morgen der Herr! Kann ich Ihnen behilflich sein?", sprach mich eine Verkäuferin mittleren Alters an.
Kundig schaute sie mich an und Begriff sofort, dass ich etwas verloren war zwischen all diesen Abteilungen. „Ihrem Gesichtsausdruck zu entnehmen, suchen Sie etwas bestimmtes?", lächelte Sie mich dabei freundlich an. "Ja. Das haben Sie richtig erkannt. Ich suche ein Pfefferspray.", erwiderte ich. „Dann folgen Sie mir unauffällig. Ich zeige Ihnen was wir im Sortiment haben.", gab Sie humorvoll zurück. Endlich standen wir vor dem besagten Regal. Die Verkäuferin gab mir noch ein paar Ratschläge zur Handhabung.
„Kann ich Sie noch etwas persönliches Fragen?", fragte sie mich etwas zögerlich. „Natürlich, um was geht es?", ich war verwirrt. „ Meiner Meinung nach sehen Sie nicht so aus, als würden Sie so etwas benötigen. Kann das sein?"
Ich räusperte mich und wurde dabei etwas verlegen:," Es ist für eine ....Bekannte. Sie ist oft alleine Unterwegs, und da dachte ich...!" „ Da haben Sie richtig gedacht. Ich denke Ihre Bekannte wird das zu schätzen wissen.", ermutigte Sie mich. An der Kasse bezahlte ich und die Verkäuferin packte mir noch ein kleines Geschenkband dazu ein. „ Wenn sowas von Herzen kommt, braucht so etwas besonders noch ein kleines I- Tüpfelchen.", zwinkerte Sie mir verschmitzt zu.
Als ich aus dem Laden trat, viel die Anspannung von mir ab. Es war ein kleines Geschenk, das weder falsch aufgefasst noch zu aufdringlich war. Lynn ist meine Studentin und ich hatte Verantwortung zu tragen.
Die kleine Schleife war einfach zu süß. Schmunzelnd dachte ich an den Gesichtsausdruck den Lynn machen würde, wenn sie es annahm. In Gedanken malte ich mir aus, wie ich es ihr nach einer Vorlesung gab. Das es anders kam, zeigte nur wie das Leben als spielen konnte.
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A different view (Rayan Zaidi FF)
Fanfiction„Ab dem heutigen Semester, bin ich Ihr neuer Professor für moderne Kunstgeschichte. Mein Name ist Rayan Zaidi." Die ersten Gedanken die ich zu seiner Person hatte waren ideenreich, pflichtbewusst, selbstkritisch, strategisch, verantwortungsbewusst...