Wenn mich irgendjemand an diesem Wochenende vorgewarnt hätte. Wenn ich doch nur auf meine innere Stimme gehört hätte. Dann wäre ich nicht in ein solches Schlamassel geraten. Aber erst mal zu dem Anfang dieser Misere.
Den Samstagmorgen verbrachte ich mit Grübeleien, Vermutungen und dem auf und abwandern in meiner Wohnung. Eine Antwort fand ich immer noch nicht. Zu meiner Überraschung, hatte ich dafür gut geschlafen. Das erste Mal, seit sehr langer Zeit. Wieso und warum, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollziehen.
Der Klingelton von meinem Handy riss mich aus meinen Gedanken. Auf dem Display wurde mir die Nummer des Sekretariats der Universität angezeigt. Es musste etwas dringendes sein. Gerade an einem Wochenende. Seufzend nahm ich den Anruf entgegen.
„Guten Morgen, Herr Zaidi! Ich bin froh Sie zu erreichen." Am anderen Ende war die aufgeregte Stimme von Melody zu hören. „Ja, Melody. Was gibt es?", fragte ich. "Ich habe ein Problem, mit den Ausarbeitungen für die nächsten Kurse. Leider wusste ich mir nicht weiter zu Helfen. Es tut mir Leid, dass ich Sie störe...."
Irritiert unterbrach ich sie:," Nein, alles in Ordnung. Ich kann etwas Zeit erübrigen." „Prima! Können Sie zu der Universität kommen Professor? So in zwei Stunden?", erwiderte Melody sichtlich erleichtert.
Nur widerwillig stimmte ich ihr zu. Es war meine Pflicht, ob ich es wollte oder nicht. Verdrossen machte ich mich fertig.
Zwei Stunden später, betrat ich aufs Neue den Ort, den ich lieber mied. Als ich durch den Eingang der Fakultät trat, konnte ich nur an Lynn denken. War sie genauso Aufgewühlt wie ich? Oder wollte sie es lieber vergessen? Fragen über Fragen. Und keine Antworten.
Melody wartete wie verabredet vor meinem Büro. „Hallo, Professor! ich bin so froh, dass Sie kommen konnten. Es tut mir leid, Sie an diesem Wochenende zu belästigen,... Doch ich wusste wirklich nicht weiter!", wandte sich Melody an mich. „Jetzt beruhigen Sie sich erst mal Melody. Am besten setzen wir uns in das Büro. Dann können Sie mir alles in Ruhe erklären.", redete ich beruhigend auf sie ein.
Die nächsten Minuten hörte ich mir die Sachlage an. Sie hatte auf ihrem Laptop neuen Updates gezogen. Dabei sind einige wichtige Dokumente gelöscht worden. Darunter auch wichtige Unterlagen, zu meinem Kurs. Eingeschüchtert wartete Melody meine Reaktion ab.
„Gut. Ich schlage vor, dass Sie Ihren Laptop zur Reparatur bringen. Den Rest werden wir wohl improvisieren müssen. Bis die Daten wieder hergestellt worden sind.", formulierte ich meine Antwort so gefasst wie möglich. Bestürzt schaute mich Melody mit weit aufgerissenen Augen an. Mit dieser Reaktion hatte ich bei ihr nicht gerechnet. Verwirrt beobachtete ich das weitere Mienenspiel.
Melody brach in Tränen aus und schlug die Hände vor das Gesicht. Ihr Weinen wurde immer heftiger. Ich hatte Erleichterung bei ihr erwartet. Jedoch nicht so etwas. Fieberhaft suchte ich nach einem Taschentuch. „Warum sind Sie immer so nett? Wieso sind Sie nicht böse... auf mich?", stammelte meine Assistentin zwischen den Weinkrämpfen. Da war also das Problem. Melody hatte sich wie erwartet zu sehr Unterdruck gesetzt. Jetzt brach alles aus ihr heraus.
In meiner Schublade fand ich endlich ein Tempo und gab es ihr. Völlig aufgelöst griff Melody danach. Unsere Hände berührten sich dabei flüchtig. Wie erstarrt hielt Melody in der Bewegung inne. Ihre großen Augen wanderten von ihrer Hand, zu meinem Gesicht und wieder zurück. Verstohlen wand sie sich von mir ab. Das Weinen wurde immer weniger und versiegte anschließend. Mir war die ganze Sache sehr unangenehm. Mein Gefühl sagte mir zu gehen. Doch mein Pflichtgefühl, gegenüber meiner Studentin lies mich bleiben.
Das Büro kam mir plötzlich viel zu klein vor. Reflexartig machte ich eines der Fenster auf. Frische Luft strömte in den Raum. Etwas leichter konnte ich wieder Atmen. Um die nötige Distanz zu gewinnen, setzte ich mich an den Schreibtisch. Mühsam gewann meine Assistentin ihre Fassung wieder.
„Es ist Ärgerlich. Da gebe ich Ihnen Recht. Doch was bringt es, sich darüber Aufzuregen? Und Sie haben sich schon genug Vorwürfe gemacht. Das ist schon Schlimm genug für Sie. Ich habe noch einen Teil der Unterlagen gespeichert. Mit etwas Glück, können die Daten gerettet werden. Ansonsten heißt es Überstunden schieben. Da müssen wir dann beide rann.", versuchte ich Melody wieder aufzubauen.
Mit dem zerknautschten Taschentuch versuchte Melody, ein paar Tränen weg zu wischen. Ihr Make Up war komplett hinüber. Ich gab Ihr noch den Rat, sich frisch zu machen. Mit zittriger Stimme bedankte sie sich bei mir und stand auf. Wir vereinbarten, uns am Sonntag noch kurz zu treffen.
Den restlichen Tag verbrachte ich mit meinem Laptop, zwei Litern Kaffee und meiner Playlist. Nicht gerade die beste Ablenkung, aber immerhin war es besser als nichts.
Am nächsten Tag, wieder in der Uni. Diesmal nahm ich eine Veränderung an Melody wahr. Sie trug ihr Haar anders als sonst. Dazu hatte sie noch ein viel zu süßes Parfüm aufgelegt. Mein inneres Stimmchen meldete sich wieder. Doch das bildete ich mir sicher nur ein. Vielleicht traf sie noch jemanden. Wir gingen in die Bibliothek.
Ich hatte bis in die Nacht gearbeitet, jedoch konnten sich die Ergebnisse sehen lassen. Melody war auch nicht untätig geblieben. Stolz zeigte sie mir ihre Version. Es war eine radikal veränderte Ausführung meines Kurses. Es wiedersprach all meinen Herangehensweisen, die ich vertrat. Ihr ehrgeiziges Lächeln, stand im krassen Gegenzug zu ihrer sonst stillen Art.
Wie sollte ich das nur lösen? Der Enttäuschung freien Lauf zu lassen, wäre eine Option gewesen für mich. Nachdem was ich gestern erlebt hatte, versuchte ich meine Worte mit Bedacht zu wählen. Immer mehr verschwand das Lächeln aus Melodys Gesicht.
Meinen Erläuterung zu folge, fand ich ihre Ansätze nicht passend zu meinen Lehrmethoden. Je mehr ich es ihr versuchte klar zu machen, desto mehr schottete sie sich ab. Der Gefühlsausbruch den Melody ergriff, war für mich ein Schlag in das Gesicht.
„Wie können Sie so etwas nur sagen? Ich gebe alles. Und noch mehr! Ich möchte nur das Beste für Sie und die Fakultät leisten. Wie können Sie es nur wagen mich in Frage zu stellen!?!", polterte Melody los. Einlenkend erhob ich das Wort, bloß kam ich nicht weit. „Ich habe gedacht, meine Leistungen bedeuten Ihnen was, dass ich dir etwas bedeute...."
Betroffen schaute mich Melody bei diesen letzten Worten an. Wenige Augenblicke realisierten wir beide, was sie da genau ausgesprochen hatte. Hals über Kopf raffte sie ihre Sachen zusammen und rannte Richtung Ausgang. Völlig fertig lies ich mich auf den Stuhl zurück fallen. Es waren keine anderen Personen da, dass sich nur als glücklichen Zufall herausstellte.
Das ich ihr etwas bedeutete.... Erst die Sache mit Lynn und jetzt das gerade eben. Wut packte mich. Zornig fegte ich meine Sachen vom Tisch. Ich bin zu weit gegangen. Meine Lehrmethoden, die Nahbarkeit zu meinen Schülern und meine Momente der Schwäche haben diese Fehler zugelassen. Das Verhalten von Melody war ein Fehler. Meine Einstellung zu Lynn... war ein Fehler.
Ich starrte auf die Hand, die Lynn das letzte Mal gehalten hatte. Und ballte sie zur Faust. Die Entscheidung stand fest. Ein klärendes Gespräch musste ich mit Melody führen. Ob es mir passte oder nicht, auch meinen Unterricht musste ich in Zukunft anders gestalten.
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A different view (Rayan Zaidi FF)
Fanfiction„Ab dem heutigen Semester, bin ich Ihr neuer Professor für moderne Kunstgeschichte. Mein Name ist Rayan Zaidi." Die ersten Gedanken die ich zu seiner Person hatte waren ideenreich, pflichtbewusst, selbstkritisch, strategisch, verantwortungsbewusst...