Der Zauber des Augenblicks

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Ein lautes Poltern riss mich aus meinem Schlaf. Wie? Wo? Was zum... Eines der Fenster war weit geöffnet und schlug heftig wieder zu. Die Bücher lagen kreuz und quer auf dem Boden verstreut. Fluchend machte ich mich dran, dass Fenster zu schließen. Es ging einfach nicht zu! Mit einem kleinen Kraftaufwand, gelang es mir letztendlich. Den ganzen Tag war es warm gewesen, aber das hatte sich geändert. Es war kalt in meiner Wohnung, ziemlich unangenehm musste ich gestehen. Nach diesem kleinen Schreck, konnte ich mich nur an einige Bruchstücke meines Traumes erinnern.

Eine Sekunde, nachdem ich aufgewacht war, sah ich die Bilder noch schemenhaft vor mir. Gleichwohl, wurden sie mir wieder entrissen. „Musste es ausgerechnet jetzt passieren?", gab ich genervt von mir. Die letzten Bücher hob ich auf und legte sie zurück auf die Fensterbank. Eine Tasse Tee später, versuchte ich mich so gut es ging zu entspannen. Es sollte mir dabei helfen, mich besser daran zu erinnern. Am Ende, fand ich mich einfach damit ab. Mit etwas Glück, sollte die Erinnerung von ganz alleine zurückkommen.





Es war Freitag. An diesem Nachmittag, erledigte ich meine letzten Einkäufe, in der Stadt. Auf meinen gewohnten Weg, schaute ich noch bei Leigh vorbei. Seit ich meinen Anzug bei ihm gekauft hatte, ging ich seinem Laden ein und aus. „He, Rayan! Schön dich wieder zusehen. Suchst du was Bestimmtes?", begrüßte mich Leigh, als ich den Laden betrat. Freundlich erwiderte ich: „Hi Leigh. Ich bin gerade hier vorbei gekommen und dachte ich sage mal Hallo."

Er ordnete gerade ein paar Flyer an der Kasse, als ich näher trat. „Nicht schon wieder!", dachte ich mir. Es waren die Flyer von dem Surfwettbewerb. Sie schienen mich überall zu verfolgen. Leigh bemerkte meinen Blick:" Ja, ich weiß. In der Stadt, ist es das Thema. Eine alte Freundin von Rosa kam vorbei und hat sie da gelassen."
„Geht ihr hin?", fragte ich ganz beiläufig. „Ja. Rosa und ich, sind mit einigen Leuten dort verabredet. Wenn du willst, kannst du dich uns gerne anschließen.", erkundigte Leigh sich bei mir. Ich Seufzte tief: „Um ehrlich zu sein, ist der Strand nicht gerade mein Lieblingsort."

„Denkst du mir geht es anders? Rosa kennst du ja noch nicht so lange, aber wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat..."
„Kennen sie kein Erbarmen. Typisch Frauen.", gab ich lachend von mir. In der Hinsicht konnte ich ihm nur nachfühlen. Leigh fuhr mit seiner Erläuterung fort:" Es werden hauptsächlich die Freundinnen von Rosa dabei sein. Ich hatte meinen Bruder darum geben, mich „zu unterstützen", doch er meinte er hätte zu viel zu tun."
Ich verschränkte meine Arme. Erst die Ansprache von Kim, die vielsagende Antwort von Lynn und jetzt die Bitte von Leigh. „Schon gut, schon gut. Ich komme mit. Vielleicht wird es doch noch Lustig." Skepsis lag in meiner Stimme. Die Haltung von Leigh entspannte sich merklich. „Da hast du auf jeden Fall, etwas gut bei mir. Danke."
„Keine Ursache. Vielleicht tut es mir auch gut, mal auf andere Gedanken zu kommen." Wissend schaute mich Leigh an, ungeachtet dessen fragte er nicht weiter. „Ansonsten, an der Uni hast du dich schon gut eingelebt?" „Kann man so sagen. Es ist einiges an Arbeit, trotzdem hab ich meine Freude daran." sagte ich nur dazu. „Gut. Wo treffen wir uns am Strand?"
„Am besten an der Strandbar. Rosa und ich werden so gegen Mittag dort sein. Wir sehen uns." antwortete Leigh sichtlich erfreut.






Das Wochenende stand an. Was sollte ich nur anziehen? Auch wenn es über Tag warm war, abends wurde es dennoch frisch. Die erste Idee, ein legeres Outfit zu tragen, verwarf ich wieder. Letztendlich blieb ich an meiner gewohnten Kleidung hängen.
Heute war es die Gelegenheit, eine kleine Spritztour zu unternehmen. Mein Auto stand in der angemieteten Garage. Ich nutzte es für weitere Strecken oder wenn irgendwelche Konferenzen anstanden. Nachdem ich hierher zog, war es eine gute Wahl, dieses Auto zu kaufen. Es war ein Renault Mégane Grandtour, Schaltgetriebe, 140 PS und in meiner Lieblingsfarbe Iron-Blau. Wenn schon, denn schon.

Zügig fuhr ich auf die Straße. Immer weiter ließ ich die Stadt hinter mir zurück. Die Landschaft veränderte sich. Nur ein paar vereinzelte Häuser standen noch in der Umgebung. Ich freute mich darauf, endlich mal wieder raus zu kommen. In diesem Punkt, sollten meine Mitmenschen Recht behalten. Nach gerade einer halben Stunde, erreichte ich mein Ziel. Nicht weit vom Strand, befand sich der Parkplatz, auf dem ich mein Auto abstellte.

Dieser war bereits voll, es musste gefühlt die halbe Stadt hier sein. Das hieß auch für mich, dass ich einigen meiner Studenten über den Weg laufen würde. Oder auch...
Kaum war ich aus dem Auto gestiegen, sah ich sie schon von weitem. Sie lehnte sich gegen ein Geländer und schaute Richtung Meer. Nur mit kurzen Shorts, einem Oberteil und Sandalen bekleidet, war Lynn perfekt für einen Strandtag gekleidet. Ihre Haare waren leicht gesteckt und einzelne Strähnen fielen locker hinunter. Sie war einfach nur süß. Wenn es sich gelohnt hatte hierher zu kommen, dann nicht nur wegen dieser einen Aussicht. Sie drehte sich zu mir um, während ich sie begrüßte.

Dieses Outfit war nicht nur süß, sondern auch sexy. Der Ausschnitt gab mehr von ihren Rundungen Preis, als sonst und erst die langen Beine. Wo sollte ich nur hinschauen? Mein Mund wurde trocken. Zwanghaft richtete ich meine Augen auf ihr Gesicht. Nichtsdestotrotz, erwiderte sie meinen Blick: „Ich habe den Eindruck, die ganze Stadt hat sich heute hier versammelt. Ich treffe ständig Leute, die ich kenne. Leigh hat gesagt er hätte Sie eingeladen?"

Sie lehnte sich wieder gegen das Geländer und legte ihren Kopf etwas schief. Fragend musterte sie mich. Sie kannte Leigh? Und auch Rosa? Das hieß, ich hatte die Möglichkeit mit ihr etwas Zeit zu verbringen. Ihre Frage bejahrte ich am Ende. Die Stadt war wirklich klein. Sie fragte mich, ob wir uns schon länger kannten, dass ich allerdings verneinte.
„Ich denke, es ist noch etwas früh, um wirklich von Freundschaft zu sprechen, aber er gehört zu den wenigen Personen, mit denen ich mich in der Stadt unterhalte.", gab ich Lynn gegenüber ehrlich zu.
„Sie haben hier keine anderen Freunde?"

Bei dieser direkten Frage wusste ich nicht mehr, was ich darauf Antworten sollte. Peinlich berührt suchte Lynn nach einer Entschuldigung. Doch sie hatte damit Recht. Aufrichtig räumte ich ein, dass ich bis jetzt noch niemanden kannte. Leigh oder auch Kim, waren die einzigen mit denen ich außerhalb der Universität zu tun hatte.

Lynn bekräftigte die Wahl meiner Verbindungen. Leigh war ruhig und freundlich. Den Gedanken, warum er mich überhaupt heute eingeladen hatte, behielt ich wohlweislich für mich. Vorwitzig war es nun an mir, Lynn einige Fragen zu stellen. Neugierig erkundigte ich mich, ob sie schon mal hier gewesen war. Wie es sich herausstellte, war Lynn als Schülerin vor langer Zeit da gewesen. Nachdenklich runzelte sie dabei ihre Stirn.

Ich trat etwas näher. Zögernd stützte ich mich auf dem Geländer ab und lies meinen Blick über den Strand schweifen. „Ich hätte nicht gedacht, dass es am Stadtrand so schön ist." Mit diesen Worten, wand ich meinen Blick wieder Lynn zu. Das zauberhafteste das ich allerdings sah, war nur sie.

So Gedanken verloren, nahm sie auch dieses versteckte Kompliment nicht war. Wie man nur so unschuldig, gleichzeitig doch so verboten sein konnte. Ich verstand es einfach nicht. Genau das, machte den Reiz an Lynn einfach aus. „Es ist zwar schön hier, aber ich mag auch die Berge. Leider gibt es hier in der Nähe keine.", beteuerte Lynn.
„Endlich jemand der mich versteht.", gab ich lachend von mir: "Normalerweise, mag ich den Strand nicht besonders. Heute habe ich eine Ausnahme gemacht. Ich würde dass alles hier eintauschen, gegen einen Bergsee und einer kleinen Hütte."
„Das kann ich gut verstehen. Die großen Berge und die Stille. Man fühlt sich so unbedeutend. Klein. Und doch ist man ganz bei sich."

Lynn wirkte bei diesen Worten, ganz der Welt entrückt. Für eine Sekunde, wollte ich sie berühren. Es schien mir so natürlich, so gewohnt, so vertraut. Meine linke Hand war mitten in der Bewegung, indes Lynn sich aufraffte und sich auf den Weg zum Strand machte. Schnell zog ich meine Hand zurück.

„Aber, auch der Strand hat seinen Reiz. Sollen wir gehen?" forderte Lynn mich auf. „Das glaube ich ihnen gern. Dann folge ich Ihnen und Sie zeigen es mir." Wir gingen die Holztreppe gemeinsam hinunter. Diese Anlage musste erst vor einigen Jahren entstanden sein. Es war sauber und vor uns breitete sich ein klassischer Sandstrand aus. Mühevoll, versuchte ich genügend Abstand, zwischen Lynn und mir zu schaffen. Circa zwei Schritte blieb ich hinter ihr zurück, allerdings verschaffte es mir einen schönen Ausblick auf ihre Kehrseite.

Dieser Ausflug wurde besser und besser. So langsam kamen mir Zweifel, diese Aussichten mit einem Bergsee zu tauschen. Der Strand war so gut wie leer. Nur das Rauschen der Wellen und die Musik von der Strandbar waren zu hören. „Es ist lange her, das ich mal etwas anders gemacht habe, als den ganzen Tag über meinen Kunstbüchern zu sitzen."
Lynn blieb stehen und wandte sich zu mir um. „Ach, ja? Es tut gut, ab und zu einmal etwas anderes zu unternehmen." „Nicht nur ab und zu. Es tut gut, jemanden zu treffen, der solche Dinge zu schätzen weiß." Noch etwas länger hätte ich gerne mit Lynn Zeit verbracht. Entschuldigend gab ich an, dass Leigh mich bereits erwartete. Hoffnungsvoll fragte ich sie, ob sie mich begleiten wollte.

Freudestrahlend erklärte sie sich dazu bereit. Lynn ging voraus. Und wieder konnte ich den herrlichen Ausblick genießen. Es war nicht weit. Leigh und Rosa saßen bereits an einem großen Tisch. Hier an der Strandbar, war alles voller Leute. „Hallo ihr beiden. Hier scheint schon einiges los zu sein.", begrüßte ich Leigh und Rosa. „Ja und ich fürchte, es wird noch viel voller werden!", antwortete Leigh amüsiert. Rosa machte mir Platz, so dass mich neben sie setzen konnte. Nur Lynn blieb verunsichert stehen.

„Na Lynn, was machst du?", fragte Rosa ihre Freundin. „Du kannst dich neben Rayan setzen. Ich gehe uns etwas zu trinken holen." Leigh stand währenddessen auf. Ohne viel Aufhebens zu machen, schob ich den Stuhl neben mir auf die Seite. So konnte sich Lynn besser hinsetzen. „Ja setzen Sie...Setz dich. Was möchtest du trinken?" Unentschlossen ging sie ein paar Schritte auf mich zu, bis ich ihren Blick sah. Lynn unterdrückte ein spitzbübisches Lachen. "Ich weiß nicht. Was nimmst du den Rayan?"


Es war das erste Mal, dass sie mich bei meinem Vornamen nannte. Lynn hatte damit den ersten Zug gemacht. Amüsant war es nun an mir, den nächsten Schritt zu machen. Dieses Spiel zwischen uns, schien langsam interessant zu werden. Sie setzte sich neben mich und wir bestellten unsere Getränke.
Wie vor einigen Monaten, war ich ihr nun so nah. Ganz natürlich, ohne Zwang und ohne die Regeln die sonst herrschten. Es war als würde das alles zu einem normalen Leben gehören. Andere Personen kamen noch an unseren Tisch hinzu. Zum einen der Sänger von Crowstorm, der ein alter Schulkamerad von Lynn war. Pia eine Studentin, Hyun ihr Arbeitskollege, zwei weitere aus anderen Studiengängen und noch einige mehr. Zum Schluss, war es der vollste Tisch in der ganzen Bar. Folglich mussten wir etwas näher zusammen rücken. Lynns Knie streifte ab und zu das meinige.

Mit Mühe, konnte ich den Gesprächen zwischen den anderen folgen.
Spät am Abend, löste sich die Runde auf. Rosa war müde, sodass Leigh beschloss mit ihr heim zu gehen. „Rayan, ich freu mich schon auf das nächste Mal! Wir sehen uns." „Ja Leigh. Kommt gut nachhause." Zur Feier des Tages , spendierte ich unserem Tisch noch eine Runde. Begeistert wurde das aufgenommen. Bevor ich zum Tisch zurückkehrte, beladen mit Snacks und Getränken, traf ich auf Kim.

„Ach, Hallo! Da, scheint jemand auf mich gehört zu haben. Ist das alles für dich?" gab Kim belustigt von sich. „Nein, diese Kalorien würde ich so schnell nicht loswerden." Mit einer kleinen Geste, deutete ich auf den Tisch, an dem Lynn saß. „Dann wünsche ich dir und den anderen noch einen schönen Abend. Kannst du mir nur einen Gefallen tun? Richte Lynn meine Grüße aus. Sie hat es definitiv nötig, diese Kalorien wieder loszuwerden. Treulose Tomate. Kann sich ruhig öfters, im Fitnessstudio blicken lassen." Kim nahm es mit Humor und wand sich wieder ihrem anderen Gesprächspartner zu. Nachdem ich meine Ausbeute sicher zum Tisch gebracht hatte, wurde die Stimmung immer ausgelassener.

Die Unterhaltungen mit Lynns Freunden waren interessant. Mit Pia redete ich über das internationale Recht, oder mit Nathaniel über Sport.
Hyun warf mir den einen oder anderen eifersüchtigen Blick zu. Dies wurde erfolgreich Unterbrochen, da Alexy und Morgan mit Späßen nicht geizten. Nach und nach, verließ einer nach dem anderen den Tisch. Hyun wurde als letztes regelrecht weggeschleift. Ihn erwartete eine Abkühlung im Meer. Hilfesuchend schaute er zu Lynn. Sie wiederum amüsierte sich köstlich. So ausgelassen sah ich sie am liebsten. „Sieht aus, als würdest du erwartet. Du hast bemerkenswerte Freunde.", stellte ich nur fest.

„Ich weiß nicht ob "bemerkenswert" das Wort ist, was ich benutzen würde, aber sie sind nett, dass stimmt...", nachdenklich nahm Lynn einen Schluck aus ihrem Glas.
„Ja, das sind sie. Ich habe mich mit jedem von ihnen sehr gut unterhalten. Und mir wurde einst der Rat erteilt: Wenn du jemand wirklich kennenlernen möchtest, dann triff seine Freunde." Lynn sah von ihrem Glas auf und fixierte meinen Blick. „Und...?" Bedacht gab ich ihr meine Antwort:" Du bist sehr aufmerksam gegenüber deinen Mitmenschen und deine Freunde sind dir wichtig. Das ist eine sehr gute Eigenschaft von dir." Lynn strich mit einem Finger über den Rand ihres Glases. „Ich hatte Angst, du würdest dich langweilen." Sorge lag in ihre Stimme.

„Dass ich mich langweile? Nein, ich habe einen sehr schönen Abend.... Du hast all deine Freunde um dich und machst dir trotzdem Sorgen um mich." Lynns Besorgnis bedeutete mir viel. Doch es wurde Zeit, auf Abstand zu gehen. Länger, konnte ich meine Selbstbeherrschung, nicht mehr aufrechterhalten. Unentschlossen stand ich auf. „Gut... Ich denke, ich mache mich auf den Heimweg. Ich halte dich hier auf, obwohl deine Freunde auf dich warten". Betroffen riss Lynn ihre Augen auf und machte Anstalten selbst aufzustehen. „Oh, ich... Nein, geh noch nicht! Ich meine... wir können noch ein bisschen hier bleiben und uns weiter unterhalten. Sie sind noch beschäftigt,...also nur wenn du möchtest."

Der letzte Rest meiner Prinzipien, warf ich geflissentlich über Bord. Lynn wollte nicht, dass ich ginge. Darüber hinaus, wollte ich es auch nicht. „Ich dachte schon du würdest nie fragen..." Erleichtert nahm ich wieder neben ihr Platz. Glücklich und sichtlich entspannter, ließ sich Lynn zurück auf den Stuhl sinken. Ein Glas Wasser und Chips später, unterhielten wir uns über alles Mögliche. „Ich soll dir noch Grüße von Kim ausrichten. Du sollst öfters bei ihr vorbei schauen." Bei diesem Satz, weiteten sich Lynns Augen. „Du kennst Kim?" „Ja, ich bin regelmäßig im Training. Sie meinte, dass Bewegung dir nicht schaden würde."

Dieser Moment, war einfach schön. Ich zog sie noch etwas auf. Dabei versuchten wir uns gegenseitig zu übertrumpfen. Immer mehr Leute gingen auf die Tanzfläche. Lynn und ich waren die letzten die noch saßen. „Früher hatte ich auf der Tanzfläche so richtig abgerockt!"

„Ich glaube, das Wort „abrocken" benutzt man schon seit Ende der 90er nicht mehr wirklich." kicherte Lynn in sich hinein. Wie bitte? So alt, war ich nun auch wieder nicht. Zerknirscht bedankte ich mich für den Seitenhieb. Diesen Sieg, konnte ich ihr nicht überlassen. „Gut, ich glaube, wir können auch nicht länger sitzen bleiben! Komm!" Intuitiv, griff ich nach Lynns Handgelenk und zog sie auf die Tanzfläche. „Was, wohin?!?" Völlig aus dem Konzept gebracht, war sie auf diese Situation nicht vorbereitet.

An einer freien Stelle blieb ich abrupt stehen, sodass Lynn drohte gegen mich zu prallen. Mit meiner anderen Hand hielt ich sie an der Schulter fest. Das Gleichgewicht fand sie schnell wieder. „Keine Sorge, tu einfach so, als könntest du tanzen.", gab ich belustigt von mir. Lachend schnappte sie nach Luft:" Wie tut man den so, als könnte man tanzen?"
Automatisch ergriff ich ihre Hände und leitete sie an.

Umsichtig führte ich die ersten Schritte aus und erklärte ihr wie ein Spiegel zu reagieren. Erst waren ihre Schritte vorsichtig. Doch nach und nach, hatten wir beide immer mehr Spaß daran. Einfache Drehungen oder Figuren tat dem kein Abbruch. Cha-Cha-Cha, Rumba oder einen einfachen Disko Fox waren kein Problem für uns. Nachdem Lynn etwas sicherer war, nahm ich eine normale Tanzhaltung ein. Meine rechte Hand lag auf ihrer linken Schulter und die andere hielt die ihre. Wenn jemand uns zu nahe kam, führte ich sie bestimmend, damit ihr nichts passierte.

Dieser Abend war einfach nur magisch. Nicht nur, dass ich eine schöne Zeit mit anderen Menschen verbrachte, sondern auch die Tatsache mit Lynn hier zu sein. Sehr spät, waren sie und ich die letzten auf der Tanzfläche. Es war Zeit zu gehen. Allerdings... konnte ich sie noch nicht los lassen. Lynn versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „ Wir können noch..." „Tut mir leid, aber ich glaube da ist jemand müde.", besänftigend stich ich ihr eine Haarsträhne aus den Augen. Sie war völlig fertig. Schläfrig, versuchte sie mir eine Antwort zu geben. Doch daraus wurde nichts mehr. "Mir ist kalt..." „Dagegen kann man etwas tun.", erwiderte ich. Mein Jackett zog ich aus und drapierte es behutsam über ihre Schultern.

Sanft nahm ich ihre Hand und legte diese in meine Armbeuge. Ihr Kopf ruhte an meiner Schulter. Mit langsamen Schritten, dirigierte ich sie Richtung Bushaltestelle. Viel zu schnell, kam auch schon der Bus. Die Tür ging auf. „Für zwei Personen?", brummte mich der Busfahrer an. Bedenken kamen kurz in mir auf. Als ich Lynns zufriedenen Ausdruck sah, so verschlafen sie auch wirkte, war es mir ziemlich egal, was andere davon hielten.
„Ja, für zwei Personen." Nickend nahm er das Geld an sich und schenkte uns keine weitere Beachtung. Der Bus war leer. Wieviel Glück, sollte ich noch haben? Im hintersten Bereich, half ich Lynn sich hinzusetzten. Völlig erschöpft döste sie sogleich ein. Ich setzte mich neben sie. Ganz nah, suchte sie im Schlaf meine Nähe. Mit einem zufriedenen Seufzer, schmiegte Lynn sich an meinem Arm. In dieser Position verharrte sie. Nichts konnte mir diesen Moment rauben.

A different view (Rayan Zaidi FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt