Böses Spiel

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Das Wochenende war vorbei. In der Uni ging alles seinen gewohnten Gang. Von meinen Kollegen, wurde ich nicht länger behelligt. Weder von Melody oder von dem Direktor hatte ich etwas gehört oder gesehen. Es gingen die Gerüchte um, dass der Kurs zur modernen Kunstgeschichte geschlossen werden sollte, da gewisse Gelder fehlten. Doch Gerüchte waren nur Gerüchte. Und solchen wollte ich keine unnötigen Gedanken verschwenden.

Ich war wieder in der Lage, mich auf meine Arbeit zu fokussieren. Das mir richtig gut tat. Bewusst genoss ich meine Kurse zu halten und mich wieder meinen Studenten zu widmen. Es gab mir das Gleichgewicht wieder. Ein Anker, der mich im hier und jetzt hielt. In stillen Momenten, wenn ich alleine war im Büro oder ich meinte Lynn auf dem Flur zu sehen, geriet es jedoch ins Schwanken. Ausschauhaltend ertappte ich mich dabei, mich immer mehr nach ihr zu sehnen.

War sie da? Wie ging es ihr? Wann würde ich sie wieder sehen? Wenn ich für mich alleine war, duldete ich es mir diese Fragen zu stellen. Doch in erster Linie musste ich mich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Arbeit, Prinzipien und die Moral sind das wichtigste in unserer heutigen Gesellschaft. Vor Scham wäre ich richtig im Boden versunken, wenn irgendjemand von meinen heimlichen Gedanken gewusst hätte. Die Tagträume die ich von Lynn hatte waren keine jugendfreien Szenen mehr.

Studentin hin oder her. Ich suchte ihre Nähe. Ich dürstete nach einem Gespräch, ihrem Lächeln und ihrer Aufmerksamkeit. Mit ihr zu sprechen, war für mich eines der interessantesten und fesselten Dinge, die ich seit langer Zeit mit einer anderen Person führen konnte. Sie war nicht nur geistig mit mir auf einer Ebene, sondern auch körperlich zeigte sie mir ihr Interesse. Zum ersten Mal war ich froh etwas mehr Erfahrung in solchen Dingen zu haben.

Meine Ausschweifungen fanden ein jähes Ende, als die Tür zu meinem Büro aufgestoßen wurde. Weder angeklopft, noch respektzollend schritt einer der schillerndsten Figuren der Kunstszene auf mich zu. Sibylle Naifeh. Sie war nicht nur die Hauptsponsorin des Studienganges für Kunstgeschichte, sondern auch die Mutter einer meiner Studentinnen. Von ihren Verbindungen zu Künstlern und ihren eigenen Kenntnissen wurde sie geschätzt, ebenso auch gefürchtet.

Ein einziges Wort von ihr konnte genügen, um jemanden zu fördern oder den Weg zu versperren. Mit ihrem Designer Kostüm, dem perfekten Makeup und dem selbstsicheren Gang konnte sie einen richtigen Respekt einflößen. „Ich wollte mich davon selbst überzeugen, welche kompetente Lehrkraft der Direktor eingestellt hat. Es freut mich Sie wiederzusehen, Rayan.", mit arroganter Stimme eröffnete Sibylle die Konversation.

Ohne zu fragen, setzte sie sich mir gegenüber. Die Beine übereinanderschlagend nahm sie eine stolze aufrechte Position ein. „ Wie ich sehe kümmern Sie sich, um Ihre Arbeit? Ich hoffe ich störe doch nicht?" Ich machte gute Miene zum bösen Spiel. Diese Frau war wirklich ein durchtriebenes Miststück. Sie hatte etwas vor. Ich musste auf der Hut sein. „ Ich hatte nun wirklich nicht damit gerechnet, Sie in meinem Büro begrüßen zu dürfen, Sibylle.", gab ich ironisch zurück.

„Ja... Das letzte Mal war es in New York. Die Spendengala war einer der Events des Jahres.", Sibylle lies ihr gespieltes Lachen fallen. „Die Kunstwerke waren sehenswert, jedoch das Essen...", verdrehte ich die Augen. „Einfach nur grauenhaft. Da gebe ich Ihnen recht." Ihr scheinheiliges Lächeln war einfach zu viel. „Ach wie die Zeit vergeht. Sie haben doch sicher von den Gerüchten gehört, die in letzter Zeit die Runde gemacht haben." So ruhig wie möglich stellte ich mich auf das ein, was jetzt folgen sollte. Ich stützte mich auf meinem Schreibtisch ab:" Es ging einiges rum, jedoch ist mir meine Arbeit wichtiger, als irgendwelche Gerüchte!"

„ Tatsächlich? Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Gerüchte leider wahr sind. Es gibt nicht genügend Sponsoren, um Ihren Studiengang im nächsten Jahr weiter zu finanzieren. Und ich bin auch nicht dazu bereit, dies alleine zu tragen. Wenn nicht die richtigen Ergebnisse geliefert werden. Ich habe mich bereits mit dem Direktor auseinander gesetzt. Er lobt Ihre Unterrichtsmethoden, in den höchsten Tönen. Doch mir sind auch andere Dinge zu Ohren gekommen." Ihre Stimme war schneidend.

Ich holte Luft, doch ich kam nicht zu Wort. „Wenn einer der Professoren, nicht in der Lage ist, die Künstler und Genies von morgen auszubilden. Wegen einer Krankheit, persönlichen Konflikten oder etwas trivialem wie Liebeskummer...", bei den letzten Worten wurde ihr Blick eisern. „ Ich kann dafür sorgen, dass andere Ihren Job tun. Und nicht einmal der Direktor kann auf langer Zeit die Hand über jemanden halten. Kunst ist die Verzierung der Welt. Und mir ist es wichtig dies zu erhalten." Mit diesen Worten stand Sibylle auf.

Bevor sie die Tür erreichte, sprach ich sie erneut an:" Die Kunst ist die stärkste Form von Individualismus, welches die Welt kennt. Und es ist meine Aufgabe, dies meinen Schülern weiter zu geben. Eine Aufgabe, der ich mir voll und ganz bewusst bin. Ich hoffe wir verstehen uns. Es ist immer wieder ein Vergnügen mit Ihnen zu sprechen Sibylle." Gereizt schluckte ich meinen Ärger hinunter. „Ach, Sie verwenden gerne Zitate von Oscar Wilde.", drehte sie sich noch einmal zu mir um. „Und Sie von Wilhelm Busch. Kunst kann mehr sein, als nur eine Zierde.", konterte ich.

Sibylle hatte den ersten Anflug eines echten Lachens, dass sie sofort wieder versteckte. „Ich werde mich nun anderen wichtigen Dingen zuwenden. Noch etwas am Rande. Da Sie schon Erfahrung haben, Kurse abzusagen... Wir brauchen den Saal für eine wichtige Konferenz. Bitte setzten Sie Ihre Studenten in Kenntnis. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag."

Triumphierend rauschte sie aus meinem Büro. Die Anspannung die mich bis dahin gehalten hatte, wich dem Zittern meiner Hände. Wer zum Teufel, hatte dies in die Welt gesetzt? Ich bin doch vorsichtig gewesen. Oder nicht? Vielleicht wollte sie mich einfach, nur provozieren. Eines war klar. Das hatte sie auf jedenfalls geschafft. Sie konnte aber nichts Konkretes gegen mich in der Hand haben. Sonst hätte sie mir nicht offen gedroht.





An dem Tag, als ich den Kurs wegen dieser dämlichen Konferenz absagen musste, stand ich ganz alleine vor meinem Pult. Hier sollten meine Studenten sein. Lynn wollte ich wieder sehen und dieser Möglichkeit wurde ich leider beraubt. Die letzten Tage, verbrachte ich mit meiner schlechten Laune. Das war wirklich ein Zustand, der mich von innen Auffraß. Die Tür zum Hörsaal öffnete sich vorsichtig. Zu meiner Überraschung stand Lynn im Türrahmen.


„Oh, Lynn, hallo. Haben Sie den Aushang nicht an der Tür gelesen?" Zögernd betrat sie den Saal. Zu meinem Glück. Es war, als würden die Schatten, die mich in den letzten Tagen gequält hatten, bei ihrem Anblick verblassen. Es existierte nur der Moment und alles schien so viel leichter zu werden. Wenn sie bei mir war. Sie fragte mich, ob die Vorlesung ausgefallen war und ich bejahrte es. Sichtlich enttäuscht darüber, fühlte ich mich nur geschmeichelt. Sie wollte entweder mich sehen oder zumindest meinen Kurs genießen.

Es war noch etwas Zeit, bevor die Konferenz standfand. „Aber wir können den Hörsaal noch eine halbe Stunde nutzen. Sie können gerne hier lernen, wenn Sie möchten...", schlug ich ihr vor.

Amüsiert zog Lynn eine Augenbraue hoch und grinste kokettierend. „Wir können die Gelegenheit nutzen, um uns besser kennenzulernen." Sichtlich aus dem Gleichgewicht gebracht, war es wieder diese provozierende Art, die sie wieder an den Tag legte. Mit diesen kleinen Spitzen, hatte sie mich erneut Herausgefordert.

„Ja.., warum nicht? Die eine Frage die ich mir nur dazu stelle, ist... Warum gerade dieses Thema?", stellte ich ihr übereilt meine Frage. Lynn kicherte. Sichtlich amüsiert über mein Verhalten, klärte sie mich dazu auf. Sie gestand mir, dass sie damals nicht wusste, wie es nach der Schulzeit für sie weiter gehen sollte. Ihr alter Kunstlehrer, hatte ihr dabei geholfen. Diese Entscheidung führte sie zu diesem Studiengang. Und auch zu mir. Ein Stoßgebet, schickte ich in Gedanken an diesen Lehrer. Sollte ich jemals ihm über den Weg laufen, würde ich diesem einen ausgeben. Ohne Frage. „Ich verstehe."

Lynn fragte mich interessiert, warum ich mich gerade für diesen Studiengang entschieden hatte. Warum ich gerade das lehrte. So, so... Sie wollte etwas von mir erfahren. „Wenn ich zurück denke, besuchten meine Eltern mit mir jedes noch so erdenkliche Museum. In meiner Kindheit, musste es mich sehr geprägt haben. Dazu kommt, dass es so viele unterschiedliche Meinungen betreffend der Kunst gibt. Jede wurde für sich selbst getroffen. Das ist das was ich so liebe. Es macht alles so lebendig.", sprach ich begeistert. Wie gebannt lauschte sie mir meiner Erläuterung.

„ Das erinnert mich an die erste Stunde, die wir bei Ihnen hatten. Es ist genau das, was sie uns gesagt hatten...", bestätigte Lynn meine Worte. „Ich versuche so gut es eben geht die Aufmerksamkeit meiner Studenten zu gewinnen.", gab ich erheitert zu. „Und darin sind Sie auch erfolgreich." Vielsagend schaute mich Lynn an. Sie war wirklich gut, indem was sie tat. Die Hitze stieg erneut in mir hoch. Nur mit Mühe führte ich das Gespräch in eine andere Richtung.

Ich fragte Lynn über den Verbleib von Melody. Sichtlich davon Überrascht, gab sie zu sie nicht gesehen zu haben. Sie hoffte, dass es ihr besser ging. Mitgefühl stand ihr gut. Lynn zeigte immer Anteilnahme bei ihren Mitmenschen. Es war einer der Facetten, die mich von ihr verzauberten. Sie als Freundin zu haben, konnte Melody sich nur glücklich schätzen.

„Was unser Gespräch von letzten Mal angeht,...Ich...", begann Lynn verlegen. „ Der junge Mann, ihr Kollege... Er schien erstaunt mich in ihrer Gesellschaft zu sehen. Ich hoffe, Sie haben keine Probleme bekommen, weil ich ihnen im Café geholfen habe..." unterbrach ich sie.

Probleme, waren gar keinen Ausdruck. Mir war klar, wie das Ganze auf ihn gewirkt hatte. Selbst ein Blinder hätte es sehen können. Lynn bestätigte mir meine Befürchtung. „Er hat Recht. Er wirkt ziemlich vernünftig. Und jeder würde sich Fragen stellen.", gab ich zu bedenken.

„Hatte er denn einen Grund dazu?", fragte Lynn mich arglos. Erneut kämpfte ich meine Gefühle nieder. Sie war so wunderschön, doch auch gefährlich zu gleich. Das konnte es nicht riskieren. Ich biss mir auf die Lippen:" Wenn wir ehrlich sind, ja...Ich denke, dass... " Mit einem Mal wurde mir bewusst wieviel Zeit ich mit ihr hier verbrachte. Die Konferenz begann schon in Kürze. Sollte jemand mich mit Lynn hier alleine sehen, konnte es nur Missverstanden werden.

Nicht auszuhalten, was Sibylle mit diesen Informationen anstellen konnte. Es war nicht nur meine Karriere die auf dem Spiel stand, sondern auch Lynns Zukunft. Ich sah auf mein Handy. Zum Glück war noch etwas Zeit. Fahrig komplementierte ich Lynn aus dem Hörsaal. „Gut, dann bis morgen. Die Vorlesung beginnt in der ersten Stunde."

Vergnügt wünschte sich Lynn, dass die Vorlesung sofort begann. „Ob heute oder morgen früh, das ändert nicht viel. Ich hoffe, Sie sind dann noch genauso motiviert.", neckte ich sie. Sie nickte mir zustimmend zu. Den Ausblick, Lynn wieder zu sehen machte mich glücklich. Im Kurs, konnte ich ihr nahe sein. Ohne, dass jemand Verdacht schöpfen konnte von meinen Gefühlen. „Dann freue ich mich auf morgen." , schloss ich mit diesen Worten unser Gespräch ab. Besser gesagt, freute ich mich einfach nur Lynn schon bald wiederzusehen.

A different view (Rayan Zaidi FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt