Kapitel 20 - Keanen - ✔️

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„Ich glaube er holt uns am Flughafen ab."

Serena hat sich im Flieger den Fensterplatz geschnappt, und als ihre Begleitung bin ich neben sie gesessen. Somit sind Jona und seine nervige Freundin nicht in unserer Reihe, und ich glaube, Serena hat sowas von Anfang an beabsichtigt. Sie kann Zia nicht ausstehen, und ich nerve mich auch ziemlich ab ihr, doch Jona scheint soweit glücklich zu sein.

„Das wäre toll", sage ich nur, und Serena nickt stumm.

Wir fliegen seit ungefähr drei Stunden, und der Herr, der sich neben mich gesetzt hat, ist noch vor dem Start eingeschlafen. Mir soll's recht sein, so kann er mir wenigstens nicht auf die Nerven gehen.

Dad wollte zuerst nicht, dass ich so spontan weggehe, doch dann hat er doch eingesehen, dass ich meine Pause brauche. Ausserdem sind es um die vier Tage, also nicht mal eine Woche, und dann bin ich wieder zu Hause und kann wieder arbeiten.

„Er wird dich mit Fragen löchern. Alle werden dich mit Fragen löchern." Serena schaut mich missmutig an, was mir nochmal zeigt, wie sehr sie sich auf die Gala freut. Aber Jona hat mir im Auto gesagt, dass es ohne mich wohl noch viel schlimmer wäre. Erst als ihr Vater ihnen erlaubt hat, Begleitungen mitzunehmen, haben sich die beiden wenigstens etwas auf die Zeit gefreut.

„Das geht schon klar", erwidere ich mit einer wegwerfenden Handbewegung, doch Serena schüttelt den Kopf.

„Nein, es sind keine normalen Fragen. Sie werden dir komplizierte Fragen stellen, bei denen du schnell in ein Fettnäpfchen treten kannst. Und ausserdem werden sie dich so lange mit Blicken erdolchen, bis du wirklich glaubst zu sterben, wenn du ihre Fragen nicht nach ihren Wünschen beantwortest. Glaub mir, ich kenne das sehr gut."

Ich lache bei Serenas Umschreibung der Besucher der Gala leise, dann schüttle ich wieder den Kopf. „Seri, es ist okay. Ich komme damit klar, ich kenne sowas nämlich auch. Die Freunde meines Vaters ähneln deiner Beschreibung der Freunde deiner Eltern ziemlich, weißt du."

Serena schaut mich ungläubig an. „Das heisst, dein Vater veranstaltet auch jedes Jahr mindestens einmal einen so schrecklichen Abend, an dem jeder so tut als wäre er jemand, der er eigentlich gar nicht ist?" Ich grinse und nicke. „Ja, nur, dass die Leute es aufgegeben haben, mich zu dem zu formen, was sie gerne haben möchten."

Serena lächelt und schaut wieder raus. „Bei deinem Dickschädel verwundert mich das kein Bisschen", sagt sie, und ich gebe ihr Recht. Ich bin zu stur um mich von jemandem formen zu lassen, der mich vielleicht zweimal pro Jahr sieht und mich somit kaum kennt.

„Was ist eigentlich mit deiner Mutter?"

Serena schaut weiterhin raus und zuckt mit den Schultern.

„Die macht das Ganze mit. Sie und Dad sind zwar die einzigen von ihren Freunden, die aus ihren Kindern keine Elite-Schüler und hervorragende Anwälte machen wollten, aber dafür arbeiten sie nur und sind nie da. Keine Frage, wir haben alles bekommen was wir wollten, aber es war nie normal, wenn du verstehst was ich meine. Die Beziehung zwischen uns und unseren Eltern war von Grund auf anders, wir haben diese elterliche Liebe nur selten gespürt. Die Arbeit zählt für sie am meisten, damit haben wir uns abgefunden. Aber ich weiss jetzt schon, dass ich meine Kinder ganz sicher nie so erziehen werde."

Ich schaue Serena nachdenklich an und beuge mich dann etwas nach vorne, um ebenfalls aus dem Fenster schauen zu können. „Du willst Kinder?", frage ich dann, und Serena nickt. „Ja, eigentlich sogar zwei", sagt sie dann, und ich lächle. Ich glaube, sie würde eine wundervolle Mutter sein.

„Und du?"

Ich zucke mit den Schultern und lasse mich wieder in den Sitz sinken. „Vielleicht", sage ich dann, da ich es wirklich noch nicht weiss. Ich bin zwar schon zweiundzwanzig, aber ich finde es noch etwas zu früh, um über solche Dinge nachzudenken. Ich möchte zuerst genau wissen, wie meine Zukunft aussehen wird, und ob ich überhaupt das richtige Umfeld für ein Kind haben würde.

Don't run from me - ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt