Soulgirl

13. New spirit

Ich wache mit einem Gefühl vollkommener Glückseligkeit auf. Der Traum hatte etwas Einmaliges, Magisches, und er hängt mir noch den ganzen Tag nach. Als hätte der Traum mir ein anderes Lebensgefühl übergestülpt... Im Laufe des Nachmittags frage ich mich, ob das jetzt für immer bleiben oder irgendwann verblassen wird. Ich kann es nicht einschätzen, wie so Vieles, das mir in den letzten Wochen widerfahren ist, und komme zum Schluss, auch das nicht zu zerdenken sondern einfach als Geschenk anzunehmen.
Es ist Samstag und ich hätte wirklich produktiv sein können heute, denn das Konzert ist erst abends. Aber ich habe einen solchen Wattekopf, dass ich hundert Dinge anfange und nichts zu Ende bringe. Wie ein Huhn, das allein im Stall umherirrt, bin ich in meiner Wohnung mal hier, mal dort und könnte jetzt, wo es Abend geworden ist, nicht mal sagen, was ich eigentlich gemacht habe. Ich merke nur, dass ich das Umziehen und Fertigmachen für das Konzert hinauszögere. Reiss dich zusammen, ermahne ich mich. Wenn du nicht komplett den Verstand verlieren willst, dann mach dich jetzt eifach fertig, geh hin, hör dir den Song an, schnapp dir danach das erste Taxi, das du kriegen kannst und weg bist du. Was ist schon dabei? Vielleicht hat er die Nummer schon mit dutzenden Frauen abgezogen und ich bilde mir hier ein, es wäre was Besonderes. Ok, meine Selbstberuhigungsversuche scheitern kläglich. Seine Nachrichten, die Nacht im Hotel, seine Erzählungen und Empfindungen, seine Tränen... Das war so pur und ehrlich ER.
„Beautiful soul"... Ja, das ist er. Ich seufze.
„Mach dir nichts vor", denke ich laut. Es IST etwas Besonderes. Es ist magisch, ein anderes Wort wäre einfach nicht passend. Und nur, weil es nicht rational erklärbar ist und ich nervös wie nur etwas bin, macht es überhaupt keinen Sinn, alles relativieren zu wollen. Ich muss mich dem jetzt aussetzen. Entweder, ich kappe den Kontakt jetzt und sofort und mache mir nie wieder auch nur einen einzigen Gedanken über Michael Patrick Kelly, oder ich lasse mich jetzt mit Haut und Haaren auf das Unvorhersehbare ein. Du hattest doch auch Vertrauen und bist zu ihm runter zur Bucht, denke ich unvermittelt. Moment, woher kommt das denn jetzt? Ich reibe mir die Stirn. Das war doch nur ein Traum. Oder...? Da ich fürchte, an Ort und Stelle den Verstand zu verlieren, marschiere ich zielgerichtet zu einer Schublade im Wohnzimmer. Ich reisse sie auf, nehme das Päckchen mit fünf Zigaretten heraus, das da seit fast einem Jahr unberührt liegt, fingere eine heraus und öffne die Terrassentür. Ich setze mich auf die Lounge und puste genüsslich den Rauch aus. So. Definitiv besser. Warum auch immer. Nachher ziehe ich mich um und fahre zum Konzert, basta. Ich schaffe das. Als ich endlich aufbruchsbereit bin, werfe ich, schon mit der Türklinke in der Hand, noch einen Blick auf mein Handy. Instagram zeigt mir eine Nachricht von mi.pa.kel an. Mein Herz setzt einen Schlag aus.

MPK: Hi soulgirl. Einlass ist etwas vorverschoben worden und es sind schon beinahe alle 5000 Leute da. Frag die Security nachher nach Burney. Das ist einer vom Staff. Er ist von mir persönlich informiert und wird dich in den Backstagebereich führen, wenn du ihm deinen Namen nennst. Dann kannst du dir die Show von dort aus ansehen. Nur, wenn du möchtest, natürlich ;-)
Enjoy, beautiful soul. XoXo

Uff... Soll ich das wirklich tun? Soll ich mich nicht einfach irgendwo ganz hinten hinstellen und mich nach dem Konzert schnell und unbemerkt davonstehlen? Wenn ich das jetzt tue und mir die Show vom Backstagebereich aus ansehe, ist ein Aufeinandertreffen nachher unvermeidlich. Schaffe ich das? Einen Moment bleibe ich wie angewurzelt neben der Tür stehen und kann keinen Schritt mehr tun. Ich muss das noch zu Hause entscheiden, so ticke ich einfach. Ok. Kopf aus, Herz an. Die Entscheidung steht. Ich hechte zurück zur Schublade der Laster, schnappe mir das Päckchen wieder und verlasse fluchtartig das Haus- bevor ich es mir nochmal anders überlegen kann.