Die restlichen eineinhalb Stunden des Konzerts vergehen wie im Flug. Paddy versteht es, sein Publikum anzuheizen und holt alles aus ihnen raus. Die müssen nachher völlig ausgepowert sein. Es entsteht das Gefühl einer riesengrossen Familie, man schwenkt die Fahnen, Paddy macht Stagediving, es wird gefeiert, gehüpft und getanzt. Ich kriege mein Dauergrinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Aber das ist mir egal. Ich bin glücklich. Seit so langer Zeit bin ich endlich wieder glücklich. Ich proste Paddy unbemerkt zu. Danke, du beautiful soul.
„Ich hatte diese Nacht einen ganz verrückten Traum", sagt Paddy zu seinem Publikum. Ach was, da bist du nicht der Einzige, denke ich amüsiert.
„Ich glaube, ich war heute Nacht in Irland. Ich stand auf einer Klippe und sah über's Meer."
Ich kriege am ganzen Körper eine Gänsehaut und befürchte, an Ort und Stelle umzukippen.
„Auf einer anderen Klippe stand... Ähm, eine andere Person. Dann sind wir runter zur Bucht und sind in einer Umarmung sozusagen miteinander verschmolzen."
Applaus und laute Rufe ertönen nach jedem zweiten Satz von Paddy.
Ich bin wie erstarrt. Das Tempo meiner Atmung und meines Herzschlags haben sich verdreifacht und mir ist schwindlig, das Blut rauscht ohrenbetäubend in meinen Ohren und alles beginnt sich zu drehen. Ich stelle meinen Becher auf den Boden und halte mich an einer Metallstange der Bühnenkonstruktion fest. Nun muss ich alles, was ich habe, aufbieten, um nicht zusammenzuklappen, das spüre ich mit hundertprozentiger Gewissheit. Das kann doch alles nicht wahr sein. Wie ist sowas möglich. Wie nur, wie. Noch nie in meinem Leben ist mir etwas so durch Mark und Bein gefahren. Aber ich darf jetzt auf keinen Fall ohnmächtig werden. Ich gebe mir Mühe, normal zu atmen und schaue in den wolkenlosen Himmel. Blau. Tiefes Ozeanblau. Nach und nach kann ich mich etwas beruhigen und langsam kann ich mich auch wieder auf das, was Paddy sagt, konzentrieren.
„Jedenfalls hat der nächste Song mit dem Traum zu tun. Er ist neu und wurde noch nicht veröffentlicht", setzt er an, wird aber sofort von begeistertem Applaus unterbrochen. Er lächelt verlegen.
„This is for you. Beautiful soul." Wieder tosender Beifall. Die ersten Akkorde erklingen. Nur er und die Gitarre. „In case I never showed you, I just wanna tell you", singt er mit geschlossenen Augen, und ich habe mit den Tränen zu kämpfen.
Nun setzen die anderen Bandmitglieder zum Refrain ein, und Paddy's Gesang explodiert in meinem Kopf. „Beautiful soul, don't you know, you're a beautiful soul." Er singt so leidenschaftlich und mit seinem ganzen Herzen, dass ich mir schlagartig sicher bin, dass dieser Mensch, diese schöne Seele, schon immer in meinem Leben gefehlt hat und von nun an für immer mit meinem Leben verwoben bleiben wird. Man kann es nennen, wie man will; glauben, oder auch nicht. Aber für mich ist es jetzt tiefste Gewissheit geworden, über jeden Zweifel erhaben:
Ich bin in ihm zu Hause und er in mir.
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Soulgirl
FanfictionNach der schwersten Zeit ihres Lebens macht Louisa eine unerwartete Erfahrung, die ihre Seele wieder zum Leuchten bringt.