Nach einem weiteren Schluck seines Drinks fährt er leise fort.
„Well... Also hör zu. Ähm. Die ganze Sache hier ist wirklich abgefahren. War sie schon auf dem Konzert. Als wir uns die Hand gegeben und uns in die Augen gesehen haben... Also ich war... Lost in space or something. Ich, ähm..."
Ich hänge gespannt an seinen Lippen. „Erzähl weiter", ermutige ich ihn.
Er fährt sich mit der Hand durch die Haare und hinterlässt einen Wuschelberg auf seinem Kopf.
„Also... Ich hatte bisher zwei Momente in meinem Leben, die nicht rational erklärbar waren. Das Erste war eine Stimme, die mich vom Selbstmord abgehalten hat..." unsicher sieht er zu mir.
Ich weiss, signalisiere ich ihm, woraufhin er durchatmet und weiterredet.
„Hold on, habe ich immer wieder gehört. Hold on. Woraufhin ich wieder vom Fensterbrett runtergestiegen bin, ne. Das Zweite war ein Erlebnis im Kloster, worüber ich mit niemand anderem als mit meinem Priester geredet habe. Dieses Erlebnis hat meinen Glauben jedenfalls nachhaltig gefestigt. Und dann..."
„Und dann...?" piepse ich.
Er lächelt. „Und dann kamst du."
„Oh."
„Yeah." Er beugt sich zu mir und stützt seine Ellenbogen auf seinen Knien ab.
„Als wir uns in die Augen gesehen haben, hatte ich das dritte nicht rational erklärbare Erlebnis. Ich habe ähm... Also ich habe Bilder gesehen. Visions, you know? Dich an einem Hafen. Eine Frau im Wasser. Ich habe eine so grosse Verzweiflung gespürt, als wäre es MEIN Gefühl und konnte mir nicht erklären, woher das kam. Und hätte eigentlich singen und performen sollen. Das hat mich total unvorbereitet umgehauen. Diese grosse Traurigkeit und Leere. Und trotz dieser Empfindungen hatte ich das Gefühl, als würde ich... Innerlich leuchten oder sowas. Gleichzeitig, weisst du? Dieser Moment mit dir kann ja höchstens ein paar Sekunden gedauert haben, aber vor mir lief ein ganzer Film, den ich durch den Blick in deine Augen sehen konnte."
Ich schlucke einen Kloss herunter. Ich bin vollkommen fertig und überfordert von dem, was ich hier gerade erlebe. Wie konnte er wissen...?
„Everything ok? Soll ich aufhören?" fragt er besorgt und streicht mir behutsam über den Arm. Ich werde regelrecht elektrisiert.
„Uff... Nein, erzähl bitte weiter", bringe ich hervor und reibe die kribbelnde Stelle an meinem Arm.
„What the", presst auch er hervor und reibt seine Hände kurz gegeneinander. Auch er hat das Kribbeln gespürt.
„Crazy...", flüstert er kopfschüttelnd, lehnt sich wieder zurück und holt tief Luft.
„Jedenfalls konnte ich das Konzert nur mit Mühe und Not fertig spielen. Die Tage danach verbrachte ich wie schwebend. Ich ackerte meine Philosophiebücher von der Klosterzeit durch aber fand nichts Befriedigendes. Dann habe ich wie ein Irrer alles nächtelang in einen Song gepackt, um es halbwegs verarbeiten zu können."
Mein Herz macht einen Sprung. Er hat einen Song darüber geschrieben?
„Dann kam deine Nachricht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es mich geflasht hat, zu lesen, dass du die Situation genauso wie ich erlebt hast. Holy shit." Wieder fährt er sich durch die Haare. Mir ist inzwischen die Spucke weggeblieben.
„Daraufhin habe ich noch intensiver nachgeforscht und endlich brachte mir Tatsuya die Lösung. Ähm... Das Gedicht...?"
„Ja, ich danke dir von Herzen dafür. Ich wurde aus der ganzen Sache nämlich nicht so schlau wie du und habe erst vorhin im Auto begriffen, worum es geht. Es ist wunderschön, danke", flüstere ich.
„Crazy shit!" ruft er aus und klopft sich abermals lachend auf den Oberschenkel.
Sein Lachen steckt mich an und ich muss über seine Wortwahl kichern. Erst jetzt fällt mir der Ring an seinem Finger auf- ist es ein so breiter oder sind es mehrere schmale nebeneinander? Jedenfalls: er ist da. Wieder denke ich kurz an Caro und muss erneut kichern. Dieses süsse rosa Zeug hat mich wirklich etwas aufgelockert. Apropos. Ich betrachte mein leeres Glas. Er grinst. Mit den Worten „be right back, don't move" nimmt er mir das Glas aus der Hand, um wieder an der Bar zu klimpern. Ich lehne mich zurück. Wie abgefahren ist das denn. Wir mussten beide verrückt sein.
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Soulgirl
Fiksi PenggemarNach der schwersten Zeit ihres Lebens macht Louisa eine unerwartete Erfahrung, die ihre Seele wieder zum Leuchten bringt.