Er nimmt einen grossen Schluck von seinem Wasser und holt tief Luft.
„Vor ein paar Monaten hat meine Frau mich betrogen", sagt er unvermittelt.
Ich glaube, mich verhört zu haben. Damit habe ich nicht gerechnet.
„Was?" flüstere ich mit grossen Augen.
„Yeah." Er fährt sich durch die Haare.
„Sie hat mit einem anderen Journalisten an einem Buchprojekt gearbeitet und dabei sind sie sich wohl näher gekommen, als geplant."
„Oh, scheisse", rutscht es mir heraus und er nickt zustimmend.
„Wir konnten verhindern, dass etwas an die Öffentlichkeit gelangt. Aber ich bin kurz darauf aus unserem gemeinsamen Haus in Bayern ausgezogen und habe eine Wohnung in der Nähe gemietet. Wir haben uns nicht getrennt, aber sozusagen von diesem Zeitpunkt an eine Auszeit genommen."
„Verstehe", sage ich leise.
„Für mich ist das mit meinem Glauben nicht vereinbar. Und kürzlich hätte ich mit dir beinahe das Selbe getan. Während der Auszeit... But still married." Nachdenklich blickt er mich an.
Ich schaue zerknirscht zurück.
„Es hat schon eine Weile gekriselt, weisst du. Irgendwie hat jeder so sein Ding gemacht. Ich bin oft weg, und wenn ich wieder für längere Zeit nach Hause kam, haben wir nicht mehr den Draht zueinander gefunden or something."
„Verstehe", wiederhole ich mich.
„Aber ihr Betrug hat dem Ganzen noch den Rest gegeben. Ich...", wieder fährt er sich durch die Haare, „ich kann sowas einfach nicht verzeihen. Ich habe es versucht, aber ich kann nicht."
Ich blinzle und nicke.
„Die Auszeit war dazu gedacht, dass wir uns, jeder für sich, darüber klar werden, was wir wollen. Damit war ich beschäftigt, als..." Er atmet schwer aus.
Ich runzle die Stirn. „Als was?" hake ich nach.
„Als du auf dem Konzert hier in Hamburg in mein Leben geschneit bist. Ich versuche immer, auf Zeichen zu achten, weisst du?" Er deutet mit dem Zeigefinger nach oben. „Zeichen vom unsichtbaren Regisseur meines Lebens. Lange konnte ich nicht einordnen, was da mit uns geschieht, diese ganze crazy Sache mit der Seelenbegegnung and everything. Aber, ich meine", er beugt sich zu mir nach vorne und sieht mir direkt in die Augen, „welches Zeichen könnte stärker und eindeutiger sein, als dass mir der Allmächtige genau zu DIESEM Zeitpunkt dich in mein Leben schickt?"
Das Herz klopft mir bis zum Hals. Ich kann nichts sagen und starre ihn nur an.
„I mean... Auch bei dir. Die Sache mit deiner Schwester, die dazu geführt hat, dass deine Ehe zerbrochen ist... Es passt alles zusammen, Louisa."
Ich zucke zusammen. Das ist das erste Mal, dass er meinen Namen ausgesprochen hat.
Ich blinzle nur. Soll das etwa heissen...?
„Du sagst ja gar nichts, soulgirl", sagt er leise. Die Zärtlichkeit in seiner Stimme lässt mich beinahe zerfliessen.
„Du fühlst es doch auch, oder? Wir begegnen uns im Traum. Wir haben etwas Einmaliges, Magisches zusammen. Und die Zeichen sprechen eindeutig für das alles. Für uns." Er nimmt meine Hände in seine und streichelt sanft mit dem Daumen über meinen Handrücken. Ich erschaudere.
Jetzt sollte ich wirklich langsam etwas sagen.
Ich räuspere mich. „Das alles ist einfach unglaublich. Und du scheinst so sicher und gefasst zu sein, als hättest du dir alles genaustens überlegt. Ich bin frei. Aber bei dir steht eine Ehe auf dem Spiel. Ich will nicht, dass du etwas überstürzt und wir am Ende alle in einem riesen Schlamassel enden."
Er schüttelt entschieden den Kopf.
„Ich überstürze nichts. Ich habe die letzten drei Wochen zwischen den Shows nichts anderes getan, als darüber nachzudenken. Als wir drei Off-Tage hatten, bin ich in ein Kloster in der Nähe von München gefahren und habe mich drei Tage eingeloggt." Wieder deutet er mit dem Zeigefinger nach oben. „Ich habe meine Antworten. Vor dem Aufenthalt im Kloster, als ich nach dem Traum mit der Ha'penny Bridge aufgewacht bin, war ich noch das reinste Nervenbündel. Ich wusste, wenn ich dich jetzt fragen würde, ob du wieder das Selbe geträumt hast und das tatsächlich so wäre, wäre das wieder ein eindeutiges Zeichen. Und trotzdem hat es mich kalt erwischt, als du in deiner Antwort den genauen Inhalt des Traums wiedergegeben hast. Daraufhin stand mein Entschluss mit den Holydays fest. Ähm, so nenne ich das, wenn ich mich für ein paar Tage in ein Kloster zurückziehe."
Mir schwirrt der Kopf. Während der ganzen Zeit seit der Situation im
Backstageraum habe ich gezweifelt und gehadert und war mir sicher, er würde sich nur den Kopf darüber zerbrechen, wie sich unsere Leben wieder trennen können und er somit seine Ehe schützen kann. Ich wäre ja nie darauf gekommen... Oh mein Gott. Aber es klingt schlüssig. Es klingt, als stünde sein Entschluss fest.
Ich räuspere mich. „Du bist dir wirklich sicher, oder? Du zweifelst nicht."
„Wie gesagt, ich habe meine Antworten. Ich bin mir sicher. It's up to you now."
Ich schlucke. Für mein Herz steht der Weg schon lange fest. Es ist nur mein Kopf, der arbeitet und nach Gründen sucht, die dagegen sprechen.
In exakt dem Augenblick, als mir einfällt, wo ich das schon mal gehört habe, beugt er sich zu mir, streichelt meine Wange und flüstert: „Du kennst die Antwort. Du hast es auf der Ha'penny Bridge selbst gesagt." Er lächelt mich liebevoll an. Ich nicke und drücke seine Hand, die in meiner ruht.
„Alles fügt sich, nicht?" frage ich leise und er nickt lächelnd.
„Let me be with you, soulgirl."Ende
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Soulgirl
FanfictionNach der schwersten Zeit ihres Lebens macht Louisa eine unerwartete Erfahrung, die ihre Seele wieder zum Leuchten bringt.