17. Gäb es mehr als dieses Leben, ich wär zu tiefst dazu bereit...

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Ich weiss nicht, wie ich die folgende Woche im Büro hinter mich gebracht habe und hoffe nur, dass ich keinen schlimmen Schaden für irgend einen Kunden verursacht habe. Mein Chef verhält sich bis jetzt ganz normal, obwohl ich jederzeit mit einem Rüffel rechne, so unkonzentriert komme ich mir vor. Eine ganze Woche habe ich nichts mehr von ihm gehört. Keine Nachricht nach der Situation im Backstageraum. Nichts. Zweimal hat er etwas über die Tour auf Instagram gepostet. Darunter hunderte Kommentare von Fans, die beteuern, wie sehr sie sich auf die Konzerte freuen. Einmal wurde noch ein Interview mit ihm im Fernsehen ausgestrahlt. Ich habe beinahe an der Mattscheibe geklebt und sein Gesicht nach irgend einem Hinweis abgesucht. Ist er irgendwie verändert? Wirkt er nachdenklicher als sonst? Aber ich kann beim besten Willen nichts finden, was mir einen Hinweis in irgend eine Richtung geben würde. Er verhält sich wie immer in der Öffentlichkeit. Showbiz-Paddy. Bald bin ich mir sicher, dass es das jetzt gewesen ist. Er hat beinahe Ehebruch begangen und will sich unter keinen Umständen mehr die Finger verbrennen. So wird es sein. Wäre ja nur logisch.
Caro schäumt vor Wut und würde ihm am liebsten die Leviten lesen. Sie lässt kein gutes Haar an ihm. Ich hingegen bin nicht wütend. Das einzige Gefühl, das ich wahrnehme, ist Sehnsucht. Nicht deswegen, weil wir uns beinahe geküsst hätten. Sondern wegen der ganzen wunderschönen, einmaligen, magischen Geschichte zwischen uns. Die Visionen, das Lied, der gemeinsame Traum. Einfach alles. Die Gewissheit, dass er von nun an für immer ein Teil meines Lebens sein wird, hat sich kein bisschen verändert. Vielleicht muss ich nur geduldig sein.
„Geduldig, bis was genau passiert?" schnaubt Caro. „Er wird sich nicht noch einmal auf das Spiel mit dem Feuer einlassen, Louisa. Als gläubiger Christ- unmöglich. Und eine Freundschaft zu dir zu pflegen, mit eurem Seelen-Zeugs, ist wie sich herausgestellt hat unmöglich, ohne dass ihr früher oder später im Bett landet. Also eine ausweglose Geschichte. Ich will dir nicht wehtun, Schatz, sondern dich beschützen. Du sollst endlich wieder glücklich sein und nicht schon wieder Kummer haben."
Sie hat ja recht. Nur habe ich nicht das Gefühl, zu leiden. Ich verspüre eine unbeschreibliche Sehnsucht, vergleichbar mit ganz starkem Heimweh. Aber gleichzeitig habe ich auch, und ich kann mir nicht erklären, woher ich das nehme, die feste Gewissheit, dass sich alles ergeben wird und ich nichts dazu tun muss. Ich werde mich wieder besser auf meinen Job konzentrieren und einfach mein Leben leben. Was zwischen uns ist, diese einmalige Magie, fühlt sich stärker an als die Hürden, die sich zwischen uns aufgetan haben. Ich sollte Recht behalten, und das schon früher, als erwartet, und auf eine Art und Weise, die sich nur das Leben selbst ausmalen kann.

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