9. Kapitel

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Langsam öffnete ich meine Augen und schaute nach draußen. Ich musste eingeschlafen sein, denn mittlerweile ging die Sonne unter. Mit einem leisen Gähnen richtete ich mich auf und strich mir leicht über die Augen. Nach der Explosion war ich hierher gekommen, um mich ein wenig zu beruhigen und Jola ihre Sachen zurückzubringen. Dann hatte ich mich auf mein Bett gelegt und etwas gelesen. Irgendwie musste ich dabei eingeschlafen sein. Mein Blick schwiff zu der Uhr, die ich vorhin erst entdeckt hatte und ein Seufzen entwich mir. Gleich gab es Essen. Langsam stand ich auf und strich mir kurz ein wenig die Haare glatt, damit ich nicht komplett durch den Wind aussah. Nachdem das getan war, verließ ich mein Zimmer, nur um direkt in jemanden rein zulaufen. Sofort stolperte ich ein paar Schritte zurück und sah meinen Gegenüber an. Dieser grinste bloß und legte mir seine Hand auf den Kopf.

,,Hast du geschlafen? Du siehst müde aus."

Ich blinzelte kurz, dann nickte ich.

,,Ein wenig, ja."

Seine Hand wanderte von meinem Kopf zu meinem Rücken. Ich verstand die stumme Aufforderung und setzte mich mit ihm in Bewegung. Wir gingen die Treppe herab nach draußen, wo ein kühler Wind wehte. Reflexartig legte ich meine Arme um meinen Oberkörper und zog leicht den Kopf ein.

,,Ist dir kalt?"

,,Dir nicht?"

,,Nicht wirklich, nein."

Vorsichtig löste er seine Hand von meinem Rücken und legte sie stattdessen auf meinen linken Arm. Eine angenehme Wärme durchfuhr mich und ich trat unbewusst ein wenig näher an den Blonden. So verbleibend gingen wir den restlichen Weg zum Essensraum. Vor diesem nahmen wir jedoch ein wenig Abstand und traten nacheinander ein. Wir waren mit die ersten, abgesehen von Trébol und diesem Mann von vorhin. Wieder saß er mit gesenktem Blick da und kippelte leicht auf seinem Stuhl. Der Schwarzhaarige, der seinen Platz links neben mir hatte, sah mich grinsend an.

,,Es hat eine Weile gedauert ihn zu löschen."

Ohne eine Antwort zu geben setzte ich mich hin.

,,Wie bitte? Dann habt ihr euch schon kennen gelernt?"

Der Schwarzhaarige lachte.

,,Sie hat ihn angezündet."

Genervt sah ich ihn an.

,,Petze."

,,Aurelie."

,,Er hat Law aus dem Fenster geworfen!"

Sein Gesichtsausdruck wurde streng und ich wendete den Blick ab.

,,Du sollst aufhören sie in Schutz zu nehmen."

,,Es sind bloß Kinder! Sie haben niemandem was getan."

,,Es reicht."

Bei dem Ton seiner Stimme zuckte ich leicht zusammen.

,,Ich kann keinen Streit zwischen euch beiden gebrauchen. Klärt das unter euch."

Damit schien das Thema für ihn beendet. Wenige Augenblicke später kamen die anderen zu uns, wodurch sich der Raum langsam füllte. Nachdem jeder saß und das Essen auch da war, begannen wir zu essen. Ich sah den Blonden kein einziges Mal an, auch nicht, als er die Identität des Fremden enthüllte. Zu allem Überfluss war es sein Bruder, der nun stumm war und über Karten kommunizierte. Da hatte ich mich ja in was rein geritten. Auf das Gespräch nach dem Essen freute ich mich jetzt schon. Leicht verdrehte ich meine Augen bei dem Gedanken und schob mir die Gabel in den Mund. Im selben Augenblick öffnete sich die Tür und Law trat ein. Überrascht hob ich meinen Blick, doch schon von meinem Platz konnte ich die vielen kleinen Wunden sehen. Es würde mich nicht wundern, wenn er die anderen beiden auch verletzt hatte. Ich warf dem Mantelträger - er hatte das gleiche Modell, wie von Doffy, bloß mit schwarzen Federn - einen giftigen Seitenblick zu und schaute dann wieder zu dem kleinen Schwarzhaarigen, welcher mittlerweile die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Die anderen machten sich ein wenig über ihn lustig, meinten er solle gehen und so, doch der Blonde neben mir erlaubte ihm zu bleiben. Da fielen die Blicke der anderen auf die weißen Flecken. Sie sprangen auf, versuchten Abstand von ihm zu nehmen. Ich dagegen blieb ruhig sitzen und beobachtete das Geschehen. Der Brillenträger gab Entwarnung, die Krankheit sei nicht ansteckend und er verlängerte die Probezeit des Jungen auf zwei weitere Tage. Ich war mir nicht sicher, ob er ihm damit einen Gefallen tat oder ihm noch mehr Schaden zufügen würde. Nachdem sich der ganze Trubel gelegt hatte, beendeten wir das Essen und lösten uns auf. Ich verließ den Raum vor dem Blonden und beeilte mich, in mein Zimmer zu kommen. Ich wollte mich noch kurz sammeln, da ich jetzt schon wusste, dass das Gespräch emotional werden würde. Nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte, ich wollte schließlich nicht mit ihm streiten, verließ ich meinen Raum und klopfte an der Nebentür. Wenige Sekunden später bekam ich die Erlaubnis einzutreten, was ich auch tat. Der Blonde und ich sahen uns kurz an, bevor mein Gegenüber seine Brille abnahm und leicht auf seine Beine klopfte.

,,Komm her."

Ohne ihm zu widersprechen ging ich auf ihn zu und setzte mich auf seinen Schoss. Vorsichtig legte er eine Hand auf meine Wange und strich über diese.

,,Vielleicht hattest du heute Mittag recht."

,,Was?"

,,I-Ich hatte gehofft, dass alles so sein kann, wie früher. Dass...Dass irgendwie alles gleich bleiben kann, a-aber das kann es nicht. Du hast dich verändert, i-ich habe mich irgendwie verändert und alle anderen auch...und...und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll."

Zittrig atmete ich ein und sah meinen Gegenüber an. Dieser erwiderte meinen Blick und legte sanft seine Arme um meinen Körper.

,,Ganz ruhig, ganz langsam..."

Meine Gedanken rasten jedoch weiter. Ich würde hier bleiben, ich wollte auch hier bleiben, doch irgendwann würden sie sterben. Ich hatte schon so viele Menschen sterben sehen müssen, so viele, die ich geliebt hatte. Meine ganze leibliche Familie war tot. Ich wollte nicht, dass das nochmal passierte. Während mir Tränen in die Augen stiegen erzählte ich meinem Gegenüber von meiner Angst. Ruhig sah er mich an und ließ mich ausreden. Nachdem ich fertig war, nahm mich der Blonde vorsichtig in den Arm.

,,Schon gut. Atme tief durch. Hör mir zu..."

Langsam hob ich meinen Blick und sah ihn an. Wieder blitzte das helle Blau.

,,Es gibt da eine Möglichkeit."

Immortal for eternity *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt