13. Kapitel

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,,Früher, müsst ihr wissen, da sah die Welt noch ganz anders aus. Die vielen, kleinen Inseln, die es heute gibt, existierten kaum. Stattdessen gab es riesige Landstriche, ganze Kontinente und es gab verschiedene Länder. Insgesamt waren es 194."

Die kleinen Gesichter vor mir staunten.

,,Fast jedes Land hatte eine eigene Sprache, eine andere Kultur und andere Sitten."

,,Aus welchem Land kamst du?"

Ich lächelte.

,,Frankreich."

Baby 5 und Buffalo fingen an zu lachen.

,,Das klingt lustig!"

,,Und wir Franzosen hatten auch unsere eigene Sprache."

,,Franzosen!"

kicherte die Schwarzhaarige und hielt sich den Bauch.

,,Ne t'en moque pas. So, wie wir diese Bezeichnung hatten, so hatte es jedes andere Land auch."

Überrascht schauten mich meine Gegenüber an.

,,Was hast du gesagt?"

Ich lächelte.

,,Ich sagte, mach dich nicht darüber lustig. Das war gerade französisch."

Begeistert klatschte das kleine Mädchen in die Hände.

,,Das klingt richtig schön!"

Law meldete sich zu Wort.

,,Was sprechen wir gerade?"

Ich seufzte.

,,So genau kann ich das auch nicht wirklich beantworten. Es ist eine Art Mischung aus den Hauptsprachen, die es damals gab."

,,Wie viele Sprachen gab es?"

Ich schloss kurz meine Augen und legte den Kopf in den Nacken.

,,Mehr als 6500 auf jeden Fall...aber genau kann ich es dir nicht sagen."

Die Augen der Kinder wurden noch größer und ich lächelte.

,,Und das ist 2000 Jahre her?"

fragte dann Law und mein Lächeln verschwand.

,,So in etwa...es...es ist damals viel passiert."

Ich atmete tief ein und sah meine Gegenüber ernst an.

,,Ein Ressourcen-Krieg zerstörte die Welt. Edelmetalle wurden seltener, das Trinkwasser wurde durch die zunehmende Weltpopulation knapper und Korruption zog sich durch die Politik. Es gab viele Aufstände, vor allem, weil wir uns damals in einer klima-kritischen Situation befanden. Ganze Plastik-Inseln schwammen im Meer. Die Erde wurde wärmer, Polarkappen schmolzen und der Meeresspiegel stieg an. Viele Menschen vertrauten den politisch Einflussreichen nicht mehr. Gold war eines der wichtigsten Metalle, gefolgt von Stahl. Und irgendwann...tja, irgendwann lief das Fass über. Ich weiß nicht mehr, welches Land wem zuerst den Krieg erklärte. Ich weiß nur noch, dass ich eines Nachts aufwachte, weil eine Bombe über der Stadt abgeworfen wurde. Alles brannte, Menschen schrien, Gebäude stürzten ein. Innerhalb von wenigen Stunden war alles verwüstet. Wir wurden, und da danke ich Gott, von einfachen Brandbomben getroffen. Andere Länder, wie Russland oder Nordkorea bewarfen sich mit Atom- und Wasserstoffbomben. Jedenfalls...als der Morgen kam, lag alles in Schutt und Asche. Ich hatte mich im Keller versteckt, wo meine Familie war wusste ich nicht. Irgendwie schaffte ich es aus den Trümmern auf die Straße zu kommen. Schwerer Rauch hing in der Luft, mein Gesicht war mit Ruß beschmiert. Hustend schleppte ich mich durch die Gegend. Ich verließ die Stadt, barfuß und traumatisiert. Überall sah man Leichen und verbrannte Gebäude. Irgendwann kam ich in die Pyrenäen, eine Gebirgskette. Aide-toi, le ciel t'aidera. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Ich hatte den ganzen Weg lang keinen einzigen Menschen gesehen, niemand hat mir geholfen, also half ich mir selbst. Und ich überlebte. In den Pyrenäen traf ich auf eine Gruppe, eine Art Kult. Sie nahmen mich auf. Zuerst verstand ich sie nicht, weil meine Ohren durch den Einschlag der Bomben noch geschädigt waren, aber mit der Zeit drangen ihre Worte zu mir durch. Ich erfuhr, dass sie streng gläubig waren und sich selbst als eine erweiterte Form der Alchemisten sahen. Sie hatten etwas geschafft, was vor ihnen noch keiner geschafft hatte. Sie waren unsterblich."

Gespannt hingen die drei an meinen Lippen.

,,Von ihnen erhielt ich mein Amulett und durch sie wurde ich ebenfalls unsterblich. Sie verrieten mir die Formel und die nötigen Zutaten. Ein leuchtender Trank entstand am Ende, den ich zu mir nahm. Im Gegenzug dazu legte ich einen Schwur ab."

Ich seufzte schwer.

,,Flieger griffen die Stadt Andorra an, welche nur ein kleines Stück von uns entfernt lag. Die Druckwelle der Wasserstoffbombe zerstörte die Unterkunft und die Hitze fraß die Körper meiner Retter. Zum Zeitpunkt des Einschlags befand ich mich gerade unter der Erde in einer Höhle. Ich weiß nicht mehr, was ich dort getrieben habe. Ich hörte bloß den Knall und wusste im nächsten Moment, dass alles Leben an der Oberfläche ausgelöscht war. Durch den Trank war ich nicht nur unsterblich sondern auch gegen die Strahlung immun geworden. Der pechschwarze Regen, der kurz nach der Detonation auf den Boden regnete, schwemmte meine Tränen weg. Bei dem Verlust meiner Familie hatte ich gar nicht weinen können, aber dort brach alles aus mir heraus. Ich war allein, allein und verzweifelt."

Ich machte eine kurze Pause und atmete tief ein.

,,Der Krieg zerstörte alles. Größere, zerstörerischere Waffen wurden entwickelt. Es war ein Wettlauf. Wer mehr zerstörte, der hatte gewonnen. Irgendwann war es nur noch der blanke Hass und Wahnsinn...bis letztendlich nur noch die kleinen Inselchen von heute übrig waren."

,,Wie hast du das überlebt?"

Ich schaute in den Himmel und griff nach meinem Amulett. Die Sonne stand bereits tief, es dämmerte fast.

,,Nach dem Angriff auf Andorra hatte ich mich in diese Höhle zurückgezogen. Nächtelang lang konnte man nichts, als ohrenbetäubendes Knallen hören. Ich dachte schon, dass ich taub werden würde. An einem Morgen war alles ruhig und als ich mich heraus traute, sah ich bloß den weiten Ozean."

Ich schaute wieder die Drei vor mir an.

,,In den letzten 2000 Jahren hat sich die Menschheit wieder erholt. Völlig neue Tierarten sind entstanden und eine ganz andere Technologie als damals existiert. Vieles hat sich verändert, aber bis dahin war es ein langer und steinender Weg."

Mit diesen Worten beendete ich meine Erzählung und lächelte leicht.

,,Sind eure Fragen damit beantwortet?"

Sprachlos nickten die Drei, bevor Baby 5 aufstand und mich umarmte. Ich lachte leise und erwiderte die Umarmung.

,,Schon gut. Wie wär's, wenn wir vier uns auf den Weg zum Essen machen? Nicht, dass wir wieder zu spät kommen." 

Immortal for eternity *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt