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Staubflocken rieselten auf Sebastians Kopf herab, als er in seinen Dachstuhl hinaufstieg.
Er war sehr lange nicht mehr hier oben gewesen.
Spinnennetze verzierten die alten Dachbalken. Durch das kleine Dachfenster brach der Mondschein hinein und spendete dem stickigen Raum etwas Licht.
Durch den Mondschein sah man die Staubflocken tanzen, die Sebastian beim Betreten aufwirbelte.

Die Decke war hier oben so niedrig, dass Sebastian sich nicht hinstellen konnte.
Er musste auf allen Vieren herumkriechen.
Sebastian streckte seinen Arm etwas nach oben aus und zog an der Schnur, die über ihm hin und her baumelte.
Die Glühbirne fing an zu flimmern bis sie sich beruhigte und das Licht konstant abgab.

Sebastian kroch zu den alten Kartons, die überall verteilt im Dachstuhl lagen und setzte sich vor ihnen im Schneidersitz hin.

„Bla Bla Bla, Kinderfotos, Hochzeit, Krimskrams, altes Spielzeug." Mit diesem Gedanken durchsuchte er die Kartons und schob einen nach dem anderen von ihm weg. „Wo ist es?", dachte sich Sebastian langsam genervt.

Sebastian griff nach dem nächsten Karton und pustete den Staub weg.
Der Staub wurde dadurch aufgewirbelt und Sebastian musste anfangen zu Husten.

Nachdem sein Husten sich beruhigt hatte, öffnete er den Karton. Erleichtert und erfreut nahm er seine alten Mappen und Blöcke hervor.
„Jedenfalls warst du zu etwas gut." Sebastian griff nach dem ersten Block und fing an ihn durch zu blättern.
Alte Kinderzeichnungen und alte Tagebücher fielen ihm ins Auge.
Er nahm sich das Tagebuch, schlug eine zufällige Seite auf und begann zu lesen.

Heute ist Papa schon wieder nicht nach Hause gekommen. Mama sagt, er kommt nicht wieder, er sei ausgezogen. Jeden Abend höre ich sie weinen. Auch, wenn sie es nicht zugibt. Oliver ist auch verschwunden. Mama sagt Oliver wäre jetzt im Himmel.

Sebastian klappte sein altes Tagebuch schnell wieder zu. Er atmete langsam ein und aus.
„Das brauche ich nun wirklich nicht. Jedoch weiß ich jetzt, dass ich nach älteren Sachen suchen muss."
Er steckte das Tagebuch zurück in die Box und nahm sich die anderen Sachen vor.

Nachdem er einige Zeit in den verstaubten Kartons rum gesucht hatte, entdeckte er endlich ein altes Notizblock mit den Aufzeichnungen, die er mit seinem Vater damals aufgeschrieben hatte. „Die Morse Codes Beschreibungen!", rief er erfreut aus.

Er verschloss die Kartons und schob sie wieder etwas zurück.
Danach kroch er mit dem Notizblock zur Dachluke und stieg auf die Leiter. Unter seinen Füßen knirschte und knackste sie. Bei der vorletzten Stufe knirschte es zu laut.
Innerhalb einer Sekunde brach die Sprosse unter seinen Füßen hinweg. Sebastians Fuß knickte zur Seite weg,
er fiel nach hinten und landete unsanft auf seinem Hintern.

Vor Schmerzen verzog er sein Gesicht und schrie auf. Sein Knöchel pochte. Beim Versuch aufzustehen, zog der Schmerz das ganze Bein hinauf.
Der Schmerz war so stark, dass er sich wieder nach hinten fallen ließ.
Beim zweiten Versuch zog er sich ohne seinen schmerzenden Fuß nach oben.
Als er stand, bückte er sich noch einmal um das Notizbuch, dass beim Sturz ihm aus der Hand fiel, aufzuheben.
Danach humpelte er, an der Wand entlang, runter in die Küche.

In der Küche nahm er sich gefrorene Erbsen aus dem Kühlfach und hielt es sich an sein Knöchel.
Während sein Fuß abkühlte, nahm er sich das Notizblock hervor und blätterte so lange darin herum, bis er die Seite mit den Übersetzungen fand.

Nachdem er dies gefunden hatte, nahm er das Handy aus seiner Hosentasche hervor und spielte die Melodie mehrmals ab.
Währenddessen öffnete er eine Küchen Schublade und nahm einen Bleistift und ein Post-it heraus.

Mit der Melodie in seinem Kopf, der Übersetzung aus dem Notizblock und dem schmerzenden Knöchel entzifferte er den Morse Code.

„Heureka! Ich hab es!" triumphierend und voller Stolz, hielt er den Post-it in die Luft.
„Labyrinth! Der Morse Code ergibt Labyrinth!" immer wieder rief er Labyrinth in der Küche herum und führte einen kleinen Schultertanz auf.
„Das einzige Labyrinth, das ich kenne, wäre der im Park."
Mit dieser Erkenntnis humpelte Sebastian ins Badezimmer und verband sich seinen Knöchel.
„Das muss halten." Sagte er und betrachtete seinen dick eingepackten Knöchel.
„Wie eine Mumie." Lachte seine innere Stimme.
Sebastian fing an zu lachen.

So ein Erfolg schien ihn immer wieder anzuspornen. Sein Leben hatte sich nicht grade zum Positiven geändert, jedoch schien ihm dies, in irgendeine Weise, zu gefallen.

Noch immer grinsend, humpelte Sebastian in den Flur um seine Jacke anzuziehen.
„Mit dem Fuß kommst du aber nicht in deine Schuhe rein." Sagte ihm sein Unterbewusstsein.
„Du hast Recht." Antwortete Sebastian sich selbst und humpelte zu seinem Schuhschrank.
Dort nahm er seine alten Gummistiefel hervor.

Die Stiefel waren mit getrockneten Schlamm bedeckt. Als Sebastian sie anzog, rieselte der Schlamm auf seinen Fußboden. Nach ein paar Gehversuchen, stellte er zufrieden fest, dass sein Fuß dort hineinpasste.

Nachdem er das Handy und den Post-it aus der Küche geholt hatte, nahm er seinen Türschlüssel und wollte grade hinausgehen, als es an seiner Tür klingelte.

Als Sebastian seine Tür aufmachte, sah er in große neugierige alte Augen. „Doris." Entfuhr es Sebastian. „Ja hallo, junger Mann. Ich wollte mal fragen wie es Ihnen geht und ob ich vielleicht meinen Topf wieder bekommen könnte? " Sagte sie und lächelte ihn an.
„Mist! Die Suppe" - „Ja natürlich, warten Sie bitte kurz einen Moment."
Schnell schloss er die Tür und humpelte so schnell er konnte in die Küche.
Weil er sich beeilte, schüttete er die Suppe halb neben die Biomülltonne auf den Boden. „Scheiße!", rief er aus, als ihm davon etwas in sein Gummistiefel lief.
Die Suppe roch nach Verwesung und schimmelte an manchen Stellen.
Sebastian rümpfte seine Nase und schluckte seine hoch kriechende Übelkeit hinunter.

Schnell füllte er den Topf mit Spülmittel und Wasser und fing an, den Topf mit einem Schwamm zu schrubben. Nachdem er alles grob entfernt hatte, spült er ihn noch einmal mit Wasser aus und trocknete ihn schnell mit einem Handtuch ab.

Mit dem Topf in der Hand humpelte er zurück zur Tür, wo seine Nachbarin Doris immer noch wartete.
„Hier bitteschön." Keuchte Sebastian als er seine Türe öffnete. Doris nahm den Topf dankbar an. „Es tut mir leid, dass ich Sie noch so spät gestört habe. Ich habe morgen Besuch und brauchte unbedingt meinen Topf." Sagte sie noch, als sie sich umdrehte und ihm dankend zu winkte.
„Kein Problem." Sagte Sebastian und winkte ihr hinterher.

Während Doris ihre Haustür hinter sich schloss, verließ Sebastian auch sein Zuhause und schloss hinter sich ab.

Beim umdrehen erblickte er den Park, wo es für ihn so aussah, als würde sich das Labyrinth vor ihm bedrohlich aufbauschen.

UnerkanntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt