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Nach dem Englischunterricht packe ich langsam meine Sachen zusammen und schaue zu Emma, die gerade ihren Rucksack zu macht. Ich hoffe, sie hat nicht vergessen, dass wir uns heute treffen. Ich stehe auf und ziehe meine Jacke an, während um mich herum schon die meisten Schüler rausstürmen.

„Na, bereit mit mir zu verzweifeln?" Ich drehe mich um und sehe, dass Emma an meinem Tisch steht und mich anlächelt.

„Ach, so schlimm wird es sicher nicht." Ich schultere meinen Rucksack und gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu ihrem Fahrrad.

„Warte nur ab, in Mathe verzweifele ich ganz schnell", bemerkt sie und stellt ihren Rucksack in den vorderen Korb, als wir bei ihrem Fahrrad ankommen. Mir fällt auf, dass der Korb hinten fehlt, weswegen wir direkt loskönnen. Ich behalte diesmal meinen Rucksack auf dem Rücken und steige auf. Dann fahren wir los und unterhalten uns wieder einmal über die Schule bis wir bei mir ankommen. Während Emma ihr Fahrrad abschließt, steige ich die Stufen zur Tür hoch und schließe sie auf. Ich halte ihr die Tür auf, ehe wir gemeinsam in den zweiten Stock gehen und ich dort die Wohnungstür aufschließe.

„Ist dein Vater zuhause?", fragt sie, als wir unsere Schuhe und Jacken ausziehen und in das Wohnzimmer gehen.

„Ne, er ist jetzt für mehrere Monate weg", antworte ich und schmeiße meinen Rucksack in mein Zimmer. Dann gehe ich zu meinem Schreibtisch und hole meine Mathesachen.

„Was? Wieso?", hakt sie irritiert nach und beobachtet, wie ich wieder zurückkomme und zum Esstisch gehe.

„Er hat einen Auftrag bekommen, eine Reportage zu drehen und ist dafür jetzt unterwegs", erkläre ich und setze mich an den Tisch. Ich bedeute ihr, sich zu setzen und lege das Mathebuch auf den Tisch. Sie setzt sich neben mich und holt ihre Matheaufgaben heraus.

Die nächsten Stunden verbringe ich damit, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen und ihr die Vektorrechnung zu erklären. Es dauert etwas bis sie es kapiert und an einigen Stellen verzweifelt sie fast, jedoch bin ich geduldig und versuche ihr alles in Ruhe zu erklären.

„Oh man, ich brauche eine Pause", stöhnt Emma nach mehreren Stunden und fährt sich erschöpft übers Gesicht. Ich nicke einverstanden und in diesem Moment gibt mein Bauch ein knurrendes Geräusch von sich.

„Hast du auch so Hunger?", frage ich lachend und lege eine Hand auf meinen Bauch, in der Hoffnung, dass er keine weiteren Geräusche macht. Ich schiebe den Stuhl zurück und stehe auf, um in die Küche zu gehen und etwas zum Essen zu suchen.

„Ja." Sie folgt mir in die Küche und ich sichte unseren Gefrierschrank. „Wie wäre es, wenn wir etwas kochen?"

„Etwas kochen?", wiederhole ich nachdenklich und schließe die Tür wieder. „Können wir machen, aber es muss schnell gehen."

Wir überlegen hin und her, was wir nun kochen wollen und ich schaue tatsächlich in einem Kochbuch, was wir noch von meiner Mutter haben, nach. Wir entscheiden uns schließlich für ein Nudelgericht mit Fleisch und einer Sahnesoße.
Während ich mich um die Nudeln kümmere, macht Emma den Rest.

„Siehe zu und lerne", meint sie grinsend, als ich die Nudeln in den Topf gegeben habe und ihr zugucken, wie sie das Fleisch vorbereitet, um es dann in der Pfanne anzubraten. Mit schnellen und einfachen Bewegungen schneidet sie es in kleine Stücke und gibt es dann in die Pfanne.

„So schwer ist das doch nicht...Das hätte ich bestimmt doch hinbekommen", bemerke ich nachdenklich und wende mich wieder ab. Mir fällt ein, dass ich für die Nudeln gar keinen Timer gestellt habe und mache es jetzt schnell.

„Hm", erwidert Emma skeptisch und mustert mich knapp, „ich weiß ja nicht, ob du es tatsächlich geschafft hättest."

„Hey!", rufe ich empört aus und werfe ihr einen bösen Blick zu. „Danke, dass du so sehr an meine Fähigkeiten glaubst", füge ich ironisch hinzu und wende mich gespielt beleidigt ab.

„Nein Spaß...tut mir leid, ich bin mir sicher, dass du das auch geschafft hättest", gibt sie nach und legt mir versöhnlich ihre Hand auf meinen Arm.

Zehn Minuten später sitzen wir wieder am Tisch, wo wir die Mathesachen beiseitegeschoben haben, und essen. Das Essen ist richtig lecker und es dauert nicht lange bis wir uns beide noch eine Portion holen.

„Ist es nicht ein bisschen einsam oder langweilig jetzt hier allein zu wohnen?", fragt Emma nach einer Weile und schaut mich nachdenklich an.

„Naja, mein Vater ist sonst auch nicht so oft da, deswegen ist es jetzt nicht wirklich einsamer und langweiliger als sonst", antworte ich und zucke mit den Schultern, „außerdem bin ich später auch allein, wenn ich ausziehe und kann sozusagen schon mal üben." Ich spieße einige Nudeln auf die Gabel und führe sie dann zu meinem Mund.

„Oh, ach so."

„Ja, aber Hannah übernachtet zum Beispiel nächste Woche für ein paar Tage bei mir und Niklas vielleicht auch", erzähle ich und trinke etwas von meinem Orangensaft.

„Du und Hannah, ihr versteht euch echt gut, oder?" Sie schiebt sich ihre Gabel in den Mund und mustert mich dann neugierig.

„Ja, sie ist meine beste Freundin."

„Wie lange kennt ihr euch denn schon?", fragt sie interessiert und isst die letzte Nudel von ihrem Teller.

„Seit der Grundschule, da haben wir uns in der ersten Klasse angefreundet, weil wir von einigen Älteren geärgert wurden und seitdem haben wir alles gemeinsam gemacht."

„Das ist schön, dass ihr euch gefunden habt. Rosa und ich haben uns erst in der siebten Klasse angefreundet, als die Klassen neu gemischt wurden", erzählt sie lächelnd und ich nicke. Ich kann mich noch daran erinnern, dass die beiden schnell beste Freunde wurden und unzertrennlich waren.

Nach dem Essen machen wir noch kurz weiter mit Mathe, doch wir geben es schnell auf, da die Konzentration von uns beiden komplett weg ist. Stattdessen reden wir noch etwas, bis sich Emma schließlich auf den Heimweg macht.

***

Am Freitag kommt Hannah sofort aufgeregt zu mir gelaufen, als sie bei der Schule ankommt und mich erblickt.
„Weißt du was?", ruft sie begeistert, nachdem wir uns zur Begrüßung umarmt haben.

„Was denn?", frage ich neugierig und beobachte belustigt, wie sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitet.

„Ich habe eine Party gefunden, auf die wir gehen können!", berichtet sie begeistert und wartet gespannt meine Reaktion ab.

„Wie das denn? Und von wem?", frage ich überrascht, da ich nicht gedacht hätte, dass sie so schnell eine Party auftreiben würde.

„Ich habe über Insta gesehen, dass jemand eine Party feiern will und dann mit ihm geschrieben, damit er mich einlädt."

„Du willst auf eine Party von einem Fremden gehen? Vielleicht ist er in Wirklichkeit gefährlich, du kennst ihn ja gar nicht!", werfe ich besorgt ein, doch sie schüttelt entschieden den Kopf.

„Leute, die ich kenne, kennen ihn auch und er scheint echt nett zu sein. Außerdem kommst du mit, damit auch wirklich nichts passiert", erwidert sie lächelnd und ich nicke einverstanden. Eine Party klingt gut, es ist eine gute Gelegenheit zu trinken und Leute kennenzulernen.

„Wann und wo ist die Party denn?", frage ich weiter nach.

„Morgen und die Adresse weiß ich grade nicht auswendig, aber wir können ja zusammen mit dem Bus dahinfahren."

„Was? Morgen schon?", rufe ich schockiert und Hannah nickt fröhlich.

„Was ist morgen?", fragt in diesem Moment Niklas, der gerade unbemerkt bei uns angekommen ist und uns nacheinander neugierig anschaut.

„Eine Party von so einem Typen. Willst du auch kommen?", sagt Hannah und lächelt Niklas glücklich an.

„Verdammt, morgen kann ich leider nicht...Ich wäre echt gerne mitgekommen", antwortet Niklas nach kurzem Überlegen und schaut deprimiert zur Seite.

„Schade", murmelt Hannah und sieht ebenfalls enttäuscht aus.

„Dann bist du eben das nächste Mal dabei", sage ich aufmunternd, damit die beiden deswegen nicht so schlecht drauf sind, „es gibt sicher noch ganz viele Partys, auf die wir gemeinsam gehen können!" Niklas nickt und scheint nicht mehr ganz so traurig zu sein und auch Hannah sieht wieder fröhlich aus, da ihre Vorfreude auf die Party wohl gesiegt hat.

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