Schwerelos.

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Kapitel 10

POV TIM

X

Die Kombination aus Lärm, und dem Namen, meines besten Freundes, zog sich, an jeglicher Ruhe beraubt, wie eine Spirale durch mein Ohr.
Eine Schauer erfasste meinen gesamten Körper.
Dort, wo evident betrachtet, das Befinden, meines Kopfes war, durchzog sich nun bloß noch eine schwarze, klebrige Masse.
Mein Herz hämmerte gegen die Innenwände meiner Brust, als versuche es krampfhaft zu entfliehen.
Augenblicklich machte ich auf dem Absatz Kehrt.
Die Treppenstufen glitten unter meinen Füßen hinweg, wie die unendliche Landschaft, nieder den Flügeln, eines Adlers, während ich sie, immer eine auslassend, hinter mir ließ.
Mein Kopf war wie beraubt an Gedanken.Alles, was für mich in diesem Moment zählte, war Jan.
Plötzlich sah ich einem, mir unbekanntem Mann in die Augen.Sie wirkten verlassen und leer.Saßen tief in den Höhlen und ließen diese, trotz ihrer Existenz, nicht gefüllter erscheinen.
Sein Blick, mit welchem er mich von oben bis unten musterte, war kalt und unangenehm zu ertragen.Seine Abstinenz, jeglicher Wärme und Sanftheit, ließ mich, für den Bruchteil einer Sekunde, an schroffe, spiegelnde Rasierklingen denken.
Doch noch etwas, an der Art, dieser Ausstrahlung war dekadent unerträglich.
Er sah mich nicht mit dem unterliegenden Hauch ungewisser Exotik im Blick an, mit welchem man vorbeiziehende Fremde auf der Straße beobachtete.
Sein, mich verfolgender Ausdruck glich eher dem eines Wolfes, welcher seine Beute unaufhörlich in seinem Blickfeld gefangen nahm.
Das Lamm, welches er so schnell, wie möglich aus dem Blickfeld und dem Sinn,in die Magengegend verjagen wollte, war ich.Bereits gefangen und verschlungen, in den Krallen, seiner Auge.Seit jenem ersten Schritt, in sein Revier, zum Tode verurteilt.
Eine hasserfüllte Spur zog sich durch die Visage des Raubtieres.
"Wer bist du?", ich war außer Atem und meine Stimme hatte einen rissigen Schein angenommen.
"Das hat dich 'n Scheiß zu interessieren.Verschwinde von hier!", die Seine war leer und kratzig,ebenso wie seine Augen.
"Das werde ich nicht!Nicht, ehe du von dieser Tür verschwindest.", seine Hand, welche gerade eben noch zur Faust geballt, an die Tür gerichtet war, schwang nun bedrohlich, wie eine Tatze, durch die Luft in meine Richtung.
Bedächtigen Schrittes ging ich auf ihn zu.
Unsere Blicke waren nun tief ineinander verstrickt, wie der heulende Herbstwind in den Baumkronen.
"Verschwinde!", ich konnte seinen Atem gleißend heiß über meine Haut ziehen spüren.
"Es wäre besser, wenn du verschwinden würdest. Besser für dich.", mit diesen Worten holte ich aus.
Meine Faust prasselte wie ein Hagelregen auf ihn nieder.
Ein hallender Laut entschwand in der Stille. Gefolgt von spritzendem Blut, welches meine Knöchel nicht unverfehlt ließ.
Der Wolf riss seine Augen bedrohlich weit auf.Sie hatten an Dunkelheit, und Licht gleichermaßen verloren und gewonnen.
"Das war nicht sehr klug von dir, du Bastard!",seine gewaltigen Pfoten schnellten hervor und packten mich am Halskragen, meiner Jacke.
Mit einer solchen Wucht, dass meine Umgebung, für wenige Augenblicke an jeglicher Farbkraft verlor, stoß mich der Fremde gegen die Wand.
Ein heißkaltes Gefühl überkam mich und ich fürchtete, um das Abblättern des Putzes. Angesichts der jetzigen Situation, war das wohl meine unberechtigste Sorge.
Seine zornigen, undefinierbaren Augen fixierten mich.
Sie durchstoßen jene, von Imagination geprägte Dunkelheit, wie helles Scheinwerferlicht, welches mich nur knapp zu verfehlen schien, und somit in die ewige Dunkelheit reißen würde.Diese würde nicht, wie Nebelschwaden, von Illusion und Phantasie durchzogen werden. Es wäre bloß eine einsame, rabenschwarze Dunkelheit. Ohne jegliches Entkommen.
Plötzlich durchschoß ein Funken Licht jene Dunkelheit.
Dieser, anfänglich noch so minimal und unbedeutend wirkende Schein, brach auf einmal alle Schwärze entzwei.
Die Haustür war weit aufgerissen und das Licht, des angrenzenden Hausflurs zu sehen. Und mit ihm Jan.
Seine Augen waren verquollen. Seine Nase dick und rot angelaufen. Vor seinen, sonst so strahlenden Augen, zogen sich tiefe Gräben .Seine Hände zitterten. Die Haut schneeweiß.So stand er vor uns. Doch trotz Alledem war ich noch nie so glücklich ihn zu sehen. Und zur gleichen Zeit unsagbar traurig.
Mein Blick schweifte weiter, wie ein Blatt im Winde, zu dem Mann, welcher die Exekutive von jener Gewalt war, welche Jan plötzlich und ohne jeglichen Halt kopfüber, in den Ozean, dieser Angst gestoßen hatte.
Ebenso, wie das Blatt im Winde, nicht mehr Herr seiner Selbst war, so war ich es nun.
Ein dröhnendes Knacken, verlor sich in der lichtdurchfluteten Dunkelheit, als meine Faust hart in der Mitte seines Gesichts aufstoß.
Dann war es ein lauter, kehliger Schrei, welcher sich ihr hingab.
Schützend baute ich mich vor Jan auf.
Der Wolf war mit einem kaum merklichen Ton zu Boden gesunken.
Seine Hand war fest auf seine blutüberströmte Nase gepresst, als seine funkelnden, an jeglicher Dunkelheit verlorenen Augen, mich durch die Finger hindurch fixierten.
"Verschwinde endlich.", meine Lunge fühlte sich, wie von Salzwasser ertränkt an.
Langsam und behutsam richtete sich das, vor uns ragende Raubtier auf.
"Das war nicht das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben, Jan. Dein kleiner Bastard wird dich nicht immer beschützen können.", ein Tropfen Blut sank auf den Beton nieder.
"Ich werde ihn beschützen, bis zu meinem Tod. Mach dir darum keine Sorgen. Jetzt verschwinde! Das ist deine letzte Chance.", mit funkelnden Augen musterte ich jede Bewegung des Tieres,welches nun jegliche Gefahr und Skrupelqual verloren hatte. Als hätte man ihm Zähne und Krallen gezogen, aus Sorge, es würde sich mit einem Hechtsprung zurückversetzen.
Doch das tat es nicht.
Der Wolf entschwand in der Schwärze, des Treppenhauses und verschmolz mit ihr.

Zaghaft legte Jan die Bandagen um meine Fingerknöchel.
Aufmerksam beobachtete ich seine, sich im matten Licht windenden Gesichtszüge dabei.
"Tim, du weißt, dass du ein großer Teil meines Lebens bist und ich es mir, nein nicht mehr,ohne dich vorstellen kann. Ey,das war gelogen. Aber du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dankbar ich gerade heute bin, dass du dieser Teil bist,  und dass dir nichts passiert ist. Das hätte ich mir niemals verzeihen können.", ein motorischer Tic unterbrach meinen Gegenüber für einen kurzen Augenblick. "Ich war so voller Angst und du hast mich beschützt. Ich bin dir unsagbar dankbar, für alles und für dich."
Unsere Blicke verloren sich für einen Moment ineinander, ehe Jan den Seinen abwendete.
"Jan, wir sollten nur dafür dankbar sein, dass ich rechtzeitig da war und er dir nichts angetan hat. Dafür hätte ich ihn ins Grab gebracht.", erneut treffen sich unsere Blicke. "Der Rest war selbstverständlich.", ein mattes Lächeln huscht über meine Lippen und verblasst. "Wer war der Typ überhaupt?"
Erneut richtet sich Jan's Blick in die schier endlos wirkende Leere.
"Alles zu seiner Zeit, in Ordnung?"
Ich nickte wortlos.
Seine, die Meinen bandagierenden Hände waren ehemals in der Bewegung gedämmt und ruhten nun, ein ungewohnt wohliges Gefühl einhauchend, auf Meinen.
Behutsam zeichnete sein Daumen kleine, sich ineinander verlierende Kreise auf meinem Handrücken. Während ich, ein letztes Mal luftholend, in die Tiefen des Ozeans abtauchte.
Viel zu schnell waren die vergangenen Momente, wie Bildschriften, im Treppenhaus vorbeigerast, als dass ich sie hätte greifen können.
Wie auf einer riesigen Leinwand zogen die längst vergangenen Augenblicke nun an mir vorbei, und ich konnte jenes, sich ineinander auflösende Gefühl stets spüren. Dieses Gefühl, der Kraft und Bestimmung Jan zu beschützen.

"Alles, was für mich in diesem Moment zählte, war Jan.", hallte es plötzlich niederklingend in mir. War er nicht alles, was seit jenem Tag vor vier Jahren unaufhörlich für mich zählte?
Das, was von solch immenser Wichtigkeit war, dass ich sofort alles aufgeben würde, nur um sein strahlendes Lächeln zu erblicken?

Dann plötzlich, ohne jegliche Kontrolle und Schwerkraft, verschwammen unsere Blicke in- und zueinander.

Thunderstorm daydreams|Gewitter im Kopf Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt