Lautlose Worte

Zentrum der Macht

Schau mich an, ich bin eine Frau.
Das sieht man sofort, auch wenn man nicht darauf achtet.
Man stempelt mich ab, ich bin eine Frau. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich habe Brüste, die ein bisschen zu klein sind,
einen Po, der ein bisschen zu klein ist,
und ein Körper, der ein bisschen zu klein ist.

Irgendwie ist alles ein bisschen zu klein an mir geraten,
weil ich mich selbst kleiner mache als ich bin,
weil ich das von der Gesellschaft um mich rum so gelernt habe,
denn wenn ich nicht schön genug bin,
bin ich es nicht wert,
gesehen, geschätzt und respektiert zu werden.

Dieses eine Wort "Frau" macht aus,
wer ich zu sein habe, ob ich das will oder nicht.
Und es reduziert mich nur darauf, was man von mir sieht,
aber was ist mit den Dingen in mir drin, die man nicht sieht?

Ich habe mehr zu bieten als nur Brüste, Po und einen Körper.
Ich bin so viel mehr als nur mein Körper.

Ich habe Ohren, mit denen Ich die Geräusche und Gespräche um mich hören kann.
Ich habe Augen, mit denen Ich auch die kleinen Dinge im Leben sehen kann.
Ich habe ein Gehirn, mit dem Ich verstehen kann, was du meinst, wenn du mir sagst, was dir wichtig im Leben ist.

Und ich habe Worte.
Ich habe Worte, mit denen ich diese Welt ein kleines Stück verändern kann,
um ihnen danach Taten folgen zu lassen.
Ich habe ein Herz, das manchmal viel zu groß für mich ist und jeden liebt,
der sich ein kleines Stück für mich interessiert.

Und ich habe eine Geschichte.
Ich habe eine Geschichte,
die mehr ist als nur ein paar Buchstaben auf einem Stück Papier,
die keiner lesen will.
Ich habe eine Geschichte,
die es wert ist gehört zu werden.

Denn ich bin nicht nur eine Frau.
Ich bin ein Zentrum der Macht.

Mein erstes Zentrum der Macht ist hier. – mein Kopf.
Genau da entstehen all diese Gedanken, die ich aufschreibe,
genau da steckt all mein Wissen
und genau da stecken all meine Erinnerungen, die mir niemand mehr  nehmen kann.

Mein zweites Zentrum der Macht ist hier. – mein Herz.
Dort sind all meine Gefühle versteckt,
die ich dir zeige oder doch lieber für mich behalte,
genau dort kommt die Liebe her,
die ich den Menschen in meinem Leben jedes Mal aufs Neue schenke,
weil sie es wert sind für immer einen Platz in meinem Leben zu haben.

Und mein letztes, drittes und vielleicht sogar wichtigstes Zentrum der Macht ist hier. – meine Gebärmutter.
Denn genau dort kann Leben entstehen,
und genau dort kann ich einem Menschen das Leben schenken.
Ohne dieses Zentrum der Macht, würden wir alle nicht hier stehen,
ohne diesem Zentrum der Macht wäre diese Menschheit schon längst ausgestorben,
und genau das sage ich mir, wenn ich jeden Monat aufs Neue leide, wie ein Tier,
die Welt um mich herum hasse,
mein Leben verabscheue,
und das Universum für diese eine Woche verfluche.

Aber ich darf das,
denn ich bin eine Frau,
und das ist mein Zentrum der Macht,
also lass mich dich für ein paar Stunden im Monat hassen,
ich habe mir verdient für ein paar Stunden ein Biest zu sein,
weil ich den Rest des Monats eine kleine Schmusekatze bin.

Ich bin eine Frau.
Ich habe mehr zu bieten als meinen Körper.
Ich bin ein Zentrum der Macht.

Und deswegen habe ich aufgehört,
mich für meinen Körper zu schämen,
sondern angefangen meinen Körper mit jeder Narbe und jeden Fehler zu lieben,
auch meine Brüste und meinen Po,
die ein bisschen zu klein geraten sind.

Ich habe aufgehört,
mir für andere meine Beine zu rasieren nur um „hübsch" zu sein.
Ich bin auch hübsch,
wenn ich mal vergessen hab,
meine Beine zu rasieren,
und mir Schminke ins Gesicht zu schmieren,
weil ich das nur noch alles für mich selbst mach,
und nur meine innere Schönheit zählt.

Und ja verdammt,
heute gönne ich mir mal die ganze Tafel Schokolade,
ohne die Kalorien zu zählen,
denn wenn ich Bock darauf habe Schokolade oder Eis oder sonstigen ungesunden Scheiß zu essen, dann tun ich das,
auch ohne schlechtes Gewissen.

Und wenn ich mir diese schwarze Spitzenunterwäsche anziehe,
dann tue ich das für mich,
weil ich mich darin wohl fühle und nicht für dich,
damit du mich schön und sexy findest.

Ich habe aufgehört mich nach den Maßstäben und Schönheitsidealen anderer Leute zu richten,
denn der einzige Maßstab, der zählt ist meiner,
und mir ist egal, was andere davon halten.

Das hier ist mein Körper,
und ich entscheide was damit passiert.
Nicht du, nicht die da drüben.
Niemand.
Nur ich.

Ich bin eine Frau.
Ich bin ein Zentrum der Macht.
Und ich bin es wert, gesehen und gehört zu werden,
mit all meinen Macken und Fehlern,
denn wer ist schon perfekt?

Ich hab mehr zu bieten, als das was du siehst,
denn wenn du mich so ansiehst,
hast du sofort ein Bild von mir im Kopf,
auch wenn du mich gar nicht kennst,
aber wenn du dir für einen kurzen Moment Zeit nimmst,
um hinter die Fassade zu sehen,
wirst du erkennen, wer ich wirklich bin,
denn auch wenn ich nur eine Frau bin,
habe ich mehr als nur meinen Körper zu bieten,
weil ich so viel mehr bin als du auf einen Blick siehst,
weil du mein Ich nicht mit einem einzgen Blick erfassen kannst,
denn ich bin mehr als du im ersten Moment glaubst.