Kapitel 15

58 8 13
                                    

Eine ganze Woche war schon vergangen seit Nayla und Noah durch die Wälder streiften, auf der Suche nach der verschollenen Bibliothek, wohlgemerkt mit Ava als nervenbündelndes Anhängsel.

Noah hatte Nayla nicht mehr nach dem Tagebuch von Ikaya gefragt, doch ist es ihr nicht entgangen, wie er das Buch eines Nachts heimlich nahm und nach einiger Zeit zufriedene wieder in ihre Jackentasche steckte. Von den rausgerissenen Seiten bemerkte er nichts. Trotz Ikayas Vorwürfen gegenüber den Fürstentümern sank Naylas Vertrauen zu Noah keineswegs. Verräter würden sich niemals so ins Zeug legen, wie er es tat, oder?

„Ich glaube wir laufen im Kreis herum“, unterbrach Noah Naylas grüblerische Gedanken. Er blieb stehen und starrte abermals auf das mittlerweile zerknüllte Pergament. Durch sein ruckartiges Stehen lief Ava prompt in ihn hinein, wodurch Noah die Karte in die dreckige Pfütze fallen ließ.

„Man Ava! Kannst du nicht mal aufpassen, wohin du deine Füße setzt? Oder bist du mittlerweile erblindet.“

„Wie wär‘s dann mit weniger Handcreme, vielleicht hättest du dann mit deinen Babyhänden einen festeren Halt gehabt“, funkelte Ava ihn an.

„Wie wär's mit ein paar gebrochenen Beinen, damit du uns nicht mehr hinterherdackeln kannst“, kam es nachäffend von Noah. 

Man sah, dass die Zeit, die sie miteinander verbrachten, sie nicht gerade freundschaftlich zusammenschweißte, was wohl auch an Avas ständigen und unnötigen Fragen lag. Deutlich wurde dies, als sie vor zwei Tagen der Meinung war, dass Engel kaltblütige Geschöpfe seien, was Noah nicht auf seiner Schulter sitzen lassen wollte. Er hob das nun vollkommen eingeweichte Stück Pergament auf, dessen schwarzen Linien völlig zerlaufen waren.

„Super, eins wohl deiner besten Fähigkeiten Ava…“, murmelte Noah in sich hinein, ehe er die Karte wieder in die Pfütze fallen ließ.

„Und was jetzt?“, schaute er fragend zu Nayla hinüber, die lässig an einem Baum lehnte und die Ruhe in Person war. Er nahm an, dass sie die erste sein würde, die ihre Fassung verlieren würde. Wenn sie keine Karte mehr hatten, konnten sie die Bibliothek nicht finden. Sie jedoch grinste von einem Ohr zum anderen und stieß sich von dem Baum ab.

„Ach wie schön, dass die Menschen mit der Zeit immer nützlichere Dinge erfinden, wie zum Beispiel das Handy.“ Ihr Grinsen wurde breiter, als sie in ihre Hosentasche griff, und ihr Handy zum Vorschein kam. 

„Und stell dir vor Noah, mit einem Handy kann man Fotos machen und dreimal darfst du raten, was ich hier drauf habe“, kam es höhnisch von ihr.

Noah schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn.

„Ich weiß, was ein Handy ist verdammt. Sag mir jetzt nicht, dass du die ganze Zeit ein Foto von der dämlichen Karte auf deinem Handy hattest!“ 

Hinter ihm begann Ava schallend an zu lachen, wohl deswegen, weil Noah die gesamte  Woche so achtsam auf das Pergament aufgepasst hatte. Niemand durfte es in den Händen halten oder gar anfassen, solche Angst hatte er, dass die uralte Rolle in sich zusammenfallen würde. Mit einem Handy in der Hand würde dies um ein Vielfaches erleichtern. Die Erkenntnis überkam ihm, als er jetzt den Grund für Avas und Naylas ständiges Gekicher nun wusste. Zorn überkam ihm.

„Okay, das war's, ich spiele nicht mehr den Wegweiser. Macht es doch selber. Ich komme erst wieder, wenn ihr das Gebäude gefunden habt oder besser gesagt, falls ihr sie jemals finden werdet.“

Naylas Grinsen verschwand auf einem Schlag.

„Nein, Noah warte, bleib hier.“ Sie streckte ihren Arm aus, um seine Hand zu ergreifen, doch es war zu spät, er war verschwunden. Sie starrte nun auf den Fleck, auf dem er gerade eben noch gestanden hatte.

Hinter ihr räusperte sich Ava.

„Naja, ist wahrscheinlich auch gut so. Der Engel war keine große Hilfe gewesen.“

Du ebenfalls nicht‘, dachte sich Nayla ihren Teil bevor sie ihr wutentbranntes Gesicht wieder unter Kontrolle brachte und sich zu Ava umdrehte.

„Ist jetzt auch egal, dann muss ich nicht wenigstens die ganze  Zeit eure nervige Zankerei ertragen. Wenigstens bist du ja noch da.“ Sie seufzte und setzte einen Fuß vorwärts, um ihren Weg fortzuführen. Ava jedoch blieb weiterhin stehen und sah Nayla zurückhaltend an.

„Ja, also was das betrifft, ab hier trennen sich auch unsere Wege. Um Re’khutis zu erreichen, muss ich nun den Pfad weiter nördlich nehmen.“ Sie spielte mit ihren Fingern, während sie auf eine Reaktion wartete. Dieses Bild erinnerte Nayla an ein kleines Kind, das seine Mutter um Erlaubnis bat, weggehen zu dürfen, jedoch war Ava nicht ihr Kind, geschweige denn waren sie in irgendeiner Hinsicht verwandt. Es war absurd, dass sie nun Angst haben könnte, dass sie etwas dagegen einzuwenden hatte. Sie konnte dorthin gehen, wohin sie der Weg auch führte.

„Nun gut, etwas schade, dass ich jetzt alleine weitergehen muss, wünsche dir aber eine gute Reise.“ Nayla streckte ihr die Hand entgegen, die Ava auch ohne zu zögern nahm.

„Danke, dir noch viel Glück bei der Suche nach der Bibliothek. Richte dies auch dem Volltrottel aus… ich hoffe, ihr findet sie ohne Komplikationen.“ Ein ehrliches Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit ehe sie ihre Hand wieder zurückzog und sich winkend Richtung Norden wandte.

Nayla sah ihr noch eine Weile nach, bis sie in den Tiefen des Waldes kaum mehr zu erkennen war. Zwar hatte Ava eine kleine nervige Art an sich, jedoch hatte sie einen kleinen Platz in Naylas Herz gefunden. Sie  nahm sich vor, sie eines Tages in Re’khutis zu besuchen.

Ihr Handy vibrierte kurz auf, nur um anzuzeigen, dass der Akku immer mehr schwand.

„Ahh verdammt, ich sollte mich lieber beeilen. Zum Glück sind wir nicht im Kreis gelaufen, so wie Noah es angenommen hatte. Wenn ich diesen Pfad mehr abseits nehme, würde ich das alte Rom vielleicht in zwei Tagen erreichen“, grübelte Nayla über die Karte nach, die ihr mit dem wenigen Licht aufgrund des viel zu niedrigen Akkus entgegenschien.

Sie nahm das Tagebuch von Ikaya wieder heraus und las dort weiter, wo sie zuletzt stehen geblieben war. Vor ein paar Tagen hatte Nayla voller Neugier angefangen, das Buch von Anfang an zu lesen. Es war schön zu sehen, dass Ikaya seine auch nur unwichtigsten Gedanken niedergeschrieben hatte. Alles, was er sah, hörte, fühlte und dachte.

So erfuhr sie in einem Eintrag, dass Weltenhüter untereinander in gewisse Arten eingeteilt wurden. Weltenhüter der Elemente, Weltenhüter der Emotionen sowie Weltenhüter des Kosmos. Was dies zu bedeuten hatte, wusste sie nicht. Ikaya hatte nicht  all zu viel dazu geschrieben. Er selbst war ein Weltenhüter der Elemente. Das Hüter untereinander in sogenannte Arten eingeteilt wurden, fand Nayla urkomisch. Nun fragte sie sich aber selber, zu welcher Gruppe sie wohl gehörte. Sie nahm sich vor, in der Bibliothek darüber etwas nachzuforschen. Welche Quelle wäre besser dafür geeignet, als eine uralte Bücherei, dessen Wissen und Bücher teilweise aus anderen Welten stammten. Wenn sie nach Antworten suchte, würde sie dort gewiss welche finden.

So setzte Nayla ihren Weg auf dem holprigen Weg fort, voller Tatendrang und Ehrgeiz.
________________________________________

yes, ihr habt es erfasst, ein Lückenfüller-Kapitel😁

Solche Kapitel müssen aber auch mal sein 🤗 ( keine Sorge, bei mir kommen Lückenfüller eher selten vor)

Aber eins kann ich schon mal verraten, das nächste Kapitel wird etwas länger, dann habt ihr schön was zu lesen 😁 (geplant sind 3000 - 5000 Wörter)

Die WeltenhüterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt