Kapitel 18

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Das blaue Licht an Noahs Händen verblasste und er ließ Naylas Schultern los.

„Danke, diese Schmerzen waren ja kaum mehr auszuhalten."

Noah lächelte sie kurz an, ehe sein Blick auf den toten Bafarok fiel. Das Wesen hatte mittlerweile wieder seine Ursprungsgestalt angenommen und verweste nun in einer schnellen Zeitspanne vor sich hin.

„Ein merkwürdiges Gefühl, sein eigenes Ebenbild umbringen zu müssen." Noah ging in die Hocke und nahm sich eines der zwei Bücher des Bafaroks, die neben ihm lagen. Man sah es ihm an, dass seine Gedanken sich um seine fast verlorene Magie drehten. Nayla trat näher an ihn heran.

„Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn deine Magie deinen Körper verlässt? Ich meine, dein Herz bleibt zwar stehen, aber so richtig tot bist du ja irgendwie trotzdem nicht. Ist es schmerzhaft?", fragte sie ihn vorsichtig.

Sie konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen, quasi halbtot zu sein und bis zu diesem Augenblick hatte sie auch nicht gewusst oder sich Gedanken darüber gemacht, wie Engel eigentlich starben. Noah schaute an ihr vorbei und richtete seinen Blick auf die Trümmer hinter Nayla, bevor er ihr antwortete.

„Ja, es ist schmerzhaft. Es fühlt sich an, als ob jemand die Adern mit einem Messer aufschlitzt und sobald die Magie komplett verschwunden ist, fällt man in eine tiefe Schwärze, ins Nichts. Wir wachen in einer bedrohlichen Dunkelheit wieder auf, allein, doch sind wir irgendwie nicht allein. In der Dunkelheit lauert etwas sehr bösartiges, ich konnte es spüren. Man fängt an zu rennen und zu rennen aber man kommt nicht von der Stelle und das Allerschlimmste ist... die qualvollen Schmerzen höre nicht auf. Ich bin in meiner persönlichen Hölle wieder aufgewacht, so kam es mir vor. Der beinahe Tot verändern aber auch die Engel. Die Natur hat dieses schreckliche Schlupfloch bei uns wohl oder übel übersehen oder einen Fehler gemacht."

Nayla starrte ihn mit offenem Mund an. Das war weitaus schlimmer, als sie angenommen hatte. Sie nahm an, dass er womöglich in einen tiefen Schlaf versetzt wurde oder dass er sich an die Zeit, in der sein Herz stehen blieb, nicht erinnern könnte, aber das hier...

„Das ist ja schrecklich", flüsterte sie. „Also das... dafür hab ich gerade keine Worte. Es tut mir unendlich leid, dass du so leiden musstest Noah. Aber was genau meinst du, es verändert Engel und woher weißt du das?"

„Wenn Engel in dieses schwarze Loch fallen und wieder zurück ins Leben kommen, verlieren sie immer ein kleines Stück ihrer Persönlichkeit und der Seele, das heißt, je öfter ein Engel wieder zurückkommt, desto schlimmer wird er und irgendwann ist seine Seele komplett verschwunden. Zurück bleibt nur ein kaltblütiges Monster ohne Gefühle. Ich weiß das, weil ich schon einmal in dieser Schwärze war und ich habe es persönlich miterlebt, wie ein Engel dadurch zum Monster wurde. Es ist etwas Grausames, was ich niemanden wünsche."

Erst jetzt sah er ihr wieder in die Augen. Die Kälte, die sein Gesicht überzog, ließ Nayla erschaudern. Es musste wohl stimmen, dass die Natur bei den Engeln sozusagen eine Fehlfunktion hinterließ. Noch nie zuvor hatte sie davon gehört, dass die Seele in die Dunkelheit geschleudert wurde, wenn die Magie den Körper verlässt, geschweige denn das Herz stehen blieb. Jetzt wurde sie eines Besseren belehrt.

„Und wie fühlst du dich?"

Der kalte Ausdruck in seinem Gesicht verschwand so schnell, wie er gekommen war und er sah sie wieder freundlich an.

„Gut, denke ich. Ich meine, ich fühle mich immer noch wie ich selbst und das ist doch gut oder?"

Nayla nickte ihm nachdenklich zu und suchte in seinen Augen nach irgendeinem Anzeichen, doch alles was sie sah, war seine Aufrichtigkeit.

Die WeltenhüterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt