"Timothy, steh auf. Du musst gleich los." werde ich unsanft aus meinem Traum geweckt. "Timothy Schatz, komm schon. Steh auf."
Ich öffne die Augen und sehe meine Freundin Sadie vor mir. Sie beugt sich zu mir runter und gibt mir einen Kuss. Ich weiß nicht wieso, aber jedesmal hab ich Gänsehaut dabei, aber nicht in guter Art und Weise.
"Ja ich stehe ja schon auf." murre ich und schiebe Sadie auf die Seite um aufstehen zu können.
"Besser wäre es, sonst kommst du noch zu spät." mahnt sie mich.
"Ja Sadie ich weiß, jeden verdammten Tag sagst du mir das, es nervt langsam." gifte ich sie an.
"Na dann steh doch einfach pünktlich auf, dann sage ich das auch nicht mehr zu dir." meckert sie zurück.
Ich nicke und stehe auf:"Ja ja genau, du und nichts sagen, das wäre mir neu. Manchmal frag ich mich wieso ich überhaupt mit dir zusammen bin."
"Weil du sonst niemanden hast und jetzt mach dich fertig."
Sie schiebt mich Richtung Bad und geht sich dann selbst anziehen.
Da stehe ich nun und schaue wie jeden verdammten Tag in den Spiegel. Hab ich schon gesagt das ich meine Augen liebe? Dieses Haselnussbraun ist wunderschön, aber das war es auch schon. Ansonsten ist meine Figur zwar schön aber feminin, meine blonden Haare sind zu einem Sidecut geschnitten. Ich sehe nicht aus wie ein Mann, sondern eher wie ein Junge.
Ich putz mir die Zähne, wasch mir mein Gesicht, denn auf mehr habe ich jetzt gerade keine Lust und gehe zurück ins Schlafzimmer um mich anzuziehen. Sadie steht noch vor dem Kleiderschrank und kann sich anscheinend nicht entscheiden was sie anziehen soll.
"Rutsch mal, ich brauche auch Klamotten. Schließlich soll ich ja arbeiten gehen." fahr ich sie ungeduldig an. Ich weiß wirklich nicht wieso ich vor knapp einem Jahr mit ihr zusammen gekommen bin. Jedesmal wenn ich sie sehe fühlt es sich sowas von falsch an. Wir hatten auch noch keinen Sex. Sie versucht mich immer zu überreden, aber ich möchte nicht. Irgendetwas blockiert mich. Ich kann aber nicht sagen was es ist.
"Timothy, ziehst du dich auch irgendwann an? Du stehst nur rum und tust nichts." holt sie mich aus meinen Gedanken.
Wieso bin ich überhaupt noch mit ihr zusammen? Ich denke sie hat recht, es wird daran liegen weil ich sonst niemanden habe.
Fertig angezogen schnappe ich meinen Schlüssel rufe noch ein "Bye bis später" und verlasse die kleine Zweizimmerwohnung.
Mit dem Auto fahre ich quer durch die Stadt zu meiner Arbeitsstelle. Ein Supermarkt etwas außerhalb von Orlando. Ich arbeite gerne hier. Joe, der Besitzer ist voll ok. Mitte vierzig, single aber wie ein Teddybär. Ich verstehe nicht wieso er noch single ist. Ich glaube nicht das es daran liegt weil er etwas pummelig ist, da muss noch etwas anderes sein, Denn er ist wirklich ein Goldschatz.
Am Supermarkt angekommen, parke ich das Auto am Mitarbeitereingang und gehe durch diesen direkt zu den Umkleiden. Ich öffne meinen Spind, als mir plötzlich etwas entgegen fällt. Eine kleine Rose, mit einem Kärtchen dran. Ich öffne es und lese:
Weil Engel nicht überall sein können, gibt es Menschen wie dich 💕
Ich lächle, lege die Rose zurück in den Spind und zieh dafür mein violettes Arbeitshemd, mit meinem Namensschild dran, an.
Wer auch immer mir jeden Tag eine Rose in meinen Spind legt, scheint mich zu mögen. Ich versuche schon seit geraumer Zeit heraus zu finden wer mir jeden Tag die Arbeit mit so süßen Sprüchen versüßt, aber ich finde absolut keine Anhaltspunkte. Anfangs dachte ich es sei Patricia, weil sie mich immer so anschmachtet, aber als ich sie auf Blumen ansprach zeigte sie eine tiefe Abneigung gegen diese, also verwarf ich den Gedanken wieder. Vielleicht finde ich es irgendwann raus, wer weiß, doch bis dahin genieße ich einfach die Aufmerksamkeit.
Ich betrete den Laden und begrüße freundlich meine Arbeitskollegen. Sobald ich im Markt bin, geht es mir gut, nur der Weg vom Bett hierher fällt mir eben immer schwer.
Ich sehe Joe grinsend auf mich zukommen. "Guten Morgen Timothy, ich hoffe du hast genug Energie für diesen Tag heute. Es kamen viele Paletten, also müssen wir ranklotzen mit einräumen." begrüßt er mich freundlich.
"Noch habe ich Energie, also sollte ich wohl gleich anfangen." entgegne ich ihm lächelnd.
Gemeinsam laufen wir ins Lager und ich hole erstmal einen Trolli mit Körperpflegeartikel. Diesen schiebe ich dann in den dafür vorgesehenen Gang. Ich entferne die Folie, die zum Schutz drum herum gewickelt ist und fange an Deo's und Parfum einzuräumen. Nach ein paar Minuten höre ich Schuhgeklapper. Diese hören direkt neben mir auf und eine tiefe Stimme spricht mich an. "Entschuldigung, ich suche Joe Littrel, wo kann ich den bitte finden?"
Ich erhebe mich und schaue mein Gegenüber überrascht und fasziniert an.
Ich bin jetzt nicht gerade klein, aber der Mann.....die Frau vor mir überragt mich locker noch um einen Kopf, mit den High Heels die er....sie trägt. Das geschminkte Gesicht sieht wunderschön aus. Das Kleid ist bunt und voller Pailletten. Die Haare sind zwar eine Perücke, aber es passt alles perfekt zusammen.
"Mund zu Schätzchen, du verlierst gleich deinen Sabber." werde ich lachend aus meinem Starren heraus gerissen. "Sagst du mir jetzt wo dein Boss ist?" Sprachlos drehe ich mich um und zeige in die Richtung wo Joe sein sollte, doch kommt er schon lächelnd angelaufen.
"Mercy, was machst du denn hier? Oh wie freut mich das. Timothy, das ist meine Schwester, Mercy. Sie ist eine Drag Queen."
Erschrocken darüber was ich gerade höre, fällt mir die ganze Palette Parfum auf den Boden. Drag Queen.....Felicity.....Grace.....True Colors.....Namen, Bilder und Gerüche schießen mir in den Kopf. Ich halte ihn mir fest weil mich die ganzen Eindrücke total überfordern.
"Hey, Timothy, ist alles ok?" fragt mich Joe und ich nicke.
Diese Mercy streicht mir mit der Hand über den Rücken. "He, Kleiner, ist wirklich alles ok?" fragt sie und ich nicke noch einmal. Ich schaffe es meinen Mund zu öffnen und frage:"Treten sie in einem Club namens True Colors auf?" Die Drag Queen hebt ihre Augenbrauen und sieht mich scharf an.
"Woher kennst du das True Colors? Aber nein, Mercy arbeitet dort nicht, das True Colors ist in Miami. Timothy?"
Ich konnte es nicht glauben, war das etwa eine Erinnerung? Eine Fehlende? Wenn ja, dann hat mich Mercy getriggert, das heißt meine Erinnerung ist doch noch nicht ganz verloren, ich muss nur die dazugehörigen Triggerpunkte finden. Ein Jahr warte ich schon auf sowas, aber nie kam irgendwas und jetzt? Auch wenn es etwas speziell ist. Doch mir scheint, ich bin wohl selbst speziell. Enthusiastisch ziehe ich an Joe's Hemd. "Joe, kann ich da mal bitte hin? Da wo Mercy arbeitet? Gehst du dort auch hin? Nimmst du mich mal mit? Bitte?"
"Woah woah, mach mal langsam Timothy, so dicke befreundet sind wir auch nicht dass.....""...aber wieso denn nicht Darling? Lass ihn doch mal mitkommen. Ihn scheint das ganze brennend zu Interessieren und wir haben eh zu wenig Anhänger." mischt sich dann auf einmal Mercy ein.
"Ok, heute Abend gegen neun hol ich dich ab Timothy, aber wehe du machst dich über das Ganze lustig." warnt mich Joe, doch ich freu mich eher, denn vielleicht finde ich dort noch mehr Dinge die mich triggern.

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Burning Love - Memories
RomansaFortsetzung zu Burning Love. Es braucht nur eine Person um das Leben auf den Kopf zu stellen. Viele Menschen denken, dass nichts ihr Leben, so wie es gerade läuft erschüttern könnte. Es läuft in geregelten Bahnen und geordnet ab. Doch manchmal reich...