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Alexander

Schon seit mehreren Minuten betrachte ich die Tür. Der Spion sieht mich an und ich sehe ihn an. In meiner linken Hand halte ich die von Magnus. Sie zittert in meiner. Er gibt mir die Zeit die ich brauche. Ich bin froh das er mitgekommen ist. Allein hätte ich das nicht geschafft. Er hatte mich auch ermutigt das zu tun. Die Zukunft war so ungewiss und unberechenbar. Deswegen wollte ich endlich die Vergangenheit klären, um die Gegenwart zu genießen. Ich stehe vor der Tür von Maryse. Sie hatte eine Wohnung gefunden und jetzt wollte ich das klären was noch offen stand. Mit ruhigen Fingern drücke ich die Klingel. Es vergehen ein paar Sekunden bevor Maryse die Tür öffnet. Ich hatte mich nicht angemeldet. "Alec. Was machst du hier? Solltest du nicht noch im Krankenhaus sein?" Die Überraschung konnte sie nicht verbergen. "Ich wollte mit dir reden." Meine Stimme ist ernst. Das hier ist schon lange überfällig. Aber jetzt wo ich sie sehe, wird mir wieder bewusst wie viel schief gelaufen ist und wie weit weg wir voneinander waren. Sie tritt zur Seite. Gemeinsam mit Mags trete ich ein. Die Wohnung ist stilvoll eingerichtet. Ich habe nichts anderes erwartet. "Kann ich euch etwas anbieten?" Ich sehe zu Magnus und antworte im nächsten Moment. "Ein stilles Wasser für ihn bitte." Sie zeigt auf eine Tür "Ihr könnt euch schon mal setzen." Es ist das Wohnzimmer. Wir lassen uns auf einem der drei kleineren Sofas fallen. Magnus Hand legt sich auf meinen Oberschenkel und ich schenke ihm ein kleines Lächeln. Maryse stellt das Glas vor uns ab und setzt sich dann uns gegenüber. Bevor ich überhaupt etwas sagen kann fängt sie schon an. "Alec es tut mir so unfassbar leid. Hätte ich gewusst was Robert da vor hat. Was er dir angetan hat ist unverzeihlich und auch was ich getan habe ist..." Ich unterbreche sie "Ja, das was er getan hat ist unverzeihlich aber er hat mich nur körperlich und verbal verletzt. Du hast dabei zugesehen. Selbst nach eurer Trennung hast du zu ihm gehalten. Ich will nicht aufzählen was du alles getan hast. Dafür bin ich nicht hier. Wir beide wissen gut genug was alles vorgefallen ist." Sie sieht auf ihre Hände und schüttelt unmerklich den Kopf. "Das alles tut mir so unendlich leid. Ich versteh mich selbst nicht." Magnus übt einen kurzen Druck auf seine leicht zitternde Hand aus. Ich sehe zu ihm und kann in seinen Augen soviel lesen. Ich nicke ihm nur kurz zu und stehe dann auf. Ich gehe um den Couchtisch herum, der zwischen Maryse und mir steht. Damit gehe ich nicht nur um diesen Tisch herum, sondern ich überquere auch alles was immer zwischen uns stand. Die ganzen Streitereien, dieses wegsehen und die Vergangenheit. Ich lasse das alles hinter mir und als ich vor meiner Mutter stehe, reiche ich ihr meine Hand. "Ich kann sicherlich nicht alles vergessen was passiert ist und ich kann auch nicht so tun als wäre nie etwas gewesen. Aber.." Tief hole ich nochmal Luft. Sie hat sich mittlerweile erhoben. "Aber ich möchte dir verzeihen." Über ihre Wangen rollen kleine Wassertropfen. "Wirklich?" Ich nicke nur und zögerlich breitet sie ihre Arme aus. Wieder nur ein nicken von mir. Sie zieht mich vorsichtig in ihre Arme. Ich lasse diese Geste zu. Ich merke wie eine große Last von mir fällt und ich bin fast erleichtert, das diese Sache endlich geklärt ist. Vielleicht mache ich das hier auch für Izzy und Max. Vielleicht aber auch für mich selbst. Ich weiß es nicht so recht. Wie so vieles. Ich spüre den Druck in meinem Bauch, den ich seit dem rodeln mit mir herum trage. Er schmerzt aber es ist zum aushalten. Wir lösen uns voneinander und meine Augen wandern sofort zu Magnus, der mich lächelnd betrachtet. "Izzy plant eine kleine Feier. Möchtest du gerne kommen?" Die Feier sollte nach der Verhandlung von Jace stattfinden. Sie dachte das wir danach alle sorgenfrei wären. Ihre Freude darüber das sie wieder etwas spüren kann und der glaube daran das jetzt alles gut werden würde, war so groß das ich ihr den Wunsch nicht abschlagen konnte. Obwohl ich eigentlich dafür gar keinen nerv hatte. Wahrscheinlich lag es auch daran das ich wusste das es anders war, als alle dachten. Aber so war es auch besser. Die Freude wollte ich immer bei ihr sehen. "Gern, sagst du mir nochmal Bescheid?" Mags war an meine Seite getreten. "Ja natürlich. Entschuldige, wir würden jetzt auch wieder los. Wir sind noch etwas geschafft." Verständnisvoll sah sie uns beide an. "Klar. Danke, das ihr beide da wart und danke für alles." Wieder schaffe ich es nur zu nicken. Das sprechen fällt mir schwer. Magnus und ich verabschiedeten uns und gehen dann Hand in Hand den Weg zurück. Langsam wird es auch dunkel und ich bin froh als wir endlich zu Hause angelangen. Während mein Freund sich schon mal umzieht, gehe ich in das Bad. Ich ziehe meinen Pullover aus. Der Anblick ist wie gewohnt. Die Pflaster die über den beiden Narben kleben sind rot durchtränkt. Es hat nach dem rodeln mit dem bluten angefangen und seitdem nicht mehr aufgehört. Ich ziehe die Pflaster ab, desinfiziere die 'Wunde' und klebe neue Pflaster darüber. Nur mit einem Shirt und meiner Schlafhose gehe ich in mein Zimmer, wo Magnus schon im Bett liegt. Ich lege mich zu ihm und sofort kommt an mich heran gekuschelt. Er sucht meine Nähe wenn wir allein sind worüber ich sehr dankbar war, denn das war das einzige was mir gerade noch halt gab. Eine lange Zeit herrschte eine angenehme Stille als sie Mags unterbrach. "Findest du nicht auch das das Leben sich gerade vor unseren Augen abspielt?" Ich weiß genau was er meint. Denn ich fühle mich ähnlich. "Ja wir leben gerade in unserer eigenen kleinen Welt. Aber das ist auch besser so." Kurz überlege ich, ob ich meinen Gedanken aussprechen soll. Tue es dann aber doch. Wenn nicht bei Magnus, bei wem dann sonst. "Ich bin froh Izzy gerade so glücklich zu sehen. Auch Jace scheint auf einen guten Weg zu sein. Ich würde nicht wollen das das leuchten der anderen erlischt." Ich drücke ihn enger an mich. Die Zukunft macht mir so unendlich viel Angst. Ich würde gern jetzt die Zeit anhalten und für immer hier so liegen. In Ruhe und in Frieden. "Ja das stimmt. Manchmal frage ich mich ob wir das richtige tun." Ich fahre ruhig über seinen Rücken. "Wir tun das richtige, denn das Wissen ist nur eine Qual. Es wird sowieso unerwartet kommen. Wir können uns nicht darauf einstellen, auch wenn wir uns das gerne einreden." Leicht richtet er sich auf und haucht ein kleinen Kuss auf meine Lippen. "Ich werde dich immer lieben." Ich lächle leicht und lege dann eine Hand an seine Wange. Er lehnt sich in diese Berührung. "Ich dich auch. Egal wo." Magnus versteht den Wink und so legt er sich wieder auf meine Brust. Ich schloss meine Augen und sofort wollten die Tränen heraus. Doch das ließ ich nicht zu. Nicht jetzt. Wenig später hörte ich seine gleichmäßigen Atemzüge. Ich blieb die ganze Nacht wach um dieses Geräusch zu hören.

To the EndWo Geschichten leben. Entdecke jetzt