Kapitel 12 - Nach dem Hoch kommt das Tief

541 54 32
                                    

Ein wenig später stand Alec fröhlich summend mit einem Wischmopp an Deck und schwang diesen schon beinahe euphorisch über die schwarzen Holzdielen.

Er ahnte, dass seine plötzliche Freude etwas mit Magnus und den Geschehnissen in ihrem Zimmer zu tun hatte, aber er konnte nicht leugnen, dass ihm diese Leichtigkeit nicht gefiel, die er bei jeder seiner Bewgegungen verspürte. Seine ganze Umgebung schien zu strahlen und sein Herz schlug schnell und stark in seiner Brust, als würde es demnächst Flügel bekommen und davonfliegen.

Natürlich hatte er sich ausgemalt, wie sein erster Kuss wohl ablaufen würde, was er fühlen würde, aber das waren für ihn immer unerreichbare Träume gewesen, die er in seinem Bett kurz vor dem endgültigen Einschlafen geträumt hatte. Er hatte nie geglaubt, dass es wirklich so weit kommen würde, denn immer stand das Wohlergehen seiner Geschwister über seinen eigenen Wünschen, aber jetzt war alles ganz anders gekommen als erwartet.

Er hatte seinen ersten Kuss verschenkt, an Magnus, und Gott war dieser gigantisch gewesen! So etwas hatte er noch nie gefühlt, nicht in dieser Intensität.

Die Luft hatte förmlich gebrannt und er hatte einfach nicht genug von diesen weichen Lippen bekommen können. Alle Schmetterlinge, die in seinem Körper herumgewuselt waren, schienen Salsa getanzt zu haben und waren völlig außer sich vor Freude und Liebe gewesen.

Liebe.
Bisher gab es dieses Wort nur im Zusammenhang mit seinen Geschwistern, aber jetzt ...
Alec wusste nicht recht, was er empfand. Er hatte schließlich keine Vergleiche, aber da war etwas zwischen ihnen, etwas Besonderes, was man auf keinen Fall wegwerfen durfte.

Wieder glitt sein Blick zum Achterdeck, auf dem Magnus stand und irgendetwas mit Camille beredete.

Heute trug er ein hellblaues, halb geöffnetes Hemd und eine helle beigene Hose. Sein Augenmake-up saß perfekt und auch seine Haare waren steil nach oben gestylt. Er sah so schön aus wie eh und je, aber dieses Mal konnte Alec es auch wirklich wahrnehmen, ohne, dass sein Verstand schrie, wie falsch das war.

Sein Verstand schien nämlich auf wundersame Weise verstummt zu sein, worüber er mehr als erleichtert war, denn nun herrschte kein Sturm der Zerrissenheit mehr in ihm. Alles war ruhig und kostete die Zufriedenheit und das federleichte Gefühl der Verliebtheit aus.

Er war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass er erst nach einer Weile bemerkte, dass Magnus seinen Blick erwiederte. Er lächelte leicht und seine Augen schienen zu funkeln, bevor er sich mit einem Zwinkern von ihm abwandte.

Alec wurde augenblicklich warm ums Herz, sodass ihn der kalte Lappen im Nacken übertrieben heftig zusammenzucken ließ.

~Hey, was sollte das!?~, beschwerte er sich bei Lily, die ihn nur hämisch angrinste. Er entfernte fluchend den nassen Lappen und warf ihn auf den Boden.

~Anders bekommt man doch deine Aufmerksamkeit nicht!~, konterte sie grinsend, bevor ihre Miene wieder etwas nachdenklicher wurde,~Aber jetzt siehst du immerhin so aus, als hättest du in einem Bett geschlafen. Hast du das Zimmer gewechselt?~

~Nicht direkt.~, meinte er und plötzlich schien der Wischmopp unglaublich interessant.

Nur weil er das, was er für Magnus empfand, langsam akzeptierte, hieß das nicht, dass er auch gleich darüber sprechen konnte. Dafür war das alles noch zu neu und dafür kannte er Lily zu wenig, auch wenn sie ihm bis jetzt auf eine direkte und schonungslose Weise ziemlich sympatisch war.

Allerdings schien ihr sein Schweigen mit leicht geröteten Wangen zu reichen, denn Erkenntnis breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
~Du hast mit Magnus das Bett geteilt!~
~Nicht so laut!~, zischte er und netterweise verstummte sie sofort.

~Ok, ok, von mir aus. Aber ... ist irgendetwas zwischen euch passiert?~
~Möglicherweise.~, gab er leise zu, darauf bedacht, dass nur sie es verstand.

Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, bevor sie gierig die Hände aneinander rieb.

~Du musst die Gunst der Stunde unbedingt ausnutzen, Alec. Solange du Magnus' Affäre bist, kannst du alles von ihm bekommen, was du willst. Wein, Früchte, Schokolade ...~

~Warte~, unterbrach er ihren Redeschwall verwirrt,~Was meinst du mit solange ich seine Affäre bin? Warum Affäre?~

Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme leicht zittrig klang. Er war verwirrt und auch leicht verängstigt, da das Gefühl seines Höhenflugs so plötzlich abgeklungen war.

Dass Lily plötzlich alles andere als selbstzufrieden aussah und ihn beinahe mitleidig betrachtete, ließ ihn nervös schlucken.
~Das hast du nicht gewusst, oder? Dass Magnus Bane keine Beziehungen macht?~

Alec hatte plötzlich das Gefühl, zu ersticken, denn irgendetwas schien sein Herz zerquetschen zu wollen und so erfolglos war dieses Etwas nicht.

~Nein.~, stieß er leise hervor.
~Das tut mir leid~, sagte sie ehrlich und drückte seinen Oberarm,~Er hätte dir sagen müssen, dass ihn Beziehungen langweilen und er deshalb kurze und leidenschaftliche Affären vorzieht, da sie nicht bindend sind. Aber naja, wer sagt einem schon gerne, dass er nur mit ihm spielt? Bei Camille hat er es schließlich ähnlich gemacht.~
~Wie, bei Camille?~, fragte er mit erstickter Stimme, während sein Blick wieder zu Magnus glitt.

Er sah so überglücklich aus, als er sich dicht neben Camille an das Steuerruder lehnte. So unbeschwert.

Alec jedoch fühlte sich, als hätte man ihm jeglichen Sauerstoff entzogen. Eine kalte Hand hatte sein Herz umgriffen und ließ alle zarten Gefühle, die er vielleicht entwickelt hatte, auf der Stelle den Kältetod finden. Er fühlte sich so leer.

~Sagen wir, so etwas zieht er öfter ab. Er spielt einem die große Liebe vor, hat seinen Spaß und lässt einen anschließend fallen wie eine heiße Kartoffel~, erklärte sie und strich dabei mit ihrer kalten Hand beruhigend über seinen Rücken,~Was soll's. Er ist ein heißer Arsch und wird sich nie ändern. Versuch, dich damit abzufinden. So viel Aufmerksamkeit hat er nun auch nicht verdient.~

~Du hast recht. Lass uns weitermachen.~, schlug er vor und blinzelte heftig, um seine Tränen zu unterdrücken.

Ich hab's dir doch gesagt!, höhnte sein Verstand triumphierend, der anscheinend aus seinem Kurzurlaub zurückgekehrt war.

Er versuchte, sich wieder einzukriegen. Dann hatte ihm Magnus eben etwas vorgespielt und seinen ersten Kuss gestohlen, das musste ihn doch gar nicht kümmern!
Dann war es eben so.

Alec dachte an etwas, das seine Mutter mal zu ihm gesagt hatte.
Wir sind Lightwoods. Wir brechen Nasen und tragen die Konsequenzen.

Also würde auch er jetzt die Konsequenzen für sein unbedachtes Handeln tragen.

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt