Kapitel 58 - Aufregung

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Alec schloss den Blonden in eine feste Umarmung, bei der jeder andere wohl erstickt wäre, doch Jace war schon immer anders. Und so erwiederte er die feste Umklammerung mit derselben Intensität und für einen kurzen Augenblick schienen die Herzen der gedanklichen Brüder wie eines zu schlagen.

Allerdings blieb dieser intime Moment der Einigkeit nicht lange.
~Würde uns irgendeiner bitte die Güte erweisen und uns mit Blondie bekannt machen?~, fragte Lily leicht genervt, doch Alec konnte sich dabei nur zu gut vorstellen, wie sie ihr blasses Gesicht zu einem Grinsen verzog.

Lily war immer etwas ruppig und direkt, aber das machte gerade ihren Charme aus.

Dennoch lösten sie sich nur widerwillig aus der Umarmung und Alec sagte~Leute, das ist Jace, mein bester Freund. Jace, das ...~
~...sind dann wohl die Schattenweltler, von denen Magnus erzählt hat. Schön, euch kennenzulernen, auch wenn ich mit wesentlich mehr gerechnet hatte.~, meinte Jace, dessen Blick wachsam von einem zum anderen wanderte.

~Es kommt nicht immer auf die Größe an.~
~Das hast du recht. Ich bin bloß überrascht.~, gab er zu, was Lily ein zufriedenes Schnauben entlockte.

~Du hast mit Magnus gesprochen?~, fragte Alec, wobei seine Stimme einen leicht ehrfürchtigen Unterton bekam.
~Um genau zu sein, hat er mich gebeten, euch diesen Eingang hier freizuhalten.~

~Und du stellst dich so einfach gegen deine eigenen Leute?~, fragte Maia skeptisch.
Jace zuckte die Achseln.
~Herondales halten ihre Versprechen.~

~Deshalb also der Reiher. Kreativ.~, sinnierte Mark, der mit seinen Gedanken sonstwo umhertrieb.
~Genau.~, stimmte Jace lächelnd zu, bevor er sich mit ernsterer Miene wieder an Alec wandte,~Du verzeihst mir also?~

Alec war verwirrt. Was sollte er ihm denn verzeihen? Etwa, dass er auf der Vampire so unfair zu ihm gewesen war?

Plötzlich kam ihm eine wage Erinnerung in den Sinn, die er als einfachen Wunschtraum abgestempelt hatte. In diesem Traum hatte er warme und sehr vertraute Lippen an seinem Ohr gespürt, die leise flüsterten: Es tut ihm leid.

Doch obwohl er später nicht weiter darüber nachgedacht hatte, war seine Entscheidung so sicher wie das Amen in der Kirche.

~Natürlich verzeihe ich dir~, sagte er entschlossen und überrascht bemerkte er, wie sich Jace etwas entspannte,~Wie ... wie geht es ihm?~

Instinktiv schien Jace zu wissen, um wen es ging und erneut umspielte ein kleines Lächeln seine Lippen.

~Außer dem Schlafmangel, der ihn beinahe unerträglich macht? Ganz gut, schätze ich, aber er liegt mir die ganze Zeit in den Ohren, wie sehr er deinen weichen Haarschopf vermisst oder die Art, wie du ihn ...~
~Ich glaube, das reicht uns an Info.~, unterbrach ihn Helen hastig, da er ein anzügliches und leicht diabolisches Grinsen auf dem Gesicht trug, bei dessen bloßen Anblick Alec fühlte, wie seine Ohren heiß wurden.

Empört schlug er Jace auf den Oberarm, aber gleichzeitig hüpfte sein Herz vor Freude fröhlich herum. Magnus ging es gut.

Allein diese vier Worte schafften es, dass die Last auf seinen Schultern etwas leichter wurde und er sich kurz so fühlte, als würde er schweben.
Gleichzeitig wuchs das Verlangen, ihn endlich zu sehen, ihn endlich wieder zu berühren, im Arm zu halten, zu küssen ...
Oh, wie sehr Alec diese weichen Lippen mit der leicht rauen Oberfläche vermisste!

Diese Sehnsucht, nein, diese Sucht nach jenem Gefühl war so greifbar, dass er sich bereits aufgeregt über die eigenen Lippen leckte.
Sein Körper sprühte vor Energie und Aufregung.

Als hätte Jace die imaginäre Leuchtreklame über seiner Stirn gelesen, meinte er~Geh durch den Garten und nimm die nächste Treppe. Nachdem du im vierten Stock angekommen bist, hälst du dich rechts bis du zu den Kerkern kommst. Es müsste der dritte Korridor sein.~

Alec nickte dankbar und wollte sich schon auf den Weg machen, als ihn Maias lauernde Stimme aufhielt~Was soll das denn werden, wenn's fertig ist?~

Er blieb wie angewurzelt stehen und suchte nach Worten, mit denen er seine Sehnsucht erklären könnte, doch, wenn er es selbst in seinen Gedanken kaum zu beschreiben vermochte, wie sollte er das vor anderen machen?

Auch ärgerte er sich ein wenig über Maia, denn sie verschwendete nur Zeit. Eigentlich hatte er sie ja auch gern und sie konnte nichts dafür, dass ihr die Leitung dieser Bergungsaktion übertragen wurde und sie dementsprechend das Team zusammenhalten und zurechtweisen musste, doch gerade nervte sie nur.

Also wollte er zu einer, wohl nicht ganz so freundlichen, Schimpftirade ansetzen, als ihm Helen, der Ruhepol ihrer Truppe, zu Hilfe kam.
~Was würdest du machen, wenn es um Jordan gehen würde?~, fragte sie ruhig und legte Maia eine blasse Hand auf die Schulter.

Während ihres Spaziergangs nach Alicante -sie hatten sich für die eine Meile ziemlich viel Zeit gelassen- hatten sie einander kennengelernt und verschiedene Geschichten erzählt. So kam beispielsweise heraus, dass Maia schon seid ein paar Wochen eine Affäre mit einem anderen Werwolf namens Jordan führte und die beiden kurz davor waren, ihre Affäre zur Beziehung zu machen und diese auch öffentlich auszuleben.

Es war also kaum verwunderlich, dass Maia erbleichte und sichtlich um Beherrschung rang. Schließlich hob sie den Blick und sagte~Geh schon. Aber wenn du während des Ablenkungsmanövers nicht hier bist, dann wirst du gnadenlos zurückgelassen, verstanden? Währenddessen wird uns Blondie zu den Kompassen führen?~
~Klar.~, antwortete Jace, doch das bekam er kaum noch mit, denn er stürmte bereits davon.

Seine Füße schienen nur so über den Kiesweg im großen Palastgarten zu fliegen.
Sein Herz pumpte eine Mischung aus Adrenalin, Aufregung und Freude durch seine Adern, die ihn alles um sich herum vergessen ließen.

Später konnte er sich noch kaum daran erinnern, wie er die Treppen hochgesprungen war, immer zwei Stufen auf einmal, und wie er durch die hellen, meist mit rot und gold geschmückten, Flure hechtete. Wäre ihm auf seinem Weg ein Soldat entgegengekommen, Alec hätte ihn rücksichtslos in einen der weichen Perserteppiche getrampelt. Sein Kopf war wie leergefegt, als er durch eine dunkle Eichentür mit vergitterten Fenster schlüpfte und im ersten Zellentrakt ankam.

Links und rechts waren schier endlos viele, leere Zellen, die alle in seinem Sichtfeld verschwammen. Der zweite Korridor huschte ebenfalls an ihm vorbei und er riss die Tür zum dritten förmlich auf und rannte auch durch diesen.

Erst als ein Schemen das Sichtfeld seines rechten Auges streifte, blieb er wie angewurzelt stehen und wäre dabei beinahe hingefallen, so groß war sein Schwung. Seine Lunge schrie nach Sauerstoff, denn so schnell war er noch nie gerannt, aber er ignorierte sie gekonnt.

Stadessen umklammerte er die Gitterstäbe jener Zelle, um denjenigen, der hier gefangen war, näher zu mustern. Sein Herz schien Flügel zu bekommen, denn es war wirklich Magnus und er war unverletzt.

Die Erleichterung, die durch ihn floss und ihn auszufüllen schien, war unglaublich und so intensiv, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb. Auch Magnus hatte Tränen in den Augen, wenn auch aus einem anderem Grund.

Alec konnte es nicht genau definieren, aber er meinte eine Mischung aus Erleichterung, Sehnsucht, Angst und Schmerz in seinen wunderschönen Augen herumwirbeln zu sehen. Gleichzeitig war da so eine Verletzlichkeit, die Alecs Freude einen leichten Dämpfer verpasste.

~Magnus! Endlich habe ich dich gefunden!~

Doch Magnus schüttelte nur den Kopf.
~Du hättest nicht kommen sollen, Alex- Alec. Ich ... Es ist aus. Ich mache Schluss mit dir, mit uns, mit allem.~, wisperte er.

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt