Kapitel 39 - Die Versammlung

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~Sind die Versammlungen immer so?~, fragte Alec leise, während er den Beschwerden der einzelnen Kapitäne lauschte.

~Wie? Laut, zäh, langatmig und absolut langweilig? Dann ja~, antwortete er ebenso leise und genehmigte sich einen Schluck Wein,~Meistens reden ohnehin nur die Kapitäne. Wir Offiziere haben nicht viel zu sagen und meistens streiten sich auch nur Lucian und die Elbenkönigin. Camille und Ragnor schlagen sich dann auf die Seite, die ihnen mehr Geld geboten hat.~

~Du meinst Bestechung?~
~Wir werden nicht umsonst Piraten genannt.~, erklärte er achselzuckend und grinste leicht in seine Richtung.
~Bist du bestechlich?~

Es war eigentlich eine neutrale, wenn auch neugierige Frage, als sie seinen Mund verließ und er erkannte erst ihre Tragweite, als sich Magnus neben ihm versteifte. Seine Miene gefror in einer Mischung aus Schmerz und Ertapptheit zu Eis und plötzlich schien die Steinplatte des Tisches furchtbar interessant zu sein.

Allerdings hatte Alec nicht vor, diese Frage zurückzunehmen, denn er erkannte, dass sie gar nicht so unwichtig war, wie zuerst gedacht. Es kümmerte ihn wirklich, auch wenn ihm Magnus' gequälter Gesichtsausdruck beinahe körperliche Schmerzen bereitete.

~Kommt drauf an. Ich will das Richtige tun, aber um Ziele erreichen zu können, muss man nicht selten Kompromisse eingehen und zur richtigen Zeit die richtigen Bündnisse schließen. Ich bin nicht stolz darauf, aber so ist es nunmal.~
~Hey, alles gut.~, meinte Alec und drückte beruhigend seine Hand.

Magnus warf ihm einen Seitenblick zu, der zwar etwas gequält, aber auch erleichtert wirkte. Offensichtlich hatte er sich ernsthafte Sorgen gemacht, Alec könnte ihn für so etwas verurteilen, doch das tat er nicht.

Er hieß es nicht gut, keine Frage, doch er verstand Magnus und tief in seinem Inneren wollte er, dass er glücklich war. Wie das geschah, war ihm gleich.

~Danke.~, wisperte er kaum hörbar und warf ihm einen weiteren Seitenblick zu, der so weich und zart war wie Seide und Alec umhüllte wie eine warme Wolldecke.
Viel zu schnell aber verschwand dieser Ausdruck wieder, der ihm so Herzklopfen bereitete, und wich einem ausdruckslosen Pokerface, als er sich wieder an der laufenden Diskussion beteiligte.

Gerade sagte Camille entnervt~Dann lasst uns die Schattenjäger doch einfach auf den Meeresgrund schießen! Wir sind ungefähr gleich stark und wenn der Überraschungsmoment auf unserer Seite ist, dann ...~
~Überraschung schön und gut, aber das wird nicht funktionieren.~, unterbrach Magnus sie abrupt und erntete einen giftigen Blick seitens Camille.

~Und warum nicht?~
~Darf ich dich daran erinnern, dass jeder unserer Mitstreiter ein ehemaliger Schattenjäger ist oder Familie in Idris hat? Sie werden es wohl kaum riskieren, ihre Liebsten absichtlich zu verletzen oder gegen sie zu kämpfen. Damit würden dann noch die Elben und die Werwölfe übrig bleiben, die auf ihren jeweiligen Inseln viele Familien haben. Glaubst du, sie werden einen Kampf riskieren, wenn ihre Familien nur einen Steinwurf von den Feinden entfernt leben? Wir hätten ein zögerndes Heer und das ist bekanntlich ein totes.
So ein hoffnungsloser Kampf schreit doch geradezu nach Meuterei.~

~Magnus hat nicht unrecht. Wir müssen unsere Familien schützen.~, stimmte Luke zu, der bis jetzt immer ziemlich besonnen auf Alec gewirkt hatte, so weit er etwas von der Diskussion mitbekommen hatte.

Camille schnaubte nur frustriert.
~Habt ihr bessere Vorschläge?~

~Wir könnten dem Ganzen tatsächlich auch ohne einen richtigen Kampf ein Ende bereiten.~, sagte die rothaarige Elbenkönigin bedächtig, als überlege sie, wie sie ihren Plan an geschicktesten formulieren könnte.

Eigentlich sollte Magnus dieser Zuspruch erfreuen, doch das Gegenteil war der Fall. Alec wurde Zeuge, wie er sich erneut verkrampfte und Ragnor, der bisher sehr still gewesen war, einen angespannten Blick zuwarf.
Er machte sich Sorgen. Die Frage war nur, worüber.

Die Antwort kam promt.
~Wir sollten eine so greifbare Gelegenheit nicht verstreichen lassen und handeln. Wir nutzen die Kompasse~, erklärte sie und ignorierte die Schnappatmung vieler,~Camille hat erwähnt, du hast Cupiditas gefunden, Magnus?~

Alec lief es eiskalt den Rücken runter und als er zu Magnus blickte, sah er, dass es ihm genauso erging. Jeder seiner Muskeln war gespanmt wie eine Bogensehne und wenn Blicke töten könnten, würden sowohl die Silberblonde, als auch die Rothaarige einen qualvollen Tod erleiden.
Alec hätte kaum etwas dagegen einzuwenden.

Magnus straffte die Schultern und meinte mit gekünstelten Lächeln~Natürlich. Würdest du in deine rechte Mantelasche greifen, Alexander?~

Er verkniff sich die Frage nach dem Wieso, denn sie wurden von allen neugierig, aber auch verwirrt angestarrt. Also nickte er nur und als seine Hand in die gefütterte Tasche glitt, ertastete er dort einen vertrauten Gegenstand.
Mit zitternden Fingern förderte er den schwarzen Kompass zu Tage und fühlte sich dabei so unwohl in seiner Haut wie schon lange nicht mehr.

Er hatte das Gefül, als würde er etwas Verbotenes tun und das Gefühl von Magnus' Hand, die seine leicht drückte, half ihm nicht, diesen Gedanken zu verscheuchen.

Er schien in einem Katz- und Maus Spiel gefangen zu sein, in dem er unglücklicherweise in die Rolle der Maus geschlüpft war und das obwohl er noch nicht einmal direkt in dieser Versammlung involviert war.
Er war nur ein Randzuschauer, weshalb er Magnus nur noch mehr dafür bewunderte, dass er äußerlich so gut mit der Aufmerksamkeit umzugehen schien.

In seinem Inneren musste ein wahrer Gefühlsorkan herrschen, doch dieser war nur für Alec sichtbar und das auch nur sehr schwach, denn er hatte sich weit hinter seine Mauern zurückgezogen. So wirkte er wieder so unnahbar und weit entfernt, wie ein Stern. Unverwundbar, äußerlich zumindest.

Aber das ließ ihn auch so kalt wirken, dass es Alec umso mehr wertschätzte, dass er sich zumindest ihm gegenüber etwas öffnete und ihm Dinge anvertraute, die sonst nur die Menschen kannten, die er als seine Familie ansah.

~Nun haben wir drei von fünf. Es wäre uns ein Leichtes, mithilfe unsere Spione an die restlichen beiden zu kommen. Ich schlage deshalb vor, dass wir Kali wiedererwecken und sie unsere Arbeit erledigen lassen, um diesem Kampf, der schon jahrzehntelang sein Unwesen treibt, endlich für uns zu entscheiden.~

Nachdem die Elbenkönigin geendet hatte, war es ersteinmal totenstill im Raum. So still, dass Alec sein eigenes Herz schlagen hörte und sein Atmen furchtbar laut erschien.

Er hielt nervös die Luft an und beobachtete die anderen, die vor Schock schwiegen oder sehr blass geworden waren. Er nahm kaum war, wie Magnus seine Hand beinahe zerquetschte, während er versuchte, sich unter Kontrolle zu halten.

Doch es misslang ihm und so sprang er wutentbrannt auf, sodass sein Stuhl nach hinten umkippte und mit einem erschreckend lauten Poltern auf den Boden krachte, doch er kümmerte sich nicht darum.

~NEIN!~

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt