Kapitel 14 - Besonders

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Alec entkamen einzelne Tränen, die sich zielstrebig ihren Weg über seine Wangen suchten und auf sein Hemd tropften.

Er hatte geglaubt, zu wissen, was Schmerzen sind, aber jetzt, wo er Magnus wirklich gehört hatte, wie dieser erzählte, nicht die geringsten Gefühle für ihn zu haben ... Es war noch viel schlimmer.
Es schien, als wolle man ihn langsam in der Mitte auseinanderreißen. Stück für Stück, damit es richtig wehtat.

Ohne nachzudenken trat er aufs Deck und kletterte sogleich den Mast hoch, was sich als erstaunlich knifflig erwies.

Aber er wollte allein sein, sich die Augen aus dem Kopf heulen und sich immer wieder selbst schwören, Magnus nie wieder zu vertrauen. Sobald er sich beruhigt hätte, würde er wieder ernst werden, höflich, aber distanziert und vor allem professionell.
Nie wieder würde er seine Emotionen so überkochen lassen, doch ersteinmal musste er den Schmerz aus seinem Herzen verbannen und das würde nicht leicht werden.

Magnus schien sich nämlich bereits heimlich Zugang zu seinem Herzen verschafft zu haben und war nicht gewillt, zu gehen.

Also saß er da, auf einem der Querbalken des Hauptmasts, an dem ein schwarzes Segeltuch befestigt war, ließ die Beine lose in der Luft baumeln und weinte seinen beinahe nicht existierenden Gefühlen hinterher. In der Hoffnung, dass sein Herz irgendwann damit aufhören würde, zu trauern.

Es war eine lauwarme, aber sternenklare Nacht, in der kein Lüftchen wehte. Es war so ruhig. Selbst das Meer schien den Atem anzuhalten. Eine stille Anteilname an seiner Trauer.
Doch er blieb nicht lange so allein.

Bald hörte er, wie sich jemand neben ihn auf den Balken setzte und die Beine baumeln ließ.
Schnell wischte er sich die Tränen fort, aber es brachte nichts, da immer neue nachkamen.

~Warum bist du hier?~
~Ich will mit dir reden.~, antwortete Magnus mit seiner samtigen Stimme.

Er wirkte alles andere als glücklich und der naive Teil von ihm bildete sich einen besorgten Unterton ein.

~Ja, aber warum? Ist dir etwa schon langweilig, damit du mich wieder gut gelaunt brauchst, um selbst Befriedigung zu finden?~, fragte er spöttisch.

Magnus zog scharf die Luft ein, als er sich merklich anspannte.
~Wie kommst du darauf?~

~Jetzt tu nicht so unschuldig oder gehört das auch zu deiner Masche? Lily hatte recht, du bist so ein Arsch! Und ich fall auch noch drauf rein!~, pamte er wütend und fixierte Magnus, der konzentriert, aber ruhig seine Hände betrachtete.

~So denkst du also von mir?~, fragte er ruhig, bevor er sich ein hysterisches Kichern verkniff,~Naja, ich kann es dir wohl kaum verübeln. Lily hat das gesehen, was Camille wollte, dass sie sieht.~
~Wie meinst du das?~

~Wie viel hast du von unserem Gespräch mitbekommen?~
~Nicht viel. Nur den Teil, als du ihr die Wahrheit über mich erzählt hast.~ antwortete er und unterdrückte mit Mühe ein Schluchzen.

Zu gern hätte er jetzt geschrien, aber zum Einen wollte er nicht das ganze Schiff aufwecken und zum Anderen ... brachte er es nicht über sich, in Magnus' Gegenwart die Stimme zu erheben.
Er wirkte selbst gerade so ausgelaugt und erschöpft, aber gleichzeitig auch so traurig, als hätte er schon damit gerechnet, dass das hier passieren würde.

~Alexander, das war nicht die Wahrheit. Ich habe sie angelogen.~
~Warum?~

Magnus seufzte schwer.
~Es gab mal eine Zeit, da habe ich Camille geliebt. Sie war so unnahbar und besitzergreifend ... Das hat mich von Anfang an in ihren Bann gezogen. Sie schien mir auch nicht so abgeneigt zu sein, also kamen wir zusammen und erlebten eine wundervolle Zeit. Es gab Monate, die habe ich gänzlich auf der Vampire verbracht. Einfach, um ihr nah sein zu können. Aber es war nicht alles Gold, was glänzt und so kam es, dass ich sie mit einem anderen im Bett erwischte. Es brach mir das Herz und ich wollte mich trennen, aber sie hat mich davon abgehalten. Sie hat mir klar gemacht, wie nützlich diese Beziehung für mich war, immerhin war ich durch sie als Captain im Ansehen vieler aufgestiegen, und so beschloss ich, bei ihr zu bleiben. Das war der Anfang einer langen On-/ Of-Beziehung, die damit endete, dass sie mir in die Schuhe schob, sie betrogen und misshandelt zu haben. Plötzlich wurde ich von allen nur noch gehasst, da alle ihre Version der Geschichte glaubten, in der ich der Bösewicht war. Danach bin ich in ein tiefes Loch gefallen, habe viel Mist gebaut und erst mithilfe meiner ältesten Freunde habe ich mich zurück in die verrückte Normalität gekämpft. Seitdem habe ich aber versucht, sie zu meiden, denn sie nutzt jede Möglichkeit, um mich weiter zu verletzten. Der Teufel weiß, wieso. Ich wollte nicht, dass sie dich verletzt oder dir irgendetwas antut, nur um mich damit zu treffen.~

~Deshalb hast du ihr also gesagt, dass ich dir nichs bedeute.~
Magnus nickte müde und sah ihn unsicher an. Er wusste nicht, wie Alec darauf reagieren würde.

~Aber warum versuchst du es dann nicht, richtig zu stellen? Warum lässt du dich so vorführen und so schlecht machen?~
~Ganz ehrlich? Ich bin mir nicht sicher. Zum Einen glaube ich nicht, dass es etwas bringt, wenn ich jetzt die Wahrheit herumposaune. Man würde mir ohnehin nicht glauben und eigentlich interessiert mich die Meinung anderer auch gar nicht mehr. Zum Anderen will ich so wenig mit Camille zu tun haben, wie möglich. Es ist zwar schon lange her, aber sie zu sehen, versetzt mir noch immer einen Stich.~, erzählte er, ohne ihn anzusehen.

Alec schluckte, denn die nächste Frage, die er stellen würde, wollte ihm nicht so einfach über die Lippen kommen.

~Und was genau bin ich dann dür dich, eine Affäre?~

~Gott, nein!~, stieß er heftig hervor und sah ihm ernst in die Augen,~Zugegeben, in letzter Zeit war mir nie danach, mich irgendwo fest zu binden, sesshaft zu werden. Dazu war mir meine Freiheit immer zu wichtig und die kleinen Abenteuer mit Unbekannten hatten durchaus ihren Reiz ...~

~Aber...?~

~Du bist anders, Alexander, besonders. Bei dir fühle ich mich ... sicher und vergesse meine Freiheitsliebe. Am liebsten würde ich mich jetzt in deine Arme kuscheln und dich nie wieder loslassen. Ich kann dir nicht genau sagen, was das zwischen uns ist, aber ich kann dir sagen, dass ich nicht gewillt bin, es aufzugeben. Ich will uns nicht aufgeben.~
~Ich bin etwas Besonderes?~, fragte er ungläubig und erntete dafür ein trauriges Lächeln.

Hauchzart legte Magnus eine Hand an seine Wange und sah ihm tief in die Augen. So tief, dass er glaubte, er könnte bis tief in seine Seele blicken.

~Oh, du glaubst mir gar nicht, wie besonders du bist ... und so wunderschön.~, hauchte er und legte seine Lippen zaghaft auf Alecs.

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt