Geschlagene dreieinhalb Stunden Theorie später durften wir zur Mittagspause gehen. Wie auch schon zum Frühstück saßen Fill und ich bei Amy, Lu, Cho und Son.
,,Gleich geht's endlich los mit der Praxis!", freute sich Cho und entblöste uns dabei seine Zähne. Amy verdrehte die Augen, Lu schwieg wie immer und Son guckte so neutral und desinteressiert wie nur irgendwie möglich. Ich schaute verwirrt zu meinem kleinen Bruder, der meinen Blick erwiderte. Wir hatten beide keine Ahnung, wie die Praxis ablaufen würde. Amy bemerkte als erste unsere Blicke, denn sie stieß Cho zwischen die Rippen und das kindliche Grinsen verschwand sofort von seinem Gesicht. Leicht verärgert guckte er zu Amy und rieb sich die Rippen. ,,Was ist denn?", fragte Cho gereizt. ,,Hör auf, dich wie ein Kleinkind zu verhalten. Ist ja peinlich, sich so auf das Kampftraining zu freuen!", schoss Amy sofort zurück. Beide schwiegen. ,,Wir haben also nach dem Mittagessen Kampftraining? Sollten wir dann nicht weniger essen? Weil ein ordentlicher Schlag in den Magen und... Naja, alle werden dann Vergnügen an unserem Mittagessen haben und vielleicht sogar an unserem Frühstück...", murmelte Fill.
Stille.
Dann brach Cho in haltloses und lautes Gelächter aus. Sogar Lu schmunzelte, während Son nur seufzte und die Augen verdrehte. Amy lief rot an und murmelte: ,,Ist ja nicht auszuhalten, wie peinlich der Typ ist." ,,Hab ich irgendwas Falsches gesagt?", fragte Fill verdutzt. ,,Nein, nein, ist schon in Ordnung.", lächelte Lu aufmunternd. ,,Ich will euch ja nicht verunsichern, aber ein Schlag in den Magen ist unwahrscheinlich und vermutlich euer kleinstes Problem.", meinte Son schließlich und Cho kriegte sich langsam ein. Er wischte sich die Tränen aus den Augen und hielt sich den Bauch. ,,Ich find dich cool, Kleiner." Cho deutete auf Fill, der schüchtern zu seinem Tablett guckte. Ich wandte mich an Son. ,,Wie wird dieses Kampftraining ablaufen? Werden wir ins kalte Wasser geschmissen? Wir hatten bisher nur eine praktische Erfahrung mit Magie.", erläuterte ich meine Sorgen.
,,Keine Angst, ihr werdet schon nicht allein gelassen. Meister Tobi weiß sicher Bescheid über die Situation und wird alles dementsprechend anpassen.", versicherte mir Amy. Ich dachte daran, wie Tobi mich bei unserem ersten Zusammentreffen gnadenlos überwältigt hat. Natürlich war er voll im Bilde über unsere Situation. ,,Außerdem sind immer genügend Leute anwesend, die bereit sind jederzeit einzugreifen.", schaltete sich jetzt auch Lu ein. ,,Und im allerschlimmsten Notfall wisst ihr ja auch schon, wo das Krankenzimmer ist.", meinte Cho und grinste leicht. Jetzt war es Son, ihm einen Schlag zwischen die Rippen der anderen Seite verpasste. ,,Auuu!", jaulte Cho und hielt sich mit schmerzerfülltem Gesicht die Rippen.Auf dem Weg zum Treffpunkt im Innenhof lief ich neben Lu. Cho und Fill führten eine angeregte Debatte darüber, wie realistisch ein Mann sei, der quasi aus Stahl bestehe und nur durch ein grünes Mineral gestoppt werden könne. Amy und Son liefen schweigend hinter ihnen und obwohl ich ihre Gesichter nicht sehen konnte, sah ich sie mehrfach seufzen und konnte mir das typische Augenleiern gut vorstellen.
,,Bist du nervös?", fragte Lu auf einmal. ,,Hm?" Verwirrt schaute ich sie an. ,,Naja, wegen dem Training gleich?" ,,Also es wäre definitiv gelogen, wenn ich sagen würde, ich freue mich unendlich darauf. Allerdings führt wohl kein Weg drumherum, oder? Ich versuch einfach, nicht zu viel abzubekommen.", meinte ich schulterzuckend. Sie lachte kurz auf, dann wurde sie wieder ernst. ,,Die meisten finden die Praxis viel toller als die ganze Theorie, aber ganz ehrlich, ich sehe in diesem ganzen Gekämpfe keinen Sinn. Du siehst mir auch nicht wirklich wie einer aus, der unbedingt kämpfen will.", erwiderte sie. Schüchtern lächelte ich und schaute zu Boden. Dies war eines der längsten Gespräche, das ich mit einem Mädchen allein führte und irgendwie wollte ich es nicht vermasseln. Ich meine, ich bin nicht so ein Typ, der gerne Mädels abschleppt, aber Lu ist schon süß und ich wollte einfach nicht wie der hinterletzte Idiot aussehen und mich so aufführen.
,,Es gibt da schon einige vor denen du und Fill euch in Acht nehmen solltet.", unterbrach sie meine Gedanken.
,,Hä?", war meine glorreiche Antwort. Meine Damen und Herren, darf ich mich kurz vorstellen? Richtig, ich bin der, der es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen schafft, sich am blödesten von allen anzustellen.
,,Naja, also du musst definitiv Vorsicht bei den Geschwistern Daniel und Kathie walten lassen. Sie sind an sich sehr nett, aber ein vollendetes Team. Natürlich ist man bei einem Trainingskampf auf sich allein gestellt, was sie aber nicht weniger gefährlich macht. Beide sind exzellente Kämpfer. Hatten früher Judo oder so. Dann ist da noch Son. Ganz im Ernst, halte dich beim Kampf von ihm fern! Er macht kurzen Prozess, was recht human im Vergleich mit seinem gnadenlosen Kampfstil ist. Er war schon immer ein Ausnahmetalent. Sogar die Älteste hat ihn anerkannt. Keiner von uns Normalos kann ihm wirklich das Wasser reichen...Na gut, einer kommt ziemlich nah ran.", erklärte Lu. Jetzt war ich neugierig. ,,Wer?"
,,Kei. Du hast ihn vorhin schon kennengelernt. Genauso gesprächig wie Son, aber noch viel kühler. Du dachtest Son ist distanziert und abweisend? Dann hast du Kei noch nicht richtig erlebt. Anders als Son macht er keinen kurzen Prozess. Manchmal zieht er es tatsächlich mit Absicht in die Länge. Lässt seinen Gegner leiden und so, aber noch im Rahmen. Dennoch denken viele hier, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er diesen Rahmen einmal versehentlich sprengt und du weißt ja, wie das mit Explosionen ist. Danach ist und bleibt ein großes Loch, welches nicht wirklich repariert werden kann.", warnte sie mit vielsagenden Blicken zu den anderen. Wir waren auf dem Platz angekommen. Lu ging voraus zu den anderen, doch ich hielt sie nochmal am Arm fest.
,,Lu, wieso warnst du mich?", fragte ich ehrlich interessiert.
,,Na wir spielen doch im selben Team und sind doch auch irgendwie befreundet.", meinte sie schulterzuckend.
Ich lächelte und in meiner Brust breitete sich eine angenehme Wärme aus, die ich lange nicht mehr verspürt hatte.
,,Danke, Lu. Ich freue mich, irgendwie ein Freund von dir zu sein.", sagte ich leise.
Auch sie lächelte jetzt. ,,Lass uns zu den anderen gehen."
Wir kamen gerade rechtzeitig bei den anderen an, um zu sehen, wie Cho Fill auf den Rücken klopfte und sagte: ,,Maaann, ich glaube das wird der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, nicht wahr, Kleiner?"
Mein Bruder strahlte über das ganze Gesicht und ich konnte es nachvollziehen.
Wir hatten Gleichaltrige gefunden, die uns akzeptierten und bei sich in der Gruppe aufnahmen. Und das war so viel mehr Wert, als alles andere im Moment. Die Unsicherheit verblasste.
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Life Of A Sorcerer [Doctor Strange FF]
Fanfiction***** momentan pausiert ***** Der 16-Jährige Dillan führt ein recht normales Leben. Er lebt mit seinem Bruder Fill und seinen Eltern in einem Haus in der Nähe von New York. Doch ein paar Wochen vor seinem 17. Geburtstag verändert sich sein Leben r...