Ich spürte etwas Nasses und Kühles auf meiner Stirn. Meine Augenlider waren verdammt schwer und ich brachte kaum mehr als ein leises Grummeln zustande. Nach ein paar weiteren vergeblichen Versuchen, meine Augen zu öffnen, gelang es mir endlich und ich blinzelte mehrfach gegen das Licht. Mein Versuch, mich aufzusetzen, wurde gekonnt verhindert und stattdessen wurde ich mit sanftem Nachdruck wieder auf das weiche Bett zurückgedrückt.
,,Verdammt, Dillan, was machst du nur für Sachen?", murmelte jemand neben mir. Verdutzt drehte ich mich zur Seite und erblickte das Gesicht meines kleinen Bruders.
Fill musterte mich besorgt, aber neben der brüderlichen Sorge lag auch die Wut in seinen Augen. Er seufzte und tupfte mir schweigend mit einem nassen Lappen die Stirn.
,,Was ist passiert?", stammelte ich bedrückt.
,,Naja, du hast dich wie der hinterletzte Esel aufgeführt und doch tatsächlich gedacht, du könntest es mit einem Kerl wie Kei aufnehmen.", stellte mein kleiner Bruder trocken wie immer in solchen Situationen fest.
Gerade in solchen Momenten erinnerte er mich viel zu stark an unseren Dad. Unser Vater hatte als Lehrer natürlich immer einen klaren Verstand behalten und auch ab und zu unangenehme Wahrheiten aussprechen müssen. Diese wohldurchdachte Art hatte Fill geerbt. Ich hingegen handelte oft so impulsiv wie unsere Mutter und überlegte mir erst dann die Konsequenzen, wenn es auch unbedingt notwendig war. Logischerweise ist das nicht meine stolzeste Angewohnheit.Ich verdrehte die Augen. ,,Haha, wie witzig. Du weißt, was ich meine. Nachdem ich ausgeknockt war.", erwiderte ich.
,,Also, du warst komplett weggetreten, aber Keis Nase hast du ordentlich zugerichtet. Jedenfalls, war der Meister außer sich vor Wut. Er hielt 'ne ziemlich lange Standpauke und meinte, das werde alles noch weitreichende Konsequenzen geben. Mann, du hast dich ziemlich in die Scheiße geritten. Son hat versucht, euch beide da so weit wie möglich rauszuboxen. Keine Ahnung, inwiefern das geklappt hat, aber jedenfalls haben die sich, nachdem man euch hier ins Krankenzimmer gebracht hatte, noch angeregt und aufgebracht unterhalten.", klärte mein Bruder mich schulterzuckend auf.
Ich seufzte und schaute mich im Raum um. Anscheinend lag ich diesmal in dem hinteren Bereich des Krankenzimmers, wo Patienten länger zum Genesen bleiben mussten. Ganz hinten an einem der Fenster erkannte ich eine weitere Person in einem Bett liegen. Ich brauchte keinen zweiten Blick nach da hinten zu werfen, da ich Cho sofort erkannte. Aus seinem Gesicht war ihm jegliche Farbe gewichen und ein dünner Schweißfilm zierte seine Stirn. Fill folgte meinem Blick und sah betreten zurück zu mir.
,,Die meinten, er hatte verdammt viel Glück, dass der Speer nur das Bein und nicht den Oberkörper getroffen hat. Auch dass die Arterie größtenteils unverletzt geblieben ist, wird sich positiv auf Chos Genesung auswirken. Er wird zunächst Probleme haben, wieder normal zu gehen, aber Frau Sayo, also die Krankenschwester, die dir auch die Stirn genäht hat, meinte, Cho ist stark und wird das gut überstehen.", versicherte mir Fill leise und klopfte mir auf die Schulter.
Ich nickte nur langsam und sah aus dem Fenster. Noch nie zuvor hatte ich mich so nutzlos und kindisch zugleich gefühlt. Meine Gründe für den Zweikampf mit Kei schienen jetzt vollkommen unbedeutend, ja sogar lächerlich. Ich habe mit dieser Aktion weder Cho noch irgendwem anders helfen können. Viel eher war ich daran schuld, dass jetzt auch die anderen der Klasse Schwierigkeiten hatten.
Ich seufzte laut und merkte, dass auch Fill in Gedanken versunken war. Wie auch in den letzten Tagen schimmerten Tränen in seinen Augen. Ich musste kein Wahrsager sein, um zu wissen, an was beziehungsweise an wen er dachte.
,,Hey, sie fehlen mir auch.", sagte ich leise und dieses Mal war ich derjenige, der ihm eine Hand auf die Schulter legte. Traurig lächelnd blickte ich in sein Gesicht, doch Fill sah nur zu Boden. Die Tränen liefen ihm nun über die Wangen und mein kleiner Bruder fing leise an, zu weinen. Nun setzte ich mich doch auf und zog ihn eine feste brüderliche Umarmung. Fill schluchzte gegen meine Schulter.,,Ich vermisse sie einfach. Ich dachte nie, dass wir sie so schnell verlieren würden. Und jetzt hat sich alles geändert.", murmelte er leise.
,,Ich weiß, Fill, ich weiß.", erwiderte ich leise. Leicht klopfte ich ihm auf den Rücken, ehe wir uns wieder voneineinder trennten.
Die bedrückte Stimmung wurde durch ein Knurren aufgeheitert. Schmunzelnd sah ich zu meinem kleinen Bruder, der verlegen zu seinem knurrenden Magen blickte. Auch seine Mundwinkel zuckten verdächtig nach oben.
,,Oh Mann, tut mir leid, aber das Letzte, was ich heute gegessen habe, war die Kleinigkeit von heute Mittag.", stammelte er trotzig.
,,Na dann geh etwas essen. Schon vergessen? Obwohl du manchmal so geschwollen und reif wie Dad redest, bin immernoch ich der Ältere von uns beiden. Da kannst du mich auch mal alleine lassen.", meinte ich schulterzuckend.
Fill lächelte milde. ,,Das hast du ja vorhin bestens unter Beweis gestellt.", seufzte er. Dennoch stand er auf und lief zur Tür, natürlich nicht, ohne mir einen letzten prüfenden Blick zuzuwerfen.
Nachdem mein kleiner Bruder fort war, drohte die Stille des Raumes, mich zu erdrücken. Ich hielt es nicht länger aus und entschied mich dafür, nicht einfach rumzusitzen, sondern meinem inneren Drang nach Bewegung nachzugeben. Ich stand also auf und lief trotz des leichten Schwindelgefühls einmal durch den Raum zu Chos Bett. Mein Körper strafte mich sofort und ließ mich durch die Schmerzen in meinem Rücken kurz zusammenzucken. Der Kampf war logischerweise nicht spurlos an mir vorbei gezogen.
Bei Chos Bett angekommen, stellte ich fest, dass er vollkommen wach war und aus dem Fenster sah. Als ich mir einen Stuhl heranzog, bemerkte er mich und drehte folglich den Kopf zu mir. Ich dachte, in seinem Gesicht würde sich Elend abzeichnen, doch stattdessen erschien sein typisch schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht, auch wenn es nicht so breit war, wie sonst.
,,Hey, Mann. Ich hab's schon gehört.", setzte er an. Kopfschüttelnd fuhr er fort:,,Du hast echt Eier, Dillan. Dich an deinem ersten Trainingstag mit dem Zweitbesten der Klasse anzulegen, war vielleicht nicht das Klügste der Welt."
,,Ich weiß, aber ich war so unglaublich wütend. Wie er da stand und sich über dich lustig gemacht hat... Das hat gereicht, um all meine Sicherungen durchbrennen zu lassen. Und in meiner Rage war ich gleichzeitig das größte Arschloch auf Erden und hab die anderen völlig zu unrecht runtergemacht und ihnen unterstellt, feige zu sein.", seufzte ich.Cho schwieg und das Lächeln verblasste zunehmens. ,,Also erstens, du hast Kei kennengelernt. Dann weißt du mittlerweile, wie sich das größte Arschloch der Welt verhalten müsste, um annähernd so zu sein wie er. Und zweitens, Son und die anderen waren vorhin hier, als du noch bewusstlos warst. Sie sind nicht nachtragend und haben sich eingestanden, dass auch sie anders hätten handeln sollen. Aber ich werde dir jetzt dasselbe sagen, was ich auch ihnen gesagt habe. Hör auf mit solchen Gedanken, lass gut sein und schau nach vorne. Wegen mir müsst ihr nicht so einen riesen Aufriss machen, klar?", stellte er mit Nachdruck sicher.
Ich konnte nur nicken, denn im selben Moment öffnete sich die Tür und Stephen kam herein. Sein Blick verriet mir so ungefähr, dass er alles von dem Kampf mitbekommen hat und was er von der gesamten Sache hielt. Sofort fühlte ich mich klein auf dem Stuhl. Mit strengem Blick lief er zu uns rüber.
Ich schluckte schwer. Das würde eine lange Standpauke werden...
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Life Of A Sorcerer [Doctor Strange FF]
Fanfiction***** momentan pausiert ***** Der 16-Jährige Dillan führt ein recht normales Leben. Er lebt mit seinem Bruder Fill und seinen Eltern in einem Haus in der Nähe von New York. Doch ein paar Wochen vor seinem 17. Geburtstag verändert sich sein Leben r...