Abschiedsbriefe!

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Ich zitterte. War es so kalt? Oder war ich so furchtbar aufgeregt? Es sah merkwürdig aus, als ich das Blatt Papier in der Hand hielt. Es bebte. Ich bebte. Obwohl ich eindeutig dachte, dass ich jetzt einen Schritt nach vorne machen sollte, taten meine Beine rein gar nichts. Panisch schaute ich auf meine Schuhe. Bewege dich! Dachte ich energisch, wusste aber im nächsten Moment schon nicht mehr, was ich mir davon erhoffte. Ich war grausam zu meinen Verwandten, zu mir selbst. Einen kurzen Blick warf ich auf den Brief in meiner Hand. Den Abschiedsbrief. Ich hatte vier Stück geschrieben. Schweren Herzens drei von ihnen. Ich legte den erste auf den Boden vor die Haustüre. Ich wollte, dass er ihn fand, aber es sollte ihm in Erinnerung bleiben, dass es kein normaler Brief war, der mit der Post kam, sondern einer, den er nie wieder vergessen würde. Ich hatte so ordentlich geschrieben, wie es ging, aber oft war mir der Stift weg gerutscht. Zu sehr hatte ich gezittert und geweint.

Für Dad

stand auf dem Umschlag. Ich dachte daran zurück, was ich geschrieben hatte:

Lieber Papa, obwohl du mir nie ein Vater warst.

Mit diesem Brief möchte ich mich eigentlich nur endgültig verabschieden, aber bevor ich das tue, will ich dir noch sagen, was für ein schrecklicher Mensch und Vater du bist, beziehungsweise warst. Jetzt hab ich jemanden gefunden, der nicht mit Sidney und Riley verwandt ist, die beiden aber mindestens tausendmal besser behandelt. Du solltest dich schämen, denn dein Sohn und deine Tochter haben dich nach dem Tod unserer Mutter sehr gebraucht. Wärest du bei uns gewesen, hätte ich nie Drogen nehmen müsse, Riley hätte nicht solche Angst vor jemand, der ihm zu nahe kommt gehabt und Sidney hätte noch jemand anderen gehabt, der auf sie aufpasste. Du kannst dir nicht vorstellen wie schwer es für mich, einen 17 Jahre alten Jungen ist, eine Familie zu versorgen und mich um zwei 'Kinder' zukümmern. Wir hätten wieder eine richtige Familie sein können, aber du warst nie da, hast dich nicht um uns gekümmert und uns alleine gelassen mit unseren Problem. Du warst nur noch auf deine Karriere fixiert und hast uns vernachlässigt. Ich hab mir schon immer gewünscht dir das einmal sagen zu können und ich hoffe, dass dich dieser Satz so sehr verletzte wie es mich verletzt hat, dass du nie da warst. Ich hasse dich, Papa!

Und jetzt zum eigentlichen Grund, warum ich mir diese Mühe mache und zwar: Ich werde ab diesem Moment keine zwei weiteren Wochen mehr am Leben sein. Ich will nur sicher gehen, dass du weißt, dass du den großteil der Schuld an meinem Tod trägst.

Dein Sohn, Sam.

Ich schaute ein letztes Mal das Haus an, in dem ich die letzten siebzehn Jahre meines Lebens verbracht hatte und kehrt meiner Vergangenheit dann den Rücken zu. Noch drei weitere Brief, für die ich sorgen musste, dass sie ankamen. Ich machte mich auf den Weg zu den nächsten zwei Menschen, die einen solchen Brief verdient hatten. Zum Ersten Riley. Er war nicht immer der beste Bruder gewesen, aber ich liebte ihn über alles. In den Brief für Riley hatte ich gleich auch noch Sidney mit einbezogen:

Lieber Riley,

auch wenn du glaubst, dass Sidney dich nicht hören kann, bitte ich dich trotzdem ihr diesen Brief vorzulesen.

Sidney, es tut mir Leid, dass ich nicht mehr kommen kann, aber Sebastian wird gut auf dich aufpassen und sich um dich kümmern. Ich muss leider weg. So weh es mir auch tut dich und Riley alleine zulassen, es geht einfach nicht anders. Es gibt keinen anderen Ausweg! Sei bitte nicht zu traurig darüber und schau nach vorne. Du kannst noch ein so tolles Leben haben.

Riley,

Ich weiß, dass ich dir nicht immer der perfekte Bruder war, aber ich bin nun mal nicht perfekt. Es tut mir Leid, für jedes Mal wenn ich dich angeschrien habe und ich hoffe du vergibst mir. Ich möchte dir mit diesem Brief sagen, dass ich die nächste Zeit darauf verwenden werde, den Verursacher dieses Chaos zu finden und ihn dafür büßen zu lassen. Ich hoffe du kannst verstehen was ich dir zu sagen versuche und wenn du es nicht tust, dann lass dir eines gesagt sein: Du bist ein toller Mensch. Ich liebe dich und ich verspreche dir hier und jetzt, dass du in entfernter Zukunft ein fantastisches Leben haben wirst, so schlimm es vielleicht jetzt aussieht. Es tut mir schrecklich Leid, dass ich dir so endgültig Tschüss sagen muss, aber anders kann ich es nicht. Ich bin mir sicher, dass wenn ich vor dir stehen würde, dass ich es nicht über mich bringen könnte euch alleine zulassen. Es tut mir so Leid, aber ich bin mir sicher, dass du alles- egal was es ist- schaffen wirst, wenn du nur genug daran glaubst. Glaub an dich, denn ich habe es immer getan und werde es immer tun.

In Liebe Sam.

Schweren Herzens legte ich den ersten Brief weg und schaute den nächsten an, der nun ganz oben lag. Er war an Sebastian gerichtet.

Lieber Sebastian,

ich bin dir unendlich dankbar, dass du dich um meine Geschwister kümmerst und mich in der Stadt so gut verstanden hast. Leider muss ich dir sagen, dass es für mich keinen Sinn mehr hat zu leben und ich nichts weiter möchte als meinen Frieden zu finden und dass Riley und Sidney gut versorgt sind. Ich weiß nicht, ob es dich jetzt überrumpelt und es tut mir Leid wenn schon, aber ich möchte dich bitte, solange es geht auf die beiden auf zu passen. Es ist mein letzter Wunsch und ich äußere ihn gerade an dich, weil ich glaube, dass du ein großartiger Mensch bist und meinen Geschwistern ein gutes Vorbild sein willst. Es tut mir Leid, dass ich das alles getan habe und tun werde, aber ich sehe keinen anderen Weg. Verzeih mit bitte.

Sam

Auch diesen Brief legte ich vor die Haustür. Ich stand das erste Mal vor Sebastians Haus und ich war überrascht wie groß und schön es war. Es überzeugte mich noch mehr, dass er gut für Sidney und Riley sorgen würde. Langsam ging ich einige Schritte zurück, dabei lief mir eine einsam Träne über's Gesicht. Sie war genauso einsam wie ich mich immer schon gefühlt hatte. Allein gelassen in dieser großen Welt. Zu viele Aufgaben auf einmal um noch richtig leben zu können. Noch mehr Tränen kamen und leisteten der ersten Gesellschaft. Bald würde auch ich nicht mehr alleine sein müssen, denn dann hatte ich endlich meine Ruhe, dann würde ich niemandem mehr helfen müsse, dann wäre alles gut, dann hätte ich Zeit für mich und ich würde endlich keine Verantwortung mehr tragen müssen. Bei dem Gedanken an das zukünftige freute ich mich ein wenig, aber ich hatte noch nicht alles erledigt, was ich tun wollte. Es waren noch so viele Aufgaben da. Ich murmelte ein kurzes "Auf Wiedersehen", dann ging ich. Meine Schritte führten mich in den Wald. Hier würde ich wohl die nächsten Stunden verbringen. Ich würde mich um den Letzten Brief kümmern. Den Brief, der wohl der wichtigste von allen war. Er galt einer ganz besonderen Person und ich wollte, dass er genauso besonders ankam. Ich ging schneller.

***

An Lena

Ich weiß, dass es dich eigentlich nicht gibt, oder vielleicht doch? Ich bin mir nicht sicher, aber alle erzählten mir, dass ich mir das nur eingebildete habe. Ich kann ihnen nicht glauben, so gerne will ich, dass du echt bist. Du bist so wunderschön. Wenn du nur bei mir sein könntest. Würde ich dann meine Meinung ändern? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich dich liebe und nicht ohne dir leben will, aber weil es dich leider nicht gibt, muss ich das. Aber nicht mehr lange, dann ist es alles vorbei und die Schmerzen hören auf. Ich hätte dich so gerne in den Arm genommen und noch so viel mehr getan, aber es ist mir nicht möglich. Sollte es irgendwo dadraußen jemanden geben, der dir ähnelt oder der sogar du ist, dann hätte ich gerne gewollte, dass dieser Mensch weiß, wie sehr ich ihn liebe und dass ich existiere. Ich wollte das alles nicht tun, doch irgendwie nahm alles seinen Lauf, ohne dass ich es groß beeinflussen hätte könnnen. Warum musste auch gerade meine Mutter sterben? Wieso konnte er sich nicht einen anderen Menschen aussuchen? Einen Menschen, der mir nicht so nahe stand? Vielleicht jemanden über den ich hinweggekommen wäre, vielleicht jemanden der meine Familie nicht so zerstört hätte. Tief in mir weiß ich, dass es falsch ist Sidney alleine zulassen oder Riley, aber was beleibt mir noch anderes übrig. Ich möchte nicht, dass ihnen das selbe passiert wie mir. Ich möchte nicht, dass Sidney noch mehr leiden muss. Ich hoffe nur, dass sie das alles gut übersteht und mir die beiden nicht sauer sind. Aber was ich fast noch mehr hoffe ist, dass mein Vater ein schlechtes Gewissen bekommt, dass er uns so sehr vernachlässigt hat, und sich bei Riley entschuldigt. Vielleicht können dir drei mit Sebastians Hilfe wieder eine normale Familie werden. Ich wünsche mir so sehr, dass alle diese Leute: Sebastian, Riely, Sidney und du, eine schöne Zukunft haben. Ich wünsche euch viel Glück in allem was ihr anfangen und beenden werdet und hoffe aus tiefster Seele, dass ihr nie so etwas erleben müsste wie ich es erleben musste. Ich wünsche dir ein weiteres schönes Leben. Ich liebe dich,

dein dich auf ewig liebender Sam

Tod, Drogen und die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt