Zurück in die Stadt

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Die Nachtelfen waren bereits mit dem Abbau beschäftigt. Sie wollten schnell weiterziehen. Offenbar hatte nicht nur Jiran schlechte Erfahrungen mit Gideons Clan erlebt und sie waren froh, bald auf weniger von sich eingenommene Nachtelfen zu treffen. Jiran schüttelte noch immer fassungslos den Kopf über sein eigenes Versagen. Doch was hatte er schon tun können? 

Er sah Zuren schon von weitem. Er hob sich deutlich von den anderen Nachtelfen ab und nur Yno konnte ihm das Wasser reichen. Er hatte es eilig und schien gleichzeitig noch gut drauf zu sein. Jiran bemerkte, dass er zu ihm wollte. Schaufend kam der große Nachtelf zum Stehen. 

„Du darfst wieder in die Stadt!", verkündete er. „Gideon sagt, er möchte die Verhandlungen mit dir wieder aufnehmen."

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„Einen Becher Wein, bitte!", verlangte Gideon und wedelte mit seiner Hand. 

Einer seiner Diener machte sich sogleich auf den Weg und verschwand aus dem kleinen Teezimmer des Clanführers. Dieser machte es sich auf seiner Couch gemütlich. Er legte die Hände hinter den Kopf und sah dem unverschämten kleinen Junge zu, wie er seine Leute aus den Straßen zusammen und aus der Stadt aus seiner Stadt, hinaustrieb. Er seufzte. 

Er war glücklich darüber, dass das Einhorn seinen Nachtelfen totgetrampelt hatte. Auch wenn er nun einen Diner weniger hatte, hatte er wenigstens einen guten Grund gehabt, den Junge hochkant hinauszuschmeißen. Ansonsten hätte er sich mühsam den Kopf zerbrechen müssen, wie er den Jungen wieder los bekam.  

„Es war ein guter Einfall, die Einhörner alle einsperren zu wollen." Gideon nickte seinem Schreiber zu, der seinen Kopf ergeben neigte. 

„Eigentlich war es ... ähm ... anders ..." der Schreiber wurde immer leiser. „Ach, egal." 

„Ja, egal.", stimmte ihm der Clanführer zufrieden zu.  

Der Diener kam mit dem Becher Wein herein. Er stellte das hohe Glas und den kristallenen Dekanter, in dem sich wunderbar das letzte Sonnenlicht brach, auf dem Tisch ab. Leise klapperte es und mit Platschen trat der Wein über den Rand des Glases. Der Diener fluchte verhalten und wurde augenblicklich rot. 

Verärgert setzte sich der Anführer auf. Gideon besah sich die Sauerei und schüttelte enttäuscht den Kopf. Der Diener vermied es, in seine Augen zu blicken und verschwand mit dem Geschirr wieder. Klebrige Gläser waren eine Abscheulichkeit, die Gideon nicht hinzunehmen bereit war. Er winkte einen anderen Diener herbei, der den Tisch wieder sauber putzte. 

Endlich bekam er doch noch seinen Wein. Er sah der Sonne beim Untergehen zu und nippte genüsslich an seinem Wein. Er schmeckte gut genug, er musste den Winzer also nicht bestrafen. Schade. 

Sein Zimmer wurde dunkler und die Diener begannen die Bienenwachskerzen anzuzünden. Schnell roch es nach dem Duft des Wachses. Gideon schenkte sich wieder nach. Dann hob er die Hand und bedeutete den Diener, dass sie gehen konnten.  

„Zweiter, du bleibst hier!", befahl er, als der große Nachtelf in der Nithilrüstung ebenfalls verschwinden wollte. Er drehte sich erst nicht um. „Komm setz dich zu mir, dann muss ich mir den Hals nicht so verrenken.", forderte Gideon seinen Wächter auf. 

Der kam langsam wieder zurück und setzte sich steif in die Plüschkissen auf den Sessel, der zu Gideons Rechten stand. Es wirkte so, als wolle Zweiter ja nichts berühren. Dafür mochte ihn Gideon so sehr, auch wenn er alles andere an ihm hasste. Er hasste es, dass er Zweiter seinen Bruder nennen musste und er hasste es, das er größer, stärker und geschickter mit der Waffe war.  

„Zweiter.", begann er und setzte ein vor Abscheu triefendes Gesicht auf. Das Gesicht seines Bruders aber bewegte sich kein bisschen. Er sieht auch noch unserem Vater ähnlicher als ich, dachte Gideon erbost. „Ich habe in meiner Güte entschieden, dass ich dir die Möglichkeit geben werde, das hier zu verlassen."  

Der Blutschrein [4] - KriegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt