Die schwarzen Reiter

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Der Wind rauschte in seinen Ohren und die Bäume flogen nur so vorbei. Er spürte die Muskeln des Einhorns unter sich, wie sie sich entspannten und zusammenzogen. Er konnte das Herz des großen Tieres klopfen hören und spürte die Wärme, die der Körper ausstrahlte. In einer anderen Situation wäre er sicher froh darüber gewesen, denn es war eiskalt. Doch heute war er so aufgeregt, so nervös und ängstlich zugleich, dass sein Körper nur so brodelte.  

Das Geklapper seiner Hufe vermischte sich mit dem von tausend anderen. Eine Streitmacht von beachtlicher Größe hatte er zusammengestellt, nachdem er alle Clans zusammengebracht hatte. Nach den schwierigen Verhandlungen, nachdem Jatar nicht mehr zurückgekommen war und nachdem sich mehrere tausend Nachtelfen in Gideons Stadt versammelt hatten.  

Er konnte stolz sein, dass er es so weit gebracht hatte. Er konnte stolz sein, dass keiner einen Einwand dagegen hatte, ihn zum Anführer zu machen. Er konnte erst richtig stolz darauf sein, die Prophezeiung erfüllt zu haben, auch wenn er sich immer noch nicht sicher war, was sie eigentlich aussagte. Und wenn bisher nur die Clanführer davon erfahren hatten. 

Sie preschten durch das kurze Waldstück mit den weit auseinander stehenden Bäumen, das Loton mit dem Lager des Feindes verband. Die einfachen Lanzen aus Holz mit einer Eisenspitze oben drauf wurden nach vorne gereckt. Die Nachtelfen beugten sich über ihre Sättel und wollten noch schneller werden.  

Dann erstreckte sich das chaotische Lager der Orks vor ihnen. Sie ritten durch das Gebüsch und Jiran ließ seinen Blick von den Kämpfen bis hinter zu den Scheusalen, die schon die Flucht ergriffen, schwenken. Fein säuberlich hatten die Geschöpfe aus den Ödlanden jeden Baum verbrannt und hatten so eine künstliche Lichtung in den Wald gebrannt. Anders hätten sie auch gar keine Möglichkeit gehabt, ein so großes Lager aufzubauen. Die Zelte standen wirr nebeneinander und nur eines stach wirklich heraus.  

„Osain! Nimm dir zwanzig Nachtelfen und mische das Zelt da drüben auf!", befahl Jiran und zeigte auf ein besonders großes Zelt. „Ich will den Anführer lebend, klar?!" 

Osain nickte und nahm sich die Leute aus Jirans Clan mit, die er brauchte. Der Rest stand mit unruhig schnaubenden Nüstern noch am Waldrand und wartete auf das Kommando. Jiran hob die Hand, ganz langsam. Er konnte es beinahe spüren, wie jeder den Atem anhielt. Dann senkte er sie wieder und flüsterte seinem Pferd Angriff ins Ohr. Schnaubend scharrte es mit den Hufen und raste davon.  

Die Hufe von weit mehr als dreitausend Einhörnern folgte ihrem Anführer und der Angriff der vereinten Nachtelfen begann. 

Die Elfen bemerkten sie viel zu spät. Obwohl das Hufgetrappel sie eigentlich hatte aufschrecken müssen, preschten Jiran und seine Nachtelfen weit in ihre Reihen hinein und säbelten Dutzende überraschte Elfen einfach ab. Jiran stach mit dem Speer nach einem Elf, der sich erst langsam umdrehte. Es erwischte ihn mitten in die Brust. Der Speer fuhr tief in den Körper und Jirans Pferd war zu schnell. Der Speer brach in der Mitte durch. Der Elf ging mit einem Teil im Rücken röchelnd zu Boden.  

Jiran warf den anderen Teil weit von sich und sah befriedigt, wie es einen Elf irritierte, der sich gerade gegen einen Nachtelfen verteidigte. Er bekam das Schwert gleich zweimal in den Hals gestoßen. Rechts und links und starb sofort. 

Das Einhorn trug den Elfen geradewegs weiter in seine Landleute hinein. Doch Schuldgefühle verdrängte Jiran alle. Sie könnten ihn später überkommen, wenn er hier fertig war. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass er instinktiv fast jedes Mal lieber nicht zuschlagen wollte, wenn ein Elf vor ihm stand. Da half es auch nichts, dass er sich vormachten, es wäre nur ein riesiger Übungskampf, wenn die Elfen ihn jedes Mal voller Entsetzen wegen seiner Hautfarbe anstarrten und dann blutig zu Boden stürzten.  

Der Blutschrein [4] - KriegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt