1. Fisch am Morgen

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Der Morgen war hell und die Sonne schien golden am wolkenlosen Himmel über der erwachenden Stadt. Noch war es friedlich, nahezu still bis auf das erste Mahlen der Mühlsteine aus den Bäckereien, das Lachen von ausgeschlafenen Kindern, die es nicht länger in den Betten gehalten hatte, das Bellen einiger Hunde in der Ferne und natürlich vereinzelten Wangen, die über das Kopfsteinpflaster polterten. Es war Mai, die Tage wurden nun immer wärmer und würden bis zum August immer Wärmer bis sie dann unerträglich wurden während der Mittagsstunden. Doch die salzige Brise, die vom Meer aus in die pompejianischen Straßen gedrückt wurde versprach eine milde Abkühlung. So auch heute, als Aries sich steckte und kurz genießend die Nase in einen ungemein kühlen Luftzug hielt, der sogleich wieder verebbte. Er lehnte an dem steinernen Türrahmen seines Ladens unweit vom Forum entfernt. Die Türen des Domus nebenan war noch verschlossen, aber nicht mehr lange und sie würden sich für die ersten Plebejer öffnen. Der Herr des Hauses, ein angesehener pompejianischer Aristokrat namens Eugenius Casius Aulus hatte, wie es üblich war die zur Straße geöffneten Räume seines Stadthauses an Ladenbesitzer vermietet. Einer davon war Aries Vater gewesen, der sich nach kurzer, schwerer Krankheit jedoch nicht mehr selbst um den Laden hatte kümmern können. Nun war es an seinem ältesten Sohn, Aries, den Laden an seiner Statt weiter zu führen.

Sein knurrender Magen machte sich in der morgendlichen Ruhe bemerkbar und forderte seine Aufmerksamkeit. Er rieb sich mit der Hand den Bauch und seufzte ob des Endes seiner morgendlichen Ruhe, der Rest des Tages würde laut, warm und anstrengend werden, deshalb wünschte er sich nur zu oft, dass der kühle, friedliche Moment ewig währen würde. Aber das tat er nicht. Sein Magen verkrampfte sich vor Hunger und Aries sah sich gezwungen etwas zu essen bevor er den Laden für die ersten Kunden öffnete. Und so stieß er sich von dem Türrahmen mit dem feinen Muster auf dem obere Grenzstein ab und machte sich auf den Weg zur Porta Marina, von wo aus ein verlockender Geruch nach gebratenem Fisch und Brot durch die Straßen strömte. Hinter ihm erstreckte sich vor der Kulisse der Stadt eine malerisch grünende Bergkette an deren Hängen Obst und Wein angebaut wurde und riesige, einzelne Villen wie hingemalt auf morgendlich leuchtenden Terrassen ihren Ausblick auf die Bucht und die Stadt genossen. Das war Aries Stadt, er war hier geboren, kannte jeden Stein, jedes Haus, ja sogar die Vögel die schüchtern zwitscherten, die im Laufe des Tages verstummen würden. Er fühlte sich so sicher und geborgen, fühlte sich als Teil des pulsierenden Lebens der Stadt in dessen Gefäße er eintauchte und trieb, dass er kaum merkte wie naiv seine Gedanken waren. Das sollte sich bald ändern.

*

Aries erreichte das Popina, eine kleine Garküche direkt an den Stegen außerhalb der Stadtmauer mit den Fischerbooten die erst vor kurzer Zeit von ihrer nächtlichen Fangfahrt wieder im Hafen einlaufen waren. Nun schaukelten sie leicht auf flachen Wellen die vom Meer in den Hafen kamen.

Die Garküche war nicht so groß wie die innerhalb der Stadt, es handelte sich tatsächlich nur um ein kleiner Verschlag aus Holz und unbehauenen Felsstein mit einem L-förmigen Theke in die runde Löcher eingelassen waren. Hinter der Theke hab es einen Steinofen aus dem der Wirt abwechselnd Brote zu Tage beförderte und neue in die beiden Kammern schob. Die Brote dampften und rochen köstlich. Aus einem dieser Löcher in der Theke schöpfte der schon leicht angegrauter Wirt gerade mit einer Kelle mit Wasser verdünnten Wein und füllte auf einen Teller in verschiedenen Kräutern gebratenen Fisch. Aries liebte es herzukommen und offensichtlich war er nicht der einzige dabei. Trotzdem es nur eine relativ kleine Garküche war, war sie zum bersten gefüllt. Allesamt einfache Leute, Fischer, Gerber, Bauern und einige Ladenbesitzer, die Aries schon beim hereingehen erkannte. Die reicheren Bürger bemühten sich nicht runter zum Hafen sondern aßen in den Garküchen in der Stadt oder einfach daheim in ihren Villen.

Der Wirt - Cas, wie er sich nennen ließ - wischte sich den Schweiß mit einem dreckigen Taschentuch von der Stirn und sah dann zu Aries. Es war wie nach Hause zu kommen. Cas steckte in einer umfassenden Geste die Arme aus, als wollte er Aries umarmen und lächelte herzlich. „Aries, mein Junge! Wo warst du in den letzten Tagen? Ich habe auf dich gewartet, doch du hast dich nicht blicken lassen.", fragte er in lautem, aber freundlichen Ton, als Aries sich bis zur Theke zwischen den Leibern anderer Menschen gezwängt hatte. „Du hast doch hoffentlich keinen Ärger gemacht und musstest für ein paar Tage untertauchen?", spekulierte er mit gedämpfterer Stimme. Aries stieß amüsiert die Luft aus. „Zum Glück nicht. Außerhalb der Stadt war ich aber wirklich. In Herculaneum habe ich mich mit einem Händler aus dem nördlichen Gallia Lugdunensis getroffen, der mich für neue Stoffe begeistern wollte. Er meinte, er hätte die weichsten Schafe deren Wolle von den Händen hübscher Jungfrauen zu Stoffen gewoben werden.", erzählte Aries nicht ohne noch einmal über die Worte des Händlers zu schmunzeln. "Die Hände von Jungfrauen waren es wohl nicht, aber die Stoffproben die er mitgebracht hatte waren tatsächlich ziemlich hochwertig. Exquisiete Ware, gefärbt wenn ich will. Auch wenn ich, wie du weißt, lieber selbst meine Stoffe färbe." Cas hatte in der Zwischenzeit meinen Krug mit verdünntem Wein auf den Tisch gestellt und weitere Brote in den Ofen geschoben, die er vor dem Backen mit seinem Siegel versah. Nun stämmte er die Hände auf die Theke und sah Aries kopfschüttelnd an. "Die Hände von Jungfrauen", widerholte er ungläubig lachend. "Ich hoffe, das hast du dem Kerl nicht abgenommen. War der Stoff teuer?" Aries zuckte mit den Schultern und trang einen großen Schluck Wein aus dem Krug. Es schmeckte mild und süß. Reife Beeren aus dem letzten Sommer und ein wenig Honig. "Nicht mein teuerster Stoff. Aber ich habe gemerkt, dass die teuren sich besser verkaufen als die billigen, dicken Stoffe. Die Frau von heute mag es nicht, wenn ihre Kleider muffig riechen, weil die Wolle nach der Schur nicht richtig entfettet wurde. Ach, mein Vater hätte mich grün und blau geschlagen, wenn er wüsste was für schlechte Geschäfte ich noch vor einigen Monaten gemacht habe.", bedachte Aries und raufte sich das lockige Haar. Er war sich sicher das sein Vater es noch heute tun würde, wenn es wüsste wie Aries über die Runden kam. Nämlich mitnichten gut...

Cas stellte einen Holzteller mit einem Fisch und einem dampfenden Stück Brot vor Aries auf den Thresen. "Das sind dann wie immer 6 Asse.", meinte er und steckte eine Hand über den Teller. Aries biss sich unmerklich auf die Innenseite seiner Wange und legte dem anderen vier Asse in die Handkuhle. Die lockere Stimmung war mit einem mal verflogen. "Ich lasse es wieder anschreiben. Wenn ich wieder mehr Geld habe, dann-" "Ja, ja, ja. Dann bezahlst du es mir. Schon klar." Cas wirkte mehr als nur etwas genervt. Er nahm zwar die Asse hin, war aber alles andere als glücklich als er eine Wachstafel unter der Theke hervorzog, auf denen eine Hand voll Namen standen. Hinter den Namen stand eine Zahl die meistens zwischen V und X lag und dann war da Aries Name. Ganz oben. Cas brummte unglücklich. "Bei den Göttern. Du schuldest mir Geld, Aries, und das nicht zu knapp. 26 Asse und keines weniger. Ich muss auch irgendwie über die Runden kommen, du weißt doch wie sowas läuft. Bis Ende des Monats möchte ich mein Geld sehen, sonst-", murmelte Cas und Aries nickte schuldig. Er musste nicht weiterreden, Aries konnte sich denken, dass Cas ihm dann mindestens Hausverbot erteilen würde, wenn er nicht sogar an einem unschuldigen Abend Besuch bekommen würde. "-sonst bist du demnächst die Jungfrau, die deine Stoffe webt.", meinte ein dritter Mann, der sich nun das erste Mal zu Wort meldete. Es war ein breitschultriger Mann mittleren Alters, den Aries fast so gut kannte wie seinen Bruder.

Von den unerwarteten Worten doch wieder erheitert drehte Aries sich um und sah den bärtigen Mann an. Cas brach unerwartet in schallendes Gelächter aus, während der Mann ihm zwei weitere Asse entgegen schob. "Ich zahle den Rest, also pack das Ding weg und droh dem armen Jungen nicht. Es ist noch zu früh für sowas.", meinte der Mann charmant und sah Aries dann eindringlich an. "Onkel Titus! Was machst du denn hier? Ich dachte du hättest dich in Rom niedergelassen.", stieß Aries hervor, unter anderem, um das Thema zu wechseln. Titus war nicht wirklich sein Onkel, sie waren nicht blutsverwandt, aber seit Aries denken konnte hatte der Freund seines Vaters ihn stets unterstützt und ihm dann und wann auch mal bei Geldproblemen ausgeholfen. "Ach, die Großstadt. Es ist schön, aber auch laut und dreckig. Ich habe recht schnell gemerkt, dass sowas nichts für mich ist. Kaum war ich einen Monat da hatte ich Sehnsucht nach Pompeji. Außerdem macht es mich nervös der römischen Aristokraten-Rige so nahe zu sein. Neureiche wie ich stehen nicht unbedingt in der Gunst der großen Familien und da ich wenig Lust habe diese integranten kleinen Spielchen mitzuspielen, die hinter der Fassade ein großer Zeitvertreib zu sein scheinen, habe ich mich entschieden mich da erstmal rauszuziehen. Denn Leute wie ich verschwinden manchmal ganz plötzlich von der Bildfläche.", erzählte Onkel Titus mit faltiger Stirn. In Aries keimte Sorge um ihn auf. Er hatte sich doch nicht zu unvernünftigen Handlungen verleiten lassen, oder? Nicht, dass Titus ein unüberlegter Mann gewesen wäre, aber er ließ sich bisweilen schnell herausfordern. Gerade, wenn es um seinen Stolz und seine Familie ging konnte er durchaus temperamentvoll sein.

Titus bemerkte Aries Blick und lächelte entspannt. "Fast kann ich deine Gedanken laut hören. Hör auf zu grübeln und dir den Kopf über etwas zu zerbrechen, was nicht dein Problem ist. Iss etwas, du solltest deinen Laden bald eröffnen.", wies Titus ihn an wie ein strenger Vater und bestellte sich selbst etwas zu essen. Aries tat, wie ihm gesagt wurde und schlang sein Frühstück runter. Nachdem er alles mit dem Wein runtergespühlt hatte klopfte er Titus auf die Schulter und meinte, als er sich runterbeugte: "Ich gehe heute Abend in die Therme hier am Hafen, vielleicht sehen wir uns da." Dann verabschiedete er sich von Cas und ging die Straße hoch zurück zum Stadttor. Die Steine waren hier glatt von den vielen Schuhen, die schon darüber gelaufen waren. Nun stand die Sonne hoch am Himmel und es wurde schnell wärmer. Aries hoffte, dass die Leute sich nicht dadurch veranlasst sahen, in ihren Häusern im Schatten zu bleiben. Und er atmete noch einmal den salzigen Wind vom Meer ein, ehe er an den Wachen vorbei die Stadt betrat in der es nun bereits sehr viel belebter war.

Römisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt